
Bewertung: 3.5 / 5
Achtung, Spoilerwarnung!
Im Jahre des Herren 1995 kam ein Film in die Kinos, der zumindest für mich den Maßstab für unglaublich intensive und realistisch inszenierte Schlachten setzte, die ich zu dem Zeitpunkt jemals auf der Leinwand erleben durfte: Braveheart. Ein eindringlicheres Mittendrin-Gefühl hatte ich nie zuvor bei einem Film. Es war dreckig, man hatte das Gefühl, die Menschenmassen – bis in die hintersten Reihen durch choreografiert - schlugen sich wirklich die Köpfe ein, die Kamera inmitten des Gewühls gepaart mit der bombastischen Klangkulisse um mich herum, ließ mich tief in meinen Kinosessel sinken und gebannt das Geschehen auf der Leinwand verfolgen. Ab da, hatte ich das Gefühl, diente die Braveheart-Schlacht als Vorbild für weitere Produktionen. 1998 holte Steven Spielberg diese intensive Inszenierung in den zweiten Weltkrieg (Der Soldat James Ryan) und im Jahr 2000 sollte der "Sandalenfilm" revolutioniert werden – mit Gladiator.
Trailer zu Gladiator 2
Auch bei Ridley Scott`s (heute nennen wir es) Meisterwerk sollte der Realismus und das Mittendrin-Gefühl an erster Stelle stehen und so wird man als Zuschauer direkt zu Beginn des Films in eine Schlacht geworfen, die schmutziger nicht sein könnte. Horden von Soldaten, soweit das Auge reicht. Das Schlachtfeld matschig, das Wetter trübe, die Kostüme abgenutzt und der Zuschauer mitten im Gewühl. Eine Person sticht direkt hervor: Maximus Decimus Meridius, alias Russel Crowe. Man weiß sofort: Der Mann ist ein großer Feldherr. Seine Ausstrahlung, seine Stimme, sein gesamtes Auftreten ist perfekt in Szene gesetzt und nicht nur seine Männer vertrauen ihm, sondern der ganze Kinosaal.
Dies ist nur ein kleiner Part – ein Puzzleteil – das Gladiator zu diesem Meisterwerk machte. Weitere Teile sind im Verlauf des Films eine klare Struktur vom Aufstieg bis zum Fall des Helden – was dramatisch und mitreißend inszeniert wurde – und die Motivation, die Rachegelüste desselben, klar definiert und für jeden nachvollziehbar übermittelt. Wichtig hierbei ist zum einen die klare Trennung zwischen Gut und Böse (mehr als die gezeigten Intrigen, sind für einen Film, wie Gladiator überhaupt nicht notwendig, da er letztlich kein Politthriller, sondern im Grunde ein klassischer Actionfilm, sein will (aber mit einer gehörigen Portion Drama)) und natürlich den nicht minder wichtigen Antagonisten Commodus, wunderbar gespielt von Joaquin Phoenix, den man abgrundtief hassen darf. Zum anderen ist die Inszenierung der Aha-Momente ein weiterer Baustein, der die Emotionalität zementiert. Es sind gerade die Schlüsselmomente (Ermordungen, Gewinn der Zuneigung des Volks bis hin zum Outing "Mein Name ist Maximus Decimus Meridius! Kommandeur der Truppen des Nordens, Tribun der spanischen Legion, treuer Diener des wahren Imperators Marcus Aurelius. Vater eines ermordeten Sohnes, Ehemann einer ermordeten Frau und ich werde mich dafür rächen. In diesem Leben oder im nächsten!"), die den Zuschauer packen, die Sympathie für den Protagonisten vollends festigen und mich endgültig ins "Team Maximus" ziehen.
Der Bauteile für diesen Film sind aber noch nicht alle aufgezählt – eines fehlt noch: Der Ton! Auch hier muss in zwei Bereiche unterteilt werden: Soundeffekte und Musik. Zur Musik braucht man nicht viel zu sagen. Selten trug der Soundtrack so intensiv zur Entfaltung des bewegten Bildes bei, wie bei Gladiator. Es ist quasi eine Hymne und unterstützt wirklich jede Szene, sei es die Schlacht mit der kompletten brachialen Gewalt des Orchesters und vor allem epischen Melodien, die im Ohr bleiben und auch nach der Sicht des Films widerhallen, leise Töne in ruhigen, oder traurigen Sequenzen mit altertümlich, gar exotisch klingenden Instrumenten oder Stimmen, bis hin zu euphorisch anschwellenden Wohlfühl-Stücken. Die erste Fahrt nach Rom wird durch die begleitende Musik zu einem wahren Fest für die Ohren. Zur überwältigenden Musik gesellen sich die bombastischen Soundeffekte bzw. die Geräuschkulisse. Ich habe nur wenige Blu-rays im Regal stehen, bei denen der Sound so perfekt abgemischt klingt und in seiner emotionalen Härte zum Mittendrin-Gefühl beiträgt. Letztlich auch erwähnenswert, der Endkampf, der komplett ohne Musik auskommt und gerade dadurch wirkt. Die Wahl, sich da komplett auf die Geräuschkulisse zu reduzieren, könnte die Szene nicht besser unterstreichen.
Lange Einleitung, die scheinbar nur wenig mit dem zu rezensierenden Film zu tun hat.
Nicht ganz. Denn schließlich geht es ja um nicht weniger, als die Fortsetzung des Klassikers und was soll ich sagen: Die Latte ist praktisch unerreichbar hoch und eine Messung am ersten Teil fast schon unfair. Vorweg möchte ich betonen, dass ich nie wirklich das Gefühl hatte, eine Kopie von Gladiator I zu sehen und ich versuche den zweiten Teil als eigenständigen Film zu werten, wenngleich ich nicht umhinkomme, ihn teilweise mit seinem Vorgänger zu messen, da er nun mal eine offizielle Fortsetzung ist. Ich bin froh, dass Gladiator II nicht zum Totalausfall wurde und für mich auch weit davon entfernt ist, ein schlechter Film zu sein. So habe ich bereits bei meiner Terminator – Dark Fate Kritik zunächst eine Art Blaupause für gute Terminator-Filme entworfen, um feststellen zu können, was beim neusten Film alles falsch lief und warum er mir nicht zusagte. Diese Sorge ist bei Gladiator II, wie gesagt, unbegründet.
Wenngleich ich mehr Negativpunkte aufzählen werde, möchte ich den Film mitnichten auf diese reduzieren. Aber zunächst die positiven Punkte: Spannend ist Gladiator II und es gibt herzzerreissende dramatische Szenen. Es ist für mich eine rundum gelungene Geschichte, die trotz ihrer Laufzeit nie langweilig wird. Die Schauspieler sind fast durch die Bank gut gecastet und machen ihren Job auch weitestgehend überzeugend. Wie in anderen Rezensionen gelesen empfand ich jetzt Denzel Washington nicht wirklich als Überflieger. Er war halt Denzel Washington – mehr aber auch nicht (aber auch nicht weniger). Und ebenfalls positiv – aber das nur am Rande und nicht wertungsmaßgebend – ist mir die erfrischende "Unwokeness" aufgefallen.
Aber kommen wir zu den Kritikpunkten:
Größter Kritikpunkt ist – und da muss ich mich in eine Reihe mit so manch anderem Rezensenten stellen – ist der Hauptdarsteller. Paul Mescal konnte in keinster Weise überzeugen. Dafür fehlte ihm die Größe, die Präsenz, die Mimik… einfach alles, was ein Russel Crowe auf die Leinwand brachte. Natürlich kann auch ein kleines Persönchen, wie Mescal kämpfen – vermutlich auch beweglicher als Crowe, aber dann hätte man sich dies auch zu Nutze machen und deutlicher inszenieren sollen. Deutlich besser – und für mich auch der charismatischste und überzeugendste Charakter des Films – war Pedro Pascal alias Acacius. Nach The Mandalorian und Games of Thrones hatte er bei mir natürlich bereits Vorschusslorbeeren, aber er hat im Prinzip abgeliefert, was ich von ihm erwartet hatte. Gerne hätte ich ihn in der Hauptrolle gesehen ungeachtet der Tatsache, dass er keinen glaubhaften 28-jährigen hätte mimen können. In diesem Falle hätte man die Geschichte eben weiter in der Zukunft ansiedeln müssen.
Zweiter Kritikpunkt ist die Motivation, was fast ebenso wichtig ist, wie mein erster Punkt. Klar, der Junge (Lucius) ist der wahre Thronerbe und hätte Gründe genug, nach Rom zu kommen und auf den Putz zu hauen, aber im Kampf gegen die Römer die Ehefrau zu verlieren und dann gegen den Chef der Angreifer einen Rachefeldzug zu planen, war einfach völlig beliebig (seine Frau hätte im Kampf auch gegen jeden anderen Römer draufgehen können – sie war mit ihrer bloßen Anwesenheit ja grundsätzlich bereit, in den Tod zu gehen und er sah darin überhaupt kein Problem). Maximus` Verlust in Gladiator I war dagegen eine reine Provokation gegen ihn persönlich. Seine Familie war nicht im Krieg. Hier ging es um eine Fehde zwischen Commodus und ihm. Lucius hatte seinen "Todfeind" in jener verhängnisvollen Schlacht jedoch (vermutlich) zum allerersten Mal gesehen und klar, da ist man stinksauer, aber eben für einen Film dieser Tragweite ist das zu beliebig.
Der dritte Kritikpunkt fällt leider in die Kategorie "Das machen sie halt heutzutage in jedem Blockbuster": Die animierten Tiere. Ich weiß nicht mehr, waren die Tiger in Gladiator I echt, oder auch schon animiert (zumindest sahen sie echt aus)? Wie dem auch sei, es rennt eine Horde Zombieaffen in die Arena und ich stöhne genervt. Die Viecher sehen halt einfach nicht echt aus. Wieso muss das sein? Warum nicht gegen andere Gladiatoren kämpfen? Nicht minder animiert sah das Nashorn aus – und da kam erschwerend auch noch eine Portion Comic-Flair dazu. Und Last but not least, war der Realismus völlig flöten, als das Kolosseum zu einem riesigen Pool umgebaut wurde (ich bin ja der Letzte, der bei diesem Stoff auf realistische Präzision pocht und kann des Unterhaltungswertes wegen die ein, oder andere historische Unschärfe problemlos tolerieren), aber da zogen sich in meinem Kleinhirn sämtliche Indulgenz-Bereiche zusammen. Nicht nur, dass man es irgendwie schaffte (wer weiß, vielleicht haben die Römer das damals wirklich irgendwie bewältigt), das Kolosseum so abzudichten, dass man Wasser darin stauen kann (ohne die darunterliegenden Katakomben zu fluten), das ganze dann auch noch mit Salzwasser zu befüllen (über die Aquädukte lief meines Wissens nach nur Süßwasser), was Voraussetzung für das Überleben der Haie wäre und – da ich es gerade anspreche – Haie aus dem Meer zu fangen und im Kolosseum-Pool auszusetzen… Nein, man ließ auch noch zwei Galeeren darin herumschippern und die Gladiatoren wild mit Pfeil und Bogen (inkl. Brandpfeilen) umher ballern, ohne einen Gedanken damit zu verschwenden, der ein- oder andere Querschläger könnte evtl. mal ins Publikum, oder den VIP-Bereich der Kaiser fliegen (was ja zuletzt auch – sogar bewusst – passiert). Okay, ich gebe zu, bei Gladiator I wurde auch mal mit Pfeil und Bogen geschossen, aber dort nur vom Streitwagen herab auf die unberittenen Gladiatoren (Stichwort "high ground").
Wie dem auch sei… wir kommen zum vierten Kritikpunkt: Die Musik. Ich weiß nicht, wie Ridley Scott die Musik so durchwinken konnte und ich verstehe auch nicht, warum von Harry Gregson-Williams nichts Besseres abgeliefert wurde, da ich ihn eigentlich für einen richtig guten Komponisten halte (was er in seiner Laufbahn schon mehrfach unter Beweis gestellt hat). Es waren letztlich immer nur die bekannten Themen aus dem ersten Teil, die funktionierten. Diese waren aber auch nur sehr rar gesät. Da hätte ich doch deutlich mehr erwartet, zumal Gregson-Williams einfach nur den Soundtrack aus Teil 1 hätte nehmen und hier und da etwas adaptieren müssen, gespickt mit ein paar neuen Melodien und fertig. Aber bei Gladiator II wurde praktisch keine Szene durch einen erinnerungswürdigen Soundtrack untermalt bzw. unterstützt. Die Musik dudelt einfach irgendwie im Hintergrund vor sich hin. Sie ist schlicht und einfach langweilig (bis auf die Referenzen aus Teil 1, wie gesagt), bzw. bietet keinen Mehrwert. Schade.
Zuletzt noch ein kleiner Kritikpunkt Nummer 5 – dies aber auch nicht wertungsrelevant: Grundsätzlich war ich mit der Kameraarbeit zufrieden. Allerdings gab es die ein- oder andere Szene, in der scheinbar grundlos die "Wackelkamera" zum Einsatz kam. So z.B. in der Szene, in der Lucius die Rüstung von Maximus zu Gesicht bekommt. Dies ist eigentlich eine sehr ruhige Szene und würde durch eine entsprechend ruhige Kamera noch mehr Tragweite bekommen. Stattdessen zappelt und wackelt das Bild und die gesamte Ehrfurcht und Emotion bleibt auf der Strecke. Es fühlt sich tatsächlich so an, als hätte man kurz vor Drehschluss noch die Idee zu dieser Szene gehabt und das eben mal schnell mit der Handkamera umgesetzt. Das hat der Szene die Atmosphäre genommen.
Achso, und bevor ich es vergesse: Da gibt`s tatsächlich noch einen Kritikpunkt Numero 6. Gespoilert wurde ja bereits schon ausgiebig, aber hier nochmals die ultimative Warnung! Maximus soll Lucius` Vater sein? Das geht mal überhaupt nicht und würdigt Maximus im Nachhinein herab. Keine Ahnung, wie Scott auf diese blöde Idee kam, aber das kann nur Fake News sein. Der glücklich verheiratete Maximus mit Sohn… die Familie in seiner Heimat, die er über alles liebt. Nein, das will einfach nicht zu dieser Person passen.
Und damit kommen wir zum Ende meiner Rezension. Wie eingangs erwähnt möchte ich meine Kritik nicht auf die Negativpunkte reduziert wissen. Trotz allem fühlte ich mich gut unterhalten. Der Film ist bei weitem kein Meisterwerk. Er lässt sich definitiv nicht an seinem Vorgänger messen. Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass er weit entfernt davon ist, ein schlechter Film zu sein. Ich werde ihn auf jeden Fall ein weiteres Mal schauen, wenn er für`s Heimkino erscheint. Ob er den Weg als Blu-ray in mein Regal findet? Ich denke nicht.
Die 3,5 Hüte hat er sich verdient, aber ich wünschte, ich könnte ihm mehr geben.
