Bewertung: 3 / 5
„Live by Night“
Der „Outlaw“ Joe Coughlin verliebt sich in die falsche Frau. Als ihr Freund, der Gangsterboss Albert White, davon erfährt, will er Joe um die Ecke bringen lassen. Der wird in letzter Sekunde von seinem Vater gerettet – und ins Gefängnis verfrachtet. Drei Jahre später verlässt Joe den Knast und sinnt auf Rache. Deshalb heuert er bei Whites Konkurrenten, dem Italiener Pescatore, an. Dieser verfrachtet Joe nach Tampa, Joe soll dort den Schnapsschmuggel übernehmen und damit Whites Organisation schwächen...
Trailer zu Live by Night
Affleck, Bostoner Unterwelt, eine Vorlage von Dennis Lehane: das war bereits das Erfolgsrezept hinter „Gone Baby Gone“. Leider geht die Gleichung bei „Live by Night“ nicht ganz auf. Zu zerfahren der Plot, zu unsicher in der Aussage, zu wenig roter Faden, so ließen sich die Probleme kurz und knackig zusammenfassen. Wo sich Afflecks bisherige Regiearbeiten durch eine sichere Hand auszeichneten, herrscht in „Live by Night“ eine ziemliche Ziellosigkeit vor. Der Film weiß nicht, ob er Charakterstudie, Gesellschaftskritik oder einfach nur eine Rachegeschichte im Gangstermilieu sein will.
Afflecks Coughlin ist dabei ein großes Problem des Films. Seine Rache wird eher nebenher abgehandelt. Seine Angewohnheit, sich in die falschen Frauen zu verlieben, ist grundsätzlich ein nettes Thema. Kostet ihn seine erste Liebschaft fast das Leben, bringt ihn seine zweite in Konflikt mit dem Ku Klux Klan. Aber nach der Hälfte der Laufzeit wird dieser Aspekt in einer zugegeben spaßigen Sequenz ad acta gelegt. Stattdessen mausert sich Coughlin sich zu einer Art pseudo-Robin Hood, der, ungewöhnlich aufgeklärt für seine Zeit, nicht erwarten kann, bis sich die Minderheiten in Amerika endlich gegen „das System!“ erheben. Doch auch hier kommt der Film zu keinem wirklich befriedigendem Ergebnis, stattdessen scheint besagte Szene nur im Film zu sein, damit Ben Affleck in vierter Wand zerberstender Art eine Rede zum Zeitgeist in Richtung Kamera halten kann. Während seine Aussagen also vielleicht Zuspruch verdient haben mögen, werden sie lachhaft sondergleichen vorgetragen. Lachhaft ist auch der Fakt, dass Coughlin von Leuten, die allenfalls halb so groß sind wie er, Schläge angedroht kriegt, bzw. sogar verprügelt wird. Affleck sieht jedoch, weil der Film zwischen „Batman v Superman“ und „Justice League“ gedreht wurde, aus, als würde er sich ausschließlich von Pferdesteroiden und dem Blut seiner Feinde ernähren. Wer auch immer ihm „Im gonna beat you to death“ entgegenschleudert, sollte sich das vielleicht nochmal überlegen...
So riesig wie Affleck aussieht, so überladen ist auch der Cast des Films. Symptomatisch dafür ist die Tochter des örtlichen Polizeichefs. Wird sie anfangs als Druckmittel benutzt, wandelt sie sich zur Anti-Drogenpredigerin, die den Bau von Coughlins Kasino verhindert. Weder sie, noch der gesamte Kasino-Subplot, haben einen großartigen Effekt auf die Handlung des Films oder erhellen Coughlins Charakter in irgendeiner bedeutungsvollen Art und Weise. Die Rolle wird von Elle Fanning toll geschauspielert, nimmt aber nur Platz im bis zum bersten vollgestopftem Plot weg. Daran zeigt sich auch das größte Problem des Films: statt Lehanes Buch zu komprimieren und einen Haken zu finden, an dem Affleck seinen Film aufhängen kann, scheint er im Gegensatz der Vorlage zu sklavisch zu folgen. Andererseits scheinen doch einige Szenen, wahrscheinlich der Laufzeit geschuldet, dem Schnitt zum Opfer gefallen zu sein, anders lassen sich manche unmotivierte Übergänge nicht erklären, man denke an das Gespräch vor dem Restaurant zwischen Coughlin und seiner ersten Freundin.
Abseits der größeren Probleme auf Drehbuchebene bleibt aber ein sauber inszenierter Film, der einige sehr stylische Einstellungen zu bieten hat und der durchgehend gut geschauspielert ist. Für Regisseur Ben Affleck zwar ein Schritt zurück, aber auf seinen nächsten Film darf man trotzdem gespannt bleiben.