Bewertung: 5 / 5
Interstellar ist ein Film, den ich mir jedes Jahr anschauen muss bzw. mag und jedes Jahr fasziniert er mich aufs Neue. Zwar gab es schon im Jahr 2014 eine Kritik von mir, aber gerne mag ich eine zweite verfassen und einige andere Schwerpunkte einbringen.
Denn nach einem zunehmenden Klimawandel in den letzten Jahren, einer Pandemie mit Maskenpflicht und diversen Existenzängsten durch verschiedene Krisen kommt einem die Ausgangssituation des Films heutzutage doch deutlich bekannter vor, als noch 2014.
Trailer zu Interstellar
In Interstellar sagt Cooper zu seinem Stiefvater auf der Veranda, dass man sechs Milliarden Menschen auf der Erde hatte, welche alles haben wollten. Ein bisschen als eine Art Auslöser für die Bedingungen, welche sich auf der Erde zunehmend verändert haben und im Film insbesondere durch Mehltau dafür sorgen, dass nur noch geringe Ernten möglich sind und die Luft zunehmend schwerer zum Atmen wird. Weiterhin ziehen Sandstürme über die Welt her.
In unserer Realität haben wir im Jahr 2022 acht Milliarden Menschen und wir befinden uns ebenfalls in einer Konsumgesellschaft. Jeder möchte nach Möglichkeit alles jederzeit haben. Zwar wird in absehbarer Zeit kein Mehltau in diesem Ausmaß über unsere Erde ziehen, aber unsere Welt macht es uns auf andere Art und Weise schwer zu überleben.
In gewisser Weise ist Interstellar ein Blick in unsere Zukunft, jedoch muss unsere Lösung nicht heißen die Erde zu verlassen. Der Film gibt abseits dieser Weltraumodyssee zwei wichtige Möglichkeiten mit so einer Situation fertig zu werden. Die erste ist relativ einfach erklärt: Wir müssen lernen uns auf neue Lebensumstände anzupassen. Die zweite Sache wird mehrfach in Form eines Gedichts vorgetragen: "Geh nicht gelassen in die gute Nacht." Die Menschen können entwickeln, erfinden und Wissen schaffen. Diese Eigenschaften haben uns dort hingebracht wo wir jetzt sind. Statt alles zu konsumieren müssen wir uns genau auf diese Fertigkeiten besinnen. Dann werden wir diesen Planeten hoffentlich nicht wirklich irgendwann verlassen müssen. Sondern können uns auch gegen starke Probleme wehren und Lösungen entwickeln.
Die Grundsituation von Interstellar wurde 2014 nicht genauer definiert, aber diese Freiheiten machen es heutzutage möglich, die Geschichte auf verschiedene Situationen zu übertragen. Dabei stellt der Film die richtigen Fragen und gibt zeitgleich auch die richtigen Antworten. Genial minimalistisch geschrieben aber leider auch erschreckend, dass der Film sich 2022 ein Stück realer anfühlt als noch vor acht Jahren.
Abseits der Raumfahrt sowie der engen Familiengeschichte geht es in Interstellar vor allem um Wissenschaft. Cooper erklärt seiner Tochter relativ am Anfang deutlich, was sich dahinter verbirgt. Murph vermutet einen Geist im Bücherregal und Cooper regt sie an, dass nicht als einen Geist abzustempeln, sondern das Problem zu verstehen, zu analysieren, zu entschlüsseln und vor allem das Wissen zu dokumentieren und nachvollziehbar für andere zu machen. Genau das ist Wissenschaft und dieser Satz (in Verbindung mit der Liebe zu ihrem Vater) ermächtigt Murph Jahre später den Code der Gravitation zu entschlüsseln.
Die Lösung zur Rettung der Menschheit steckt nicht in einer Ein-Mann-Armee, in einem Superheld oder der gleichen sondern man findet sie in einem Bücherregal.
Bei den Gravitationswellen handelt es sich übrigens um ein physikalisches Phänomen, was 2014 noch nicht nachgewiesen war, sondern nur in der Theorie vorkam. Tatsächlich konnte diese jedoch ein Jahr später messbar nachgewiesen werden und eine Gruppe von Wissenschaftlern erhielt dafür 2017 den Nobelpreis. U.a. Kip Throne, wissenschaftlicher Berater von Interstellar.
Gravitationswellen schön und gut, aber dann gibt es da immer noch diesen Tesserakt welcher einen fünfdimensionalen Raum in einer dreidimensionalen Umgebung darstellt. Wesen haben diesen, sowie das Wurmloch für uns erstellt. Cooper kommt später zum Schluss, dass es keine Wesen waren, sondern die Menschen selbst. Das ist ein weiterer spannender Punkt, wo Interstellar ein bisschen das macht, was Stanley Kubrick bereits in 2001: Odyssee im Weltraum getan hat. In 2001 ging es primär um die menschliche Evolution bis hin zum Übermenschen, welcher wiedergeboren als Fötus auf die Erde zurückkehrt. Ähnliches macht Nolan mit seinem Science Fiction Werk. Er zeigt, dass unsere Evolution noch lange nicht abgeschlossen ist und wir eines Tages ebenfalls zu solchen Übermenschen aufsteigen werden, welche sich über eine fünfte Dimension bewegen können.
Natürlich ist Interstellar optisch und akustisch eine Wucht. Hans Zimmer hat hier vermutlich seine stärkste Filmmusik überhaupt geschrieben. Na klar kann die Handlung um die Liebe etwas dick aufgetragen sein und manch einer verdreht vielleicht die Augen. Über den starken Cast mit McConaughey, Damon, Caine, Chastain, Chalamet, Affleck und Hathaway könnte man schreiben. Aber das sind alles nur Bausteine für ein beeindruckendes Gesamtwerk, welches nicht nur große Fragen stellt, sondern auch Antworten gibt ohne dabei alles vorzukauen.
Interstellar ist knapp acht Jahre nach seinem Erscheinen aktueller als jemals zu vor und seine Vielschichtigkeit kommt mehr und mehr zum Tragen. Wir haben es noch selbst in der Hand.
P.S.: Bei der Liebe welche hier der Wissenschaft entgegen gebracht wurde, sollte man sich zudem besonders auf Oppenheimer freuen.