Bewertung: 3.5 / 5
Das berühmte Nibelungenlied kehrt endlich auf die große Leinwand zurück. Die legendäre Geschichte von Siegfried von Xanten, der gegen einen Drachen kämpft, unverwundbar in die Schlacht zieht und sich in einem Liebesdrama wiederfindet. Aber Moment, dieser Film handelt gar nicht primär von Siegfried, oder?
Hagen - Im Tal der Nibelungen Kritik
In einer Zeit voller Krisen findet sich Hagen von Troje (Gijs Naber) als Waffenmeister, mit eisernem Willen und Pflichtbewusstsein als Beschützer des Königreichs wieder. Gleichzeitig ringt dieser mit seinen Gefühlen gegenüber der Tochter des Königs, Kriemhild (Lilja van der Zwaag) und seiner eigenen Vergangenheit, die ihn droht einzuholen. So geschieht es, dass eines Tages der Drachentöter Siegfried von Xanten (Jannis Niewöhner) in der Stadt Worms auftaucht, mit einem Gefolge von tapferen Kriegern und einer merkwürdigen Gestalt. Der sich durch seine unberechenbare Art auszeichnende Siegfried wird alsbald zum Störenfried als auch Retter des Reiches. Der noch junge König Gunter (Dominic Marcus Singer) sieht sich umringt von Feinden und möchte mit Siegfrieds Hilfe die gefährliche Walküre Brunhild (Rosalinde Mynster) ehelichen, um seine Reihen mit mörderischen Walküren zu stärken. Die von Hagens Pflichtbewusstsein unbefriedigte Kriemhild verliebt sich währenddessen in seinen Widersacher Siegfried. Schon bald wird sich Hagen von Troje für die Liebe oder Königstreue entscheiden müssen.
Trailer zu Hagen - Im Tal der Nibelungen
Die Handlung von Hagen - Im Tal der Nibelungen klingt nicht nur komplex, sondern ist es auch für einen Streifen von 133 Minuten Laufzeit. Nicht ohne Grund wurde die Sage zuletzt 2004 in dem zweiteiligen Film Die Nibelungen in einer Gesamtlaufzeit von gut drei Stunden erzählt. Nahezu jeder Handlungsstrang bleibt oberflächlich und geht selten in die Tiefe, denn wenige Minuten später wird ein weiterer aufgemacht und übernimmt die Handlung. Gleichzeitig bin ich froh, dass der Film diese ausufernde Sage in keinem weiteren drei Stunden Epos erzählen möchte. Hagen - Im Tal der Nibelungen nutzt seine Laufzeit gut und das Regie-Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert schafft es trotz teils oberflächlicher Handlungsstränge eine stimmige und packende Geschichte zu erzählen.
Eine Geschichte von den beiden Antagonisten Hagen von Troje und Siegfried von Xanten. Sie beide sind nicht die schillernden Ritter, die wir kennen. Stattdessen tragen beide ihre eigene in der Vergangenheit liegende Last mit sich, die sie zugleich zu Widersachern, aber auch Freunden macht. Diese Dynamik ist es, die den Film antreibt und uns über die ein oder andere Schwäche hinwegsehen lässt. Dabei ist hervorzuheben, dass sie beide ebenso unsympathisch, fremd und emotional unerreichbar auf einen wirken können. Sie sind echte Antihelden und keine, die schlussendlich doch den rechtschaffenen Weg gehen, den vermeintlich richtigen Weg. Statt Siegfried folgen wir Hagen als Hauptfigur, eine mutige Entscheidung, die durchaus hinterfragt werden kann. Ja, es ist interessant, ihm als Hauptfigur in seinem Zwiespalt zwischen Liebe und Treue zu folgen, doch bleibt er aufgrund seines eisernen Willens ebenso kühl und unnahbar.
Bei aller Kritik gegenüber Hagen als Hauptfigur, macht doch sein Schauspieler Gijs Naber einen guten Job seine Rolle zum Leben zu erwecken. Bei Siegfried gelingt dies Jannis Niewöhner zwar auch einigermaßen, doch kaufe ich ihm seine Rolle nicht zu jeder Sekunde ab. Er überspielt von Zeit zu Zeit ein wenig. Genauso ging es mir mit Dominic Marcus Singer als König Gunter. Er wirkt nicht wie die perfekte Besetzung und verblasst neben seinen Co-Stars nahezu. Durch das teils schwankende Schauspiel und die deutsche Originalsynchronisation wird einem regelmäßig bewusst gemacht, dass man eine europäische Produktion schaut. Genau in diesen Momenten wurde mir aber ebenso bewusst, wie gut dieser Film dennoch ist.
Hagen - Im Tal der Nibelungen ist eine europäische Co-Produktion, die einige Fördermittel hinter sich vereinen konnte. Zu den beteiligten Länder gehören neben Deutschland auch Tschechien und Island. Kein Wunder also, dass der Film so gut aussieht, der Produktionswert sucht seinesgleichen unter den Filmen aus deutscher bzw. europäischer Hand. Neben Filmförderfonds, hat vor allem RTL+ hier investiert, kommt der Film doch 2025 als Serien-Event auf den noch jungen Streamer. Während in der Vergangenheit deutsche Fördermittel vor allem für amerikanische Produktionen wie Uncharted oder Matrix Resurrections ausgegeben wurden, die nur deshalb Szenen in Deutschland drehten, haben die Förderanstalten nun auch in die eigene Kultur investiert. Dabei bin ich besonders froh, dass es sich bei Hagen - Im Tal der Nibelungen um einen Fantasy-Film handelt, der in dieser Form kaum im deutschen Kino stattfinden darf.
Aufgrund der vielen Fördermittel, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Effekte sich sehen lassen können. Gleichzeitig merkt man ihre Versuche, die nötigen Effekte so gering wie möglich zu halten. Kurz: Wenn ihr für den Drachen ins Kino geht, lasst es. Der Trailer nimmt alle Szenen mit dem Ungetüm vorweg. Aber auch ohne geflügeltes Fabelwesen bietet der Streifen genug starke Bilder. Auf demselben Level befindet sich die Musik. Neben dem gelungenen Score des Films, ist es ein eigens produzierter Song von der Band Sigur Rós, der mich in den Bann gezogen hat. Sigur Rós hatte bereits für Game of Thrones eine eigene Version von The Rains of Castamere aufgenommen.
"Show, don’t tell" heißt es so schön in der Filmkunst. Deutsche Produktionen scheinen sich jedoch meist durch dauerhaftes Erzählen der Handlung und Gefühle der Figuren auszuzeichnen. Hagen - Im Tal der Nibelungen markiert erfreulicherweise einen Gegenpol dazu. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Königin der Walküren, Brunhild. Sie bleibt zu großen Teilen des Films stumm und besitzt kaum Dialogzeilen. Ihre Emotionen muss sie den Zuschauern nicht erzählen, sie zeigt sie ihnen. Es passt zu dem kriegerischen Erbe ihres Volkes.
Fazit
Unterm Strich erfindet Hagen - Im Tal der Nibelungen das Rad nicht neu und wird uns auch nicht als denkwürdiger Fantasy-Film in Erinnerung bleiben. Es ist ein sehenswerter Film, der vor allem ein Paradebeispiel für den sinnvollen Einsatz von Filmförderungsmitteln darstellt. Ebenso bringt er Fantasy mit europäischem Anstrich zurück und zeigt, dass auch Deutschland Genre-Kino kann. Ob das deutsche Publikum dieses auch will, bleibt abzuwarten.
Wiederschauwert 60%