Bewertung: 4.5 / 5
Im Himmel donnert's ganz gewaltig, und dann fährt die Kamera durch eine karge Felslandschaft, die ungefähr so einladend ist wie die Provinz Mordor in Mittelerde. Das Böse ist allgegenwärtig, das wird Faust bald merken. Der russische Regisseur Alexander Sokurow (Russian Ark) interpretierte Goethes Tragödie recht frei und inszenierte ein fesselndes Meisterwerk über einen Mann, der bis ans Ende der Welt geht, um zu scheitern.
Hunger bekommt er, der Faust (Johannes Zeiler), während er in den Eingeweiden einer Leiche rumwühlt. Er will die Seele des Menschen finden und wiegen. Die Suche ist mal wieder erfolglos. Der Hunger aber immer noch da. Geld jedoch hat Faust keines und auch keinen Lebenssinn. Da wird man anfällig für Leute wie den Wucherer (Anton Adasinsky), Sokurows abscheuliche Mephisto-Figur, der Faust das Blaue vom Himmel, zumindest aber einen vollen Magen verspricht und ein Techtelmechtel mit Margarethe (Isolda Dychauk). Ein Versprechen, das er nicht halten will.
Faust, 2011 in Venedig mit dem Goldenen Löwen für den besten Film ausgezeichnet, wurde im alten Kinoformat 1:1,37 gedreht, was merkwürdig altmodisch wirkt, aber zu diesem archaischen, beklemmenden Film mit seinen abstoßenden, oft surrealen Bildern passt. Sokurow schickt Faust und den Wucherer in ein rohes, dreckiges, widerliches Mittelalter, durch enge, dunkle Gassen und in versiffte Wirtshäuser.
Das ist plastischer Ekel, gut berechnet und absolut konsequent. Des Pudels Kern ist hier der verrohte Mensch, der sich auf dieser Welt eingenistet hat und alles missbraucht, was er missbrauchen kann. Faust zum Beispiel hat durch den Pakt mit dem Wucherer viel Macht bekommen - und darüber denkt er in einer mystischen Kinometapher über Macht und gescheiterte Existenzen ausführlich nach. Antworten findet er nicht, hinterlässt aber eine Menge Fragen und ein mulmiges Gefühl.
Faust bekommt 4,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)