Bewertung: 3.5 / 5
Ich bin eigentlich erst durch den Trailer kurz vor Release auf Leave the World Behind aufmerksam geworden, welcher erstmal ziemlich vielversprechend aussah: Guter Cast und mysteriöses Endzeit-Szenario. Der perfekte Film für zwischen den Feiertagen.
Die Story ist relativ simpel zusammengefasst: Eine Familie will einfach mal wieder "raus" und macht einen Kurzurlaub in einem Ferienhaus. Dann passieren aber lauter seltsame Dinge in der Welt, die Kommunikation bricht zusammen und fertig ist die Apokalypse.
Bereits früh im Film spielt sich die Kamera als heimlicher Star ins Rampenlicht. Direkt zu Beginn, als die Charaktere während der Autofahrt vorgestellt werden, gibt es eine Kamerafahrt "einmal durchs komplette Auto hindurch". Aber nicht schnell und Action-geladen, sondern ganz entspannt. Hier fragt man sich direkt, wie das technisch gelöst wurde. Eine Drohne? Schienen? Ganz viel CGI?
Und so gibt es im Verlauf des Films immer wieder diese spannenden Kamera-Fahrten. Mal sind es einfach nur smoothe Seitwärtsbewegungen, die den Bewegungen der Figuren folgen. Und mal sind es fast schon abstrakte Drehungen kreuz und quer. Auch das Spiel mit immer wiederkehrenden Farben ist spannend eingebaut.
Der Cast selbst macht seine Sache gut - aber nicht überragend. Das dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Figuren nun mal vergleichsweise stereotypisch geschrieben sind. Es gibt wenig Spielraum, ihnen einen Stempel aufzudrücken, der WIRKLICH in Erinnerung bleibt. Julia Roberts ist Julia Robert. Ethan Hawke ist Ethan Hawke. Mahershala Ali ist Mahershala Ali. Man schaut ihnen gerne zu, sie machen das gut - aber am Ende bleibt aber nichts so wirklich hängen, wo man sich denkt, man will diesen Film noch einmal sehen, weil XY seine oder ihre Rolle dort einfach so gut gespielt hat. Vielleicht wäre der Film mehr etwas für eher unbekannte Nachwuchs-Schauspieler gewesen. Die Star-Power brauchte es gar nicht (außer für PR).
Bei den Charakter-Entwicklungen gibt es vieles, was bestenfalls nur angedeutet wird. Aber es gibt nicht keine, aber kaum Entwicklungen. Immer, wenn mehr passieren "könnte", um mehr Dynamik reinzubringen, geht der Film nicht die letzten Schritte weiter. Am Ende des Films ist jede Figur nicht komplett, aber weitestgehend da, wo sie zu Beginn auch schon war.
Ein konkretes Beispiel ist Mahershala Ali aka "George Washington". Ganz am Anfang umgibt ihn noch den Hauch eines Mysteriums. Man weiß noch nicht 100%ig, ob er vielleicht andere Motive hat. Der Film folgt dann leider auch zu sehr seiner Perspektive. Es wird relativ schnell klar, dass er der ist, der er vorgibt zu sein. Wir sehen, dass er einer der Guten ist. Das killt leider viel potenzielle Spannung.
Die Story selbst fängt sehr interessant an. Man hat ein wenig dieses "Krieg der Welten"-Feeling. Das nutzt der Film auch recht schamlos aus, indem durchaus übernatürlich wirkende Phänomene eingebaut werden. Hier stellt man sich allerdings selbst ein Bein. Dadurch wird eine ziemlich hohe Erwartungshaltung aufgebaut, die der Film gerade am Schluss einfach nicht einhalten kann.
Hier wird versucht ein Spagat zu machen zwischen einem vorgeblich sehr realistischen Szenario und teils wirklich absurden, unrealistischen, übertriebenen Folge-Erscheinungen, was meiner Meinung nach nicht glückt.
Kurz als Spoiler:
- Da ist die Drohne, welche eine over the top große Menge an Flyern abwirft, mitten in der Pampa. So viele Flyer könnte sie niemals tragen.
- Dass Schiffe deswegen einfach so die Küste rammen...naja, naja, naja. Da sind schon noch echt, denkende Menschen an Bord, die sowas ohne KI steuern. Wir sehen nicht, ob vielleicht noch mehr an Bord los war.
- Der ganze Kram mit den Tieren...why? Ja, das sind tolle Bilder und bestimmt auch eine nette Botschaft für die Interpretation. Aber wie sollen Hacker das gemacht haben?
- Diese Geräusche, die sogar Scheiben zerspringen lassen...komplette Fantasie-Technik.
Es wird einfach zu viel angedeutet, sei es bei den Figuren, oder bei der Story insgesamt, aber nichts wird so wirklich konsequent nachgegangen. Dabei finde ich es grundsätzlich vollkommen ok, nicht alles bis ins letzte Detail aufzuklären. Die Cloverfield-Filme sind hier vielleicht ein gutes Beispiel, weil es viele kleine Elemente gibt, die nie vollständig aufgeklärt wurden. Und da macht es richtig Spaß, zu spekulieren. Die Stoßrichtung insgesamt - z.B. es ist ein riesiges Monster in New York - ist allerdings konsequent. Leave the World Behind hingegen ist "all over the place", was Andeutungen angeht.
Am Ende bleibt ein Film, den man durchaus gut schauen kann - allen voran wegen der grandiosen Kamera. Es lässt einen aber einfach unbefriedigt zurück. So verliert sich der Film in diesen Andeutungen und büßt Stringenz und Prägnanz ein. Unterm Strich also ein typischer Netflix-Film.