Bewertung: 5 / 5
Ich weiss, ich bin ein bisschen spät dran. Das liegt daran, dass wir - den Trailern nach zu urteilen - vorletztes Jahr es für zu früh hielten, den Kindern einen Film vorzusetzen, der den Weihnachtsmann entmystifiziert. Also haben wir ein Jahr lang entsagt und uns dieses Jahr (genauer natürlich letztes Jahr) daran gesetzt, den Film zu schauen.
Eine Origin Story über den Weihnachtsmann ist natürlich eine interessante Prämisse, die mal funktionieren und mal in die Hose gehen kann, aber der Trailer liess schon vermuten, dass man hier liebevoll an die Sache rangehen würde, vielleicht etwas zu überdreht "Ich, einfach unverbesserlich - mässig", also erwartete ich einen netten kleinen Film über den Weihnachtsmann, schnell gesehen, schnell verdaut, schnell vergessen, "den Kindern wird es schon gefallen". Sozusagen die Zeichentrickvariante der Christmas Chronicles - ebenfalls von Netflix produziert und Kurt Russel in der Rolle seiner dritten oder vierten Schauspielphase. Übrigens hat dort der zweite Teil sogar eine erstaunlich akkurate Originstory aufzubieten, die in diesem ansonsten sehr amerikanischen Film sehr positiv auffällt - ohnehin sind diese bisher drei Filme für Weihnachten allesamt sehr zu empfehlen.
Trailer zu Klaus
Doch genau daran war der Film erst gar nicht interessiert, stattdessen erzählte er die Geschichte des Postboten des Weihnachtsmannes, und eher beiläufig die Geschichte, wie der Mann, den sie Klaus nannten, zum sagenumwobenen Weihnachtsmann werden sollte. Natürlich ist das in keinster Weise auch nur akkurat, sondern liefert verschmitzt Ursachen für die jeweiligen Sagen um die Geschenke und den Weihnachtsmann (wie kommt es beispielsweise, das nicht so brave Kinder ein Stück Kohle bekommen? - Ja, ich weiss typisch angelsächsische Herangehensweise, aber was soll es, wenn das so charmant dargeboten wird!), dabei den Mann aber immer selten genug ins Bild zu rücken, dass er auch immer leicht mythisch bleibt, während der Postbote einfach als treibende Kraft installiert wird.
Ein recht einfacher Trick bei solchen Filmen ist immer, dass der zumeist leicht schäbige Protagonist eben weil es um Weihnachten geht, immer eine leichte Läuterung durchläuft, so auch natürlich hier: Der anfangs an einen Msh-Up zwischen Donald Pleasance, Elliot Gould, Peter OToole der 1960er und 1970er erinnernde selbstsüchtige - trotzdem natürlich immer irgendwie sympathische - Postbote, nutzt anfangs die Gutmütigkeit des Mannes aus, um an sein Ziel zu gelangen, nur um dann am Ende einzusehen, dass er inzwischen ganz andere Ziele hat.
Obwohl der Film dabei alle möglichen Mythen um den Weihnachtsmann sozusagen entzaubert, entfaltet er trotzdem eine ganz andere Art des zaubers, welches dieses Demystifizieren trotzdem zu einer überhöhten Mystifizierung macht. Und als der Film dann schliesslich in die Zielgeraden einbiegt.
MOOOOOMENT - ganz so schnell komme ich nicht zum Ende - wir müssen uns erst über aufgebauten Goodwill unterhalten und den Unterschied: Der Pixar-Film Up hat die vielleicht magischsten 5-10 Minuten Anfang, die ein Film in den letzten 20 Jahren hatte, man bekommt hier ein wundervolles Leben aufgezeigt, mit all seinen Höhen und Tiefen, und als die Frau des Protagonisten dann bereits nach diesen 7 Minuten Tot ist, hat man erstens geweint, als ob man die Frau tatsächlich gekannt hätte und gleichzeitig aber so viel Goodwill für diesen Film aufgebaut, dass der Film sogar in seiner zweiten Hälfte komplett implodieren und in einen lächerlichen Kampfhundefilm ausarten darf, und trotzdem weltweit knapp unter der Bestwertung landen kann.
Klaus geht den umgekehrten Weg, er baut sich seinen Goodwill behutsam über seine wundervolle Story auf, und als der Film dann in die Zielgeraden einbiegt, hat er so viel Goodwill aufgebaut, dass man zwar ahnt, was kommen könnte, und bietet auch mehrere falsche Fährten, wohin die Reise gehen könnte, und jegliches dieser Wege würde man dem Film abnehmen und "verzeihen", doch dann gibt er dem Mann Klaus ein Finale, und damit dem Film Klaus diese extrem magischen 5-10 Minuten Finale, dass der Film den Begriff Weihnachtszeichentrickfilm quasi definiert. Es handelt sich eben nicht um eine Mogelpackung, die von einer Prämisse ins Ziel getragen wird, sondern eine, die die Geschichte und das Mysterium in den Mittelpunkt rückt. Mit all der Tragik, die das normale Leben einem normalen Mann mitgibt und all der Magie, die es eben nur zur Weihnachtszeit geben kann. Man sitzt also mit einem Klos im Hals, Tränen der Trauer/Freude da und dem Wissen, dass es sich bei Klaus um den vielleicht besten Weihnachtszeichentrickfilm aller Zeiten handeln dürfte.
Klaus wird plötzlich genau das, was er ja "eigentlich" entzaubern wollte - und das ist auch genau so gut so.
Zeigt mir einen Mann, der mir sagt, er habe einen besseren Zeichentrickfilm über den Weihnachtsmann gesehen, und ich zeige euch einen Lügner
10 Punkte