Bewertung: 2.5 / 5
Also erstmal eine große Entschuldigung an all diejenigen, die diesen Erguss bis zum Ende durchhalten sollten. Getarnt als Kritik von Dolemite werde ich einen kleinen Streifzug durch das Blaxploitation Genre vornehmen, Anfänge, Höhe- und Tiefpunkte ansprechen, sowie natürlich auch Dolemite in dieses epische Gesülze reinquetschen.
Los geht’s – und nochmal sorry für irgendwelche unzulänglichen Halbwahrheiten, all das ist größtenteils auf meinen Mist als nerdiger Konsument gewachsen und hat kaum Rückendeckung durch irgendwelche Quellen, lediglich Beobachtungen meinerseits, daher sehr gerne an all die, die sich damit besser auskennen: kann zu Teilen gerne im Kommentarfeld korrigiert werden ;-)
Erst einmal sollte wohl gesagt werden, dass die Bonzen in Hollywood ja seit jeher prinzipiell farbenblind waren, das einzige was interessierte und immer noch interessiert ist natürlich Profit. Und daher wurde schon immer für das regulierte Studiosystem immer wieder der eine oder andere Vorzeige-Minderheits-Schönling gezüchtet und das Publikum so bei Stange gehalten: Anthony Quinn, Sidney Poitier nur mal als die prominentesten Vertreter, Ricardo Montalban, Cesar Romero als weitere Figuren. Rita Moreno bei den Frauen, und insbesondere hervorzuheben Hattie McDaniel die für Vom Winde Verweht sogar den Nebenrollenoscar als schwarze Dienstmagd bekam. Ab Ende der 1950er erstarkte zusehends das schwarze Bewusstsein, und dies fand seinen Widerhall im systematischen Aufbau von Sidney Poitier in solchen rassismus-thematisierten Klassikern wie Flucht in Ketten (1958) und gipfelte schließlich im absolut zeitlosen Klassiker In der Hitze der Nacht (1967) sowie im gleichen Jahr „Rate Mal Wer Zum Essen kommt“ (übrigens kein Porno).
So etablierte sich schon eine bequeme etablierte Schwarzenschicht in Hollywood, aber die Subkultur war im Kommen. Vor allem kam hier eines zum anderen: das Ende des klassischen Hollywood-Systems und die Geburt des New Hollywood, Bürgerrechtsbewegungen, die sexuelle Revolution, Vietnam usw usf.
Das Establishment wurde immer häufiger zum Schurken verklärt, das Kino verlor seine Unschuld (Man nehme nur mal Easy Rider!), Watergate zerstörte das letzte bißchen Vertrauen, und endlich, ja endlich gelang es schwarzen Filmemachern, sich selbst in Szene setzen zu dürfen. Nur als kleine Randnotiz hierzu: In The Heat of The Night ist von Norman Jewison, der ganz sicher nicht schwarz war! Also höchste Zeit!
1971: Die Geburt des Blaxploitation
Parallel zueinander kamen zwei Filme, die kaum gegensätzlicher sein könnten, heraus, die die Geburt des Blaxploitation markierten. Zum einen war da Shaft. Und zum anderen Sweet Sweetback’s Baadasssss Song. In beiden Fällen hatten wir es mit einem schwarzen hypermaskulinen, die Frauen mit seinem Schwanz um den Verstand bringenden Supermacho zu tun und in beiden Fällen war die Musik komplett überragend. Hierzu ein kleiner Schwenk nochmal zu Sidney Poitier, der zwar einerseits von allen rundum beliebt war, aber doch irgendwie auch für sein Teddy-Bären-Image in gewissen schwarzen Kreisen als asexueller Weissen-Schwarzer angesehen wurde. Und nun Sweetback und Shaft. Das waren Männer! Aber da hörten die Gemeinsamkeiten fast schon auf. Während Sweetback nämlich ein Getriebener war, der von der weißen Obrigkeit gejagt wird und sich nur durch seine Flucht in eine messianische Stellung für die schwarze Unterschicht definierte, war Shaft einfach nur ein Monster-Kerl, der sich nicht hat unterkriegen lassen und sich durchgesetzt hat, selbst in dieser weissen Welt, und der seine eigenen Regeln macht, und damit durchkommt
Shaft war eine astreine Studio-Produktion, inkl. Oscar-Ehren am Ende, und Sweetback war eine absolute Billigproduktion von einem gewissen Melvin van Peebles, der quasi alles selbst machte, inkl. der ausführlichen Sex-Szenen, die gerüchteweise echt sein sollen.
Beide Figuren gingen aber in die Popkultur ein, wobei van Peebles Charakter der eindeutig schwärzere Charakter blieb und bei der schwarzen Bevölkerung eine eindeutig höhere Popularität genoss. Ja, diese Figur hatte in der Folge auch den einen oder anderen Widergänger (inkl. Dolemite), die die lächerliche Prämisse zum Exzess auskosten sollten.
Auch Shaft wurde vereinnahmt, aber hier auch von der weissen Bevölkerung. Denn Shaft war kein offensichtlicher Rassist, eher ein Opportunist, der jedoch deutlich zu seinen Wurzeln stand und im Zweifel sich immer richtig entschied. So kam es, dass hier zwei Fortsetzungen gedreht wurden (inkl dem erbärmlichen Shaft in Afrika) sowie eine äußerst kurzlebige öffentlich rechtliche Serie. Später wurde die Figur noch weiter domestiziert, indem der Name Shaft für einen halbwegs brauchbaren Krimiplot ohne nennenswerte rassistisch-thematisierten Bezugspunkte mit Samuel L Jackson mißbraucht wurde und schließlich in einer müden Altherrenklamotte auf Netflix vor den fahrenden Laster geworfen wurde. Das ist nicht Shaft. Shaft ist der Film aus 1971! Und alleine der Vorspann zeigt hier, mit was für einem Tier von Kerl der Zuschauer es gleich zu tun haben wird. Richard Roundtree zu Idris Elba: Hold my Beer!
Da wir die Filme ja schonmal angesprochen haben, hier noch eine kurze Einwertung:
Sweetback
Ein ziemlich dillettantistisch geschnittener, einfältiger Film, der allerdings die Vorurteile (Potenz, Sexappeal, körperliche Überlegenheit) der weissen Bevölkerung gegen eben jene einsetzt. Filmhistorisch betrachtet etabliert er hier den Sexprotz und Luden und ist damit der Vorreiter jeglicher neuerer schwarzen Gangster Flicks – sowie der Porno-Reihe um einen gewissen Mandingo (auch bei Tarantinos Django Unchained unterschwellig ein Thema!)Alleine diese historische Relevanz bringt diesen Film auf 6 Punkte.
Shaft
Grandiose Figur in spannendem Setting mit phänomenaler physischer und auch schlagfertiger Präsenz, der zu recht zu einer Ikone wird. Film ist selbst auch sehr gut und genauso wie Sweetblack eine Blaupause wie viele noch zu kommende Filme verfahren werden, inklusiver romantischer Verklärung tatsächlicher Gangsterfiguren. Alleine aus historischer Relevanz heraus erreicht dieser ohnehin schon gute Film großartige Gefilde: 9 Punkte
1972 – 1975: Die Hochzeit des Blaxploitation
Natürlich kommen jetzt in kurzer Sukzession mehrere dieser Filme auf den Markt und überschwemmen ihn regelrecht mit teils kruden (oder immer kruder werdenden) Filmen. Ratzfatz etabliert sich eine Welle von Filmemachern und Stars, allen voran solche illustre Namen wie Fred Williamson oder Pam Grier. Doch besonders im Gedächtnis bleiben vor allem Superfly und Cleopatra Jones. Ersterer ist handlungstechnisch der Klassiker unter den Gangster-Filmen: Dealer und Lude will noch ein letztes Ding abziehen und dann aufhören, doch es kommt alles ganz anders (zuletzt sehr erfolgreich mit Layer Cake variiert!) und er muss alles einsetzen, um irgendwie da raus zu kommen. Und hier sieht man prinzipiell auch das erste Mal, wie weit das schwarze Bewusstsein gestärkt ist. Cleopatra Jones hingegen bedient ein komplett anderes – immer stärker werdendes Subgenre – Sexploitation im Stile des neuen Black is Beautiful: Die Frauen hier sind stark, sexy, groß, voluminös (in den richtigen Proportionen versteht sich – fragt mal Russ Meyer!) und eben keine Opfer! Und obwohl Tamara Dobson vielleicht die legendärste – auch optisch – Darstellerin in diesem Subgenre ist, ist Pam Grier doch plötzlich diejenige, die die berühmtere Person geworden ist: Zum einen weil sie mit Coffy und dem Remake Foxy Brown die Kassen zum Klingeln brachte und andererseits einfach weil ein gewisser Quentin Tarantino ein Fan von ihr ist. Und um ehrlich zu sein, vielleicht liegt es auch daran, dass Griers Figur deutlich geerdeter ist und nicht so ein Over-the-Top-Charakter wie Cleopatra Jones, The Hammer, oder gar ein Dolemite. Alles Figuren, die am Rande einer Karikatur oder gar darüber hinaus mit ihrem Machismo (selbst die Frauen) hausieren gehen. Das Interessante ist, dass wir hier ein immer stärker Hand in Hand gehen von weissen und schwarzen Filmemachern haben und sich etliche Subgenres entwickeln, wo Mainstream sich von „Independent“ nicht immer so leicht unterscheiden lässt. Na klar, Cleopatra Jones oder Hammer ist Mainstream und Over The Top. Dolemite ist Independent Movie der übleren Machart, hier tobt sich ein talentloser Stand-Up Comedian ziemlich offensichtlich auf den Spuren von Sweetback aus, inkl. ebensolcher derber und grotesker Sex-Szenen und lächerlichster Kung-Fu-Einschübe.
Was? Wie bitte? Kung Fu Einschübe? Na das ist uns doch wohl einen Kung-Fu Einschub wert!
Wie ja schon vorhin erwähnt, die gemeinen Hollywood-Produzenten drehten, was sich verkaufte, und es war ihnen egal, wie der Inhalt war, so lange es nicht zu sehr aneckt und profitabel bleibt. Und so pflegten sie ja ab und an auch gewisse Vorzeige-Nicht-Weisse zu etablieren. Einer jener Darsteller, die gegen Ende der 1960er ebenfalls zu Ruhm gekommen waren, war ein gewisser Bruce Lee, der in Asien schon für Furore gesorgt hatte und in Hollywood sich gerade auch am Etablieren war. Sein Prestigeprojekt hiess Der Mann mit der Eisenkralle, aber um ja auch mehr als nur die chinesisch-stämmige Bevölkerung anzusprechen, wurde kurzerhand mit John Saxon ein weisser Hauptdarsteller eingeführt und mit Jim Kelly auch noch ein schwarzer Kung Fu Kämpfer. Der Film läuft im Grunde in vielen Aspekten nach dem Prinzip eines Exploitation Reissers ab (inkl. Rape und Revenge Plot) gepaart mit Elementen des Blaxploitation (Jim Kelly ist auf der Flucht vor der bösen weissen Polizei), bedient aber gleichzeitig die Klischees des typischen weissen Popcorn Movies (egal wie cool der schwarze Sidekick auch sein mag, er ist derjenige, der sterben muss). Aber ich schweife ab. Der Film wurde ein kolossaler Erfolg (die tragischen Hintergründe spare ich mir mal, nur Andeutungsweise hier die Passage) und ratzfatz gab es ein weiteres Subgenre im Blaxploitation Kino mit Black Belt Jim! (Eigentlich spricht der Gürtel doch eher für Karate, hmm, kratz am Kinn….?)
Zurück zu Dolemite und Konsorten: Wie gesagt, wie die Pilze aus dem Boden schossen diese grotesken Eigenproduktionen aus dem Boden gepaart mit grotesken Ideen aus dem Hause der Ideen genannt Hollywood (Blacula etc.) und innerhalb dieser kurzen Zeit hatte sich die Idee auch schon erledigt. Bis Ende der 1970er war es schon wieder vorbei.
Doch ein paar Ikonen blieben übrig, die cool genug waren, dass sie die Zeit überlebten:
Cleopatra Jones (inklusive einiger Fortsetzungen):
Ich würde dieser Agentenkomödie irgendwas um die 4-5 Punkte attestieren
Superfly:
Sensationeller Soundtrack, guter Film, auch sowas um 6 Punkte, aber weil er so einflussreich auf das Genre ist sogar 7 Punkte (vergesst das Remake!)
Hammer
Fred Williamson wird zu sowas wie dem Aushängeschild des Blaxploitation Kinos und dieser Film dient prinzipiell als die Inspiration für die Bruce Willis Episode aus Pulp Fiction. Ebenfalls 7 Punkte
Coffy (1973), Foxy Brown (1974)
Prinzipiell dieselbe Geschichte, beide mit Pam Grier, der erfolgreichste Film von Pam Grier in diesem Genre, und ein Massstab, was female Blaxploitation angeht. Nicht zuletzt deshalb heisst der andere Film Jackie Brown und nicht zuletzt gibt es eine minder talentierte Rapperin ähnlichen Namens. 6 Punkte
Black Belt Jones
Lächerlicher Vorstoss in andere Regionen im Fahrwasser des neuen Genres, 4 Punkte
Dolemite
Rudy Ray Moore macht einen Film irgendwo zwischen Selbstverachtung, Komödie, Porno, Thriller, der auf einer Figur beruht, die er als Stand-Up Comedy Figur erdachte. Dabei interpretiert er Sweetback als Porno-Kung-Fu-Klamotte, und das sorgt dafür, dass er in der Black American Community dank solcher Nerds wie dem Wu Tang Clan, insbesondere ODB, unsterblich wird. Später wird diese Figur von Mad TV weiter gesponnen und weiter unsterblich gemacht. Ein popkulturelles Phänomen, das es so eigentlich nie geben dürfte, da der Film, die Figur, die Sex-Szenen, eigentlich gar nichts an diesem Werk, auch nur einen Ansatz von Qualität aufweisen. Dennoch 5 Punkte! Wer es durchhält, weiss was ich meine!
Und nun? Blaxploitation ist tot, wie geht es weiter?
Das Erbe
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das New Black Cinema vom Ende der 1980er bis Mitte der 1990er mit all seinen qualitativ hochwertigen Stoffen ohne das Blaxploitation Kino niemals hätte existieren können, denn gerade das schwarze erstarkte Selbstbewusstsein, dass in jenen Filmen so stolz vor sich her getragen wurde, mit der positiven Umkehrung jeglicher rassistischer Klischees inklusive, konnte dann Jahre später dafür sorgen, dass die Kinder von einst sich trauten, auch mal aus der Hollywood-Comfort Zone heraus richtig gute Filme zu drehen:
Zu den wichtigsten dieser Filme zählen unter anderem
Menace II Society, New Jack City (übrigens von Mario van Peebles, dem Sohn von Melvin van Peebles), Boys in the Hood und ja selbst: Friday.
Interessante Rand-Notiz für Fans des Mannes: Ähnlich wie der Kino-Haudegen Jean-Paul Belmondo seine Karriere mit der Nouvelle Vague startete und später zu einem Action-Hallodrie mutierte begann ein gewisser Wesley Snipes seine doch schon glorreiche Kino-Karriere in ernst zu nehmenden Filmen dieses New Black Cinema und war auch der Superstar dieses Genres, ehe er von Hollywood zu einem Action-Superstar ummodelliert wurde. Daher ist es auch sehr schön zu sehen, dass er in dem Eddie Murphy Vehikel über Rudy Ray Moore quasi zu seinen Wurzeln zurückkehrt.
Und wenn man Erbe von Blaxploitation sagt, darf man Blakkklansman einfach nicht vergessen, denn Spike Lee dreht seinen Film als bittere Mischung aus Blaxploitation, inkl. bekannten Stilelementen, und semidokumentarischer Resignation, dass man Rassismus nicht so bekämpfen kann.
Weitere besondere Erwähnung
Immer mal wieder gibt es die eine oder andere Parodie des Genres, meistens sind sie sehr schlecht gemacht, aber einer der das wirklich phänomenal durchschaut hat und das Genre so verstanden hat wie kein zweiter ist Mchael Jai White. Sein Black Dynamite ist eine perfekte Parodie des Genres und gleichzeitig auch genauso gedreht, dass es ohne Probleme als ernst gemeinter Film aus jener Ära verstanden werden kann. Im Prinzip ist dieser Film die Messlatte, was das Genre angeht und verdient hier eine extrem hohe Bewertung. Prinzipiell sowas wie 6-7 Punkte, aber in dem Genre in dem er sich bewegt absolut auf Olypmia-Niveau, auch so um 8-9 Punkte.