Anzeige
Anzeige
Anzeige

Memento

Kritik Details Trailer News
Memento Kritik

Memento Kritik

Memento Kritik
15 Kommentare - 17.07.2023 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Memento" ist.

Bewertung: 3.5 / 5

Durch ein Trauma verliert Leonard Shelby (Guy Pearce) sein Kurzzeitgedächtnis. Seine Frau wurde ermordet, so viel weiß er noch. Doch alles, was danach stattfindet, ist ihm ein Rätsel. Um seinen Alltag noch organisieren zu können, nimmt er Polaroid-Fotos auf, denen er Notizen macht. Und fortan sucht er nach dem Mörder seiner Frau. Antworten findet er im zwielichtigen Teddy (Joe Pantoliano) und der Kellnerin Nathalie (Carrie-Ann Moss).

Geschichten haben eine Konzeption, sie sind ein Konstrukt, daß nach einer gewissen Struktur abläuft und dem Zuschauer sozusagen eine Vollkommenheit vermittelt. Doch was passiert, wenn man sich die Muster, die man an Geschichten so kennt, also Anfang, Aufbau, Mitte, Konflikt, Ende und Botschaft einfach mal durcheinander wirft und neu denkt? Grundsätzlich kein schlechter Gedanke, schließlich spielt man dann mit etwas, was auch sehr festgefahren ist. Allerdings muss man auch dazu sagen, daß nur weil man etwas umdreht, noch lange keine Qualität dabei herausspringt. Eine philosophische Frage, oder irgendeine Form von übergeordneter Fragestellung, sollte es durchaus auch geben. Das ist ja einer der Gründe, warum moderne Mainstream-Regisseure wie Taika Waititi und Rian Johnson so erhebliche Probleme beim Nachdenken. Subvert Your Expectations ist eben kein Alleinstellungsmerkmal, um Kunst zu schaffen. So könnte man nach der gleichen Logik einen blitzeblanken, sterilen weißen Raum vor sich haben und irgendein Dödel würde da reinscheißen. Dann hat man auch die Erwartungen untergraben, allerdings hat man dann trotzdem immer noch ein recht banales Werk geschaffen. Das riecht vielleicht, ist ein wenig provokant. Doch dann nimmt man sich halt ’ne Tüte und ein Paar Handschuhe und hinterblieben ist nichts. In ein paar Jahren ist der Gedanke verblasst. Und vielleicht ist das so ein wenig auch mit Memento.

Ja, herzliche Analogie. Das tut mir auch Leid. Für diesen Film passt sie aber dann doch ganz gut. Memento erzählt eine Geschichte. Er erzählt sie rückwärts, mit allerlei Ungereimtheiten, die der Zuschauer entwirren soll. Da geht es um Mord, es geht darum, sich daran zu erinnern und insgesamt schafft Christopher Nolan mit seinem Film eine durchaus vielversprechende Prämisse. Die Frage ist nur, ob Memento nicht eigentlich nur für einen Schocker taugt. Das Problem haben ja viele dieser sogenannten Mind-Fuck-Filme, deren Geschichte auf eine unvorhersehbare Wendung hinausläuft. Insgesamt fehlt es dem Film aber dennoch an Substanz. Nicht indessen, daß das Werk nicht originell wäre, aber der tiefere Sinn hinter der Konzeption der wird dem Zuschauer doch schwer nur deutlich. Was wollen diese Figuren? Amnesie war ja noch nie eine wirklich gute Ausgangslage für einen Charakter. So etwa auch in Die Bourne Identität (2002). Gut, zugegeben, hier geht es auch nicht so richtig um Amnesie oder Demenz. Tatsache bleibt aber, daß Nolan eine Hauptfigur in Szene setzt, die eben genauso schlau ist wie sein Zuschauer und somit verwandelt er das Szenario zu einem, indem er den Zuschauer komplett in seiner Hand hat. Sowas wie Leerstellen oder eigene Gedanken darf man zwar für das Szenario durchaus mitbringen, doch solche Werke eröffnen dem Zuschauer ja auch eine ganz klare Wahrheit, wodurch das Denken vor allem während dem Schauen funktioniert, darüber hinaus für Analysen aber wenig taugt.

Jetzt kann man natürlich darüber mäandern, daß dies und jenes keinen Sinn ergibt. Oder man dreht den Spieß gar ganz um und lässt sich gerne von Nolan treiben. Suchen wir mal nicht nach Substanz, suchen wir eher nach Bildern und Momenten. Und dann wird man vor allem erkennen, daß Memento ein unglaublich bedrückender und insgesamt ach dreckiger Film ist. Motels, düstere Bilder, einzelne Fotos voller Gewalt. Hier gelingt das minimalistische noch und Nolan wirkt hier auch eher wie ein Regisseur, der skandinavische Thriller inszenieren könnte. Das ist natürlich weit ab vom Hollywood Mainstream, wenngleich natürlich die Zukunft für Nolan anders entscheiden sollte. Über großes Schauspiel muss man in solchen Filmen auch nicht reden. Guy Pearce, Carrie-Anne Moss und Joe Pantoliano sind durchaus gut. Gerade letzterer fungiert hier tatsächlich recht interessant, weil seine Figur auf den ersten Blick natürlich wie jemand wirkt, der sehr zutraulich ist. Das wird dann natürlich durch etwaige Notizen negiert. Es ist auch interessant, daß durch diese Notizen immer wieder recht schnell klar wird, wie dieses und jenes zu deuten ist. Viel komplexer wäre es ja, wenn die Notizen selber noch schwammiger oder auch ambivalenter wären. Wenngleich man dann Gefahr läuft, daß nun wirklich niemand in Memento noch irgendetwas verstehen würde. Tja und dann ist es vor allem eine sehr a-moralische Geschichte, die auf purer Logik und damit schon fast pathologischer Gewalt fußt. Also, wenn man die Hauptfigur und seine Beweggründe analysiert. Das macht schon gewissermaßen Spaß.

Der Film atmet dabei das Noir-Subgenre, indem etwaige Klischees, wie das des Erzählers aus dem Off, vermeintliche Intrigen und Verrat, das Gefühl niemandem mehr trauen zu können und auch gewisse Arbeitsweisen immer rezitiert werden. Es gelingt Nolan hier wunderbar Genre-Klischees zu reproduzieren, ohne daß es so wirken würde, als würde er einfach von besseren Regisseuren klauen. Und dadurch bleibt der Film auch zu jedem Zeitpunkt unglaublich düster, was sehr angenehm ist. Zumindest auf einer sehr seltsamen Ebene. Und gerade das Erzählen ist ja auch eines dieser Elemente, bei denen man in Memento nie genau sagen kann, ob man sich dem nun gänzlich hingeben sollte, weil Leonard Shelby als Erzähler natürlich auch nicht gerade der zuverlässigste zu sein scheint.

Man kann sicherlich verstehen, warum Memento einen so guten Ruf genießt. Es ist schließlich ein origineller Film. Dennoch darf man auch nicht vergessen, daß nicht alles daran so tiefschürfend und intelligent ist, wie es den Anschein hat. Nolan lenkt von wirklichen Fragen gekonnt ab, indem er seine Geschichte als recht konfuses Konstrukt etabliert. Dennoch macht das Spaß und ist zu weiten Teilen auch sehr nachvollziehbar.

Memento Bewertung
Bewertung des Films
710

Weitere spannende Kritiken

The Fall Guy Kritik

Userkritik von Raven13

Poster Bild
Kritik vom 24.04.2024 von Raven13 - 0 Kommentare
Gestern habe ich "The Fall Guy" in einer Sneak im Kino gesehen. Viel gibt es zu dem Film nicht zu sagen, finde ich. Das Positive sind die guten Actionszenen, die Stunts, Ryan Gosling, Emily Blunt und die Darstellung der Stuntleute und Stuntarbeit an einem Actionfilm-Set. Wie realistisch diese Dars...
Kritik lesen »

Hilfe, die Amis kommen Kritik

Hilfe, die Amis kommen Kritik

Poster Bild
Kritik vom 22.04.2024 von ProfessorX - 0 Kommentare
Die Familie Griswold gewinnt bei einem Fernsehquiz und damit eine Reise nach Europa. England, Frankreich und Deutschland stehen auf dem Plan. Doch dort angekommen, macht Vater Clark (Chevy Chase) der Straßenverkehr sehr zu schaffen. In Paris wird der Familie um ihn und Mutter Ellen (Beverly DA...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!
15 Kommentare
Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
27.07.2023 08:43 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

luhp:

Fang lieber mit "Capitalist Realism" an, besserer Einstieg in Fishers Denke. ;)

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
26.07.2023 16:01 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@Silencio

Achso, auch interessant. Vielleicht muss ich mir das Buch mal zu legen.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
25.07.2023 21:48 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

luhp:

Fisher meint das etwas anders: da es nach dem Fall der Sowjetunion keine denkbare Alternative zum westlichen Kapitalismus mehr gibt (bzw. man uns das glauben machen will), fehlt es auch an neuen Ausdrucksformen, die jene Alternativen auch kommunizieren könnten. Die Folge ist ein kultureller Stillstand, den wir überall beobachten können. Fisher bezieht sich da unter anderem auf Remixkultur (zB moderne Popsongs, die alte Hits samplen), die ja keine neue Form schafft, sondern alte Ausdrucksformen verpackt, oder die Retrorockwelle der 00er-Jahre, die nur ein fader Abklatsch der in allen Wortsinnen "revolutionären" Bands der 60er und 70er waren. Weil es keine gesellschaftliche Vorwärtsbewegung mehr gibt, kann auch das gesellschaftliche Gedächtnis keine neuen Erinnerungen mehr erlangen. Dafür steht Lenny in "Memento" sinnbildlich.

Bei Refn muss man übrigens widersprechen: gerade "Drive" und "Neon Demon" sind doch Pastichefilme durch und durch, die reflektieren das oben gesagte vielleicht, aber "neu" sind die ja nicht unbedingt...

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
25.07.2023 13:23 Uhr | Editiert am 25.07.2023 - 13:25 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@ProfessorX:
Als Vorhersage der heutigen Informationskultur würde ich "Memento" jetzt auch nicht bezeichnen, dafür bleibt es im Film doch ein zu allgemeines Vorgehen, wohl aber dahingehend als besser gealtert (wie im ersten Post geschrieben). Danke für die Kopfbedeckung :-)

@Silencio
Danke für den Input. Damit müsste ich mich erstmal näher beschäftigen, um darauf genauer eingehen zu können. Baudrillards Simulationstheorie und eine damit verknüpfte Leugnung des Golfkrieges liest sich erstmal... weird. Aber jetzt verstehe auf jeden Fall, auf welche Philosophien du dich mit der Aussage über die Mindfuck-Filme als Reaktion beziehst.

Die Unmöglichkeit etwas Neues zu schaffen, beschäftigt Kulturwissenschaftler und -kritiker ja auch schon lange (Godard z.B.). Ein Bekannter von mir hat mal die These aufgestellt, dass sich heutige Filmgeschichten in Anbetracht von mehreren Jahrtausenden an Literatur zwangsläufig aus bereits Dagewesenem zusammensetzen, es sei denn, Regisseure entscheiden sich für 100%-iges Formkino. Dort nannte er Nicolas Winding Refn als Beispiel.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
ProfessorX : : Moviejones-Fan
25.07.2023 08:49 Uhr | Editiert am 25.07.2023 - 08:53 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 939 | Reviews: 1.048 | Hüte: 43

@luhp92

Ich verstehe worauf du hinauswillst. Würde aber trotzdem sagen, daß das als Interpretation auf unsere moderne Welt nicht anwendbar ist, weil der Film eben 23 Jahre auf dem Buckel hat und diese Art der Flschinformationen in diesem Stile erst Jahre später Salonfähig wurde. Klar, es gagb auch zu der Zeit schon solchen Quatsch. Man denke da nur mal an die Ära Bush. Vielleicht ist es auch gar nicht mehr geworden, sondern einfach durch die Medien auffälliger. inhaltlich ist es nicht zu entwerten und es funktioniert so auch ganz gut, aber wie gesagt, daß war ja nie die Intention.

Hut ab aber dafür, daß dir der Gedanke gekommen ist. ^^

Consider that a divorce!

Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
24.07.2023 19:27 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

luhp:

Zum einen geistert der Begriff "Postfaktisch" schon was länger durch den Äther, zum anderen meinte ich das aber relativ untechnisch im Bezug auf solche Ideen wie Baudrillards Leugnung des Golfkriegs - ich wollte nur nicht "postmodern" schreiben, weil das immer so prätentiös klingt und ich postfaktisch einfach für eine Weiterentwicklung der Idee halte. In den Mindfuck-Filmen geht es immer um Personen, die feststellen müssen, dass ihr Leben, die Narrative, die sie spinnen, und das Reale (wenn es denn existiert) weit auseinanderfallen.

Fisher bezieht sich in "Geister meines Lebens" auf "Memento" (und vor allem Drakes Erwähnung des Films). Bei Fisher geht es da aber mehr um die Unmöglichkeit etwas "Neues" zu schaffen, weil die Geschichte schon auserzählt ist.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
24.07.2023 18:59 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@Silencio

Interessant, mit dem postfaktischen Zeitalter verbinde ich nichts aus den 1990ern, sondern die Phase Mitte der 2010er bis Anfang der 2020er rundum politische Akteure wie Donald Trump. Vorher kannte ich den Begriff auch gar nicht.

Beziehst du dich bei Mark Fisher auf ein bestimmtes Werk?

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
24.07.2023 16:46 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Was ich an dieser Diskussion ein bisschen weird finde, ist ja, dass der Mindfuck-Zyklus der späten 90er- und frühen 00er-Jahre mehr oder weniger von Anfang an als Reaktion auf das Aufkommen des postfaktischen Zeitalters verstanden wird. Für die Lesart muss man nicht mal tief graben. Bei Mark Fisher findet man die retrograde Amnesie der Hauptfigur übrigens als wahrscheinlich die Zustandsbeschreibung überhaupt für den Menschen nach dem "Ende der Geschichte"...

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
24.07.2023 13:42 Uhr
1
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@ProfessorX

Zur Informationskultur:
Das lässt sich in meinen Augen von der Amnesie lösen, die Amnesie ist diesbezüglich nur ein Werkzeug. Leonard könnte seinem Zukunfts-Ich ja auch beweisen und könnte sich eingestehen, dass er den Mörder bereits ermordet hat oder gar (falls das die Wahrheit ist), dass es gar keinen Mörder gibt, sondern er seine Frau durch eine Insulinüberdosis versehentlich selbst tötete.

Stattdessen ignoriert er die Fakten und dreht sie um, weil sie nicht in sein Lebensbild passen, zur eigenen Vorteilnahme, weil er so weiterhin einen Sinn im Leben hat. Teddy und Natalie befeuern das sogar noch aus einer wissenden Machtposition heraus, füttern den Unwissenden mit Falschinformationen, auch zur eigenen Vorteilnahme.

Klar sind das Verdrängungsmechanismen. Aber auch Mechanismen zur Verbreitung von und des Glaubens an Fake News, allgemein gesehen ohne spezielles politisches Motiv.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
ProfessorX : : Moviejones-Fan
23.07.2023 09:50 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 939 | Reviews: 1.048 | Hüte: 43

@luhp92

Ja, also Memento ist tatsächlich der Nolan-Film, den ich am wenigsten genießen kann. Für mich geht es eben nie über dieses Gimmick hinaus.

Mit Banalität meine ich aber nicht, daß der Film keinen Bombast biete, sondern eher, daß die metaphorische Wirkung dessen, was die Figuren herben, in meinen Augen nicht sehr tiefgründig sind. Man muss aber sagen, daß Nolan vielleicht in einzelnen Figuren nie so wirklich weitläufige Allegorien erzeugt. Ja, klar, sie haben eine gewisse Symbolkraft, aber immer in einem Gesamtgefüge. So wirkt irgendwie alles immer etwas unterkühlt. Ich schätze aber, daß ich mich gerade nicht so gut ausdrücke und man vielleicht nicht versteht, worauf ich hinausmöchte.

Consider that a divorce!

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
21.07.2023 14:50 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@ProfessorX

Ich meinte jetzt keine Fallstudie im medizinischen Sinn, sondern eine filmisch-formale Entsprechung und Greifbarmachung einer solchen Krankheit. Klar geht es auch um das Rätsel, aber das Rätsel gäbe es ohne die Amnesie ja gar nicht, ich nehme die Erzählweise nicht als reines Gimmick wahr, um so einen Thriller drehen zu können. Ich könnte mir den Film - im Gegensatz zu dir anscheinend - auch definitiv mehrfach ansehen, ohne dass er seine Wirkung verliert, beziehungsweise ich habe mir den Film in der Vergangenheit tatsächlich 3-4mal angesehen.

"eine doch recht triste und eigentlich banale Realität"

Ja gut, es handelt sich um Geschichte über einfache Menschen mit zumeist einfachen Leben und persönlichen, kriminellen Motiven, da sehe wenig Potential für Setpieces und Bombast. Benötigt der Film in meinen Augen auch nicht. Apropos Realität, da hat "Inception" mit seinen Traumwelten per Definition schon mehr Potential für Abgedrehtes. Von den finanziellen und technischen Möglichkeiten der Produktion mal abgesehen, im Jahr 2000 stand Nolan mit "Memento" als Regisseur ja noch ganz woanders.

Die Antwort zur Informationskultur muss ich verschieben, meine Zeit zum Antworten ist gerade abgelaufen^^

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
ProfessorX : : Moviejones-Fan
20.07.2023 08:46 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 939 | Reviews: 1.048 | Hüte: 43

@sanchosfreddy

Ich persönlich erachte Inception und Prestige eigentlich auch als seine besten Filme. Bei Interstellar finde ich immer interessant, daß es bei weitem der Film ist, bei dem sich Nolan daran versucht am emotionalsten zu sein. Gerade aus so einem analytischen Filmemacher wie Nolan einer ist, dann die Liebe als Endlösung für alles zu sehen, daß hat wohl einige irritiert. Natürlich reicht der auch nicht an seine Vorbilder heran, wie auch will man Kubrick da erreichen? Aber an sich, halte ich ziemlich viel vom Film.

@Cairbre

Das meine ich auch mit Effekt. Ob man die Story nun liniar oder eben verstrickt schaut, die Manierismen und Idologien dahinter, bleiben die gleichen. Metaphorisch taugt der Film da meines Erachtens einfach zu wenig, um ihn großartig zu nennen.

@luhp92

Weiß ich jetzt aber nicht, ob man Memnto auch nur halbwegs als Fallstudie für Amnesie verwenden kann. Klar, daß ist eine schwere Krankheit. Aber der Fokus liegt hier meines Erachtens weniger auf dem Phänomen, als auf dem zu entwirrdem Rätsel. Es ist eigentlich wie bei Shyamalan. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob das eine ohne das andere funktioniert, oder wie der Fokus nun letztlich liegt. Ich bekomme nur gerade bei Memento immer wieder dein Eindruck, wenn man ihn gesehen hat, hat man ihn gesehen und fertig. Klar, man kann auch die Realität als Thematik für Memento noch tiefer deuten oder gar so empfinden. Aber ich muss auch sagen, dafür ist der Film einfach zu sehr in einer doch recht tristen und eigentlich banalen Realität gefangen. Nicht für die Figur vielleicht, aber für den Zuschauer. Inception ist da schon deutlich abgedrehter.

Auch da, Memento auf die aktuelle Informationskultur, oder gar Politik zu übertragen halte ich für streitbar. Dafür sind ja ihre politischen Motive (Rache oder Vertuschung einer Tat) nicht ausgereift genug. Also in meinen Augen auch nicht gänzlich auf unsere Realität übertragbar. ich meine, wieviele Menschen leiden an Amnesie oder haben jemanden ermordert? Auch hier, man kann das rein metaphorisch deuten, aber man muss ja, wenn man eine gesamtgfesellschaftliche Analyse wagt, aus der Metapher raus. Und wenn man die beiden nur als Metapher begreift, dann spiegeln sie eben nicht die großen Themen wie Fake News wider.

Consider that a divorce!

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
19.07.2023 19:50 Uhr | Editiert am 19.07.2023 - 20:09 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Banal, substanzlos, Unterlaufen der Erwartungen zum Selbstzweck, da würde ich widersprechen.

Der Film dreht sich um einen Mann, der unter Amnesie leidet und Nolan nutzt diese spezielle Erzählweise, gerade um den Zuseher in die orientierungslose Lage Leonards zu versetzen und dessen Krankheit greifbar zu machen. Du schreibst, in "Memento" gehe es nicht so richtig um Amenise, aber die Form und Erzählweise des Films entspringen quasi genau dieser Krankheit, also der Film dreht sich schon sehr direkt um Amnesie.

Gleichzeitig verquickt Nolan hier wie später in "Inception" zwei Deutungsebenen miteinander, dort Traum und Film, hier Amnesie und Film. Leonard und mit ihm der Zuseher werden durch radikale Hard Cuts in Situationen hineinversetzt, ebenso wie Filme im Allgemeinen Szenen durch mitunter harte Schnitte aneinanderreihen. "Memento" dreht sich unter Einfluss der Amnesie um Wahrheit, Täuschung und Wahrnehmung, ebenso wie Filme (Kamera, Schnitt, Musik, ...) und die Beziehung zwischen Film und Zuseher allgemein auf genau diese Weise funktionieren.

Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist "Memento" mittlerweile auch besser gealtert. Teddy und Leonard definieren und präsentieren Falschaussagen und Falschinformationen als Fakten, auf deren Basis Leonard seine empfundene Wahrheit und Weltsicht begründet und danach handelt, was letztendlich fatale Folgen nach sich zieht.

Wenn man sich den Film in chronologischer Reihe ansieht, mag er belanglos erscheinen, aber das ist ja nicht der Sinn der Sache.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
Cairbre : : Moviejones-Fan
19.07.2023 13:34 Uhr | Editiert am 19.07.2023 - 13:36 Uhr
0
Dabei seit: 23.11.11 | Posts: 348 | Reviews: 0 | Hüte: 9

Memento war beim erstmaligen Schauen aufgrund der Rückwärtsidee interessant und lud insofern auch zum erneuten anschauen ein, selbst wenn man den Twist kannte. Letztlich wird hier anschaulich die allgegenwärtliche Problematik verdeutlicht, dass Fehler ganz zu Beginn in der Konzeptphase elementare Auswirkung entwickeln können bis hin zum Scheitern des ganzen Projektes. Aber natürlich ist die Story selbst recht belanglos, wenn man den Film chronologisch schaut. 3,5 Punkte finde ich da auch passend.

Deutlich ich nenns mal eindrucksvoller empfand ich da das wohl von Memento inspirierte Irreversibel, das mit demselben Stilmittel einen absoluten Tiefschlag in die Magengrube versetzt - den wollte ich mir danach aber auch nicht nochmal ansehen, egal wie gut ich ihn nun als Film qualitativ bewerten würde weil er exakt schafft was er soll (schockieren)

Avatar
sanchosfreddy : : Moviejones-Fan
19.07.2023 11:03 Uhr
0
Dabei seit: 27.08.14 | Posts: 33 | Reviews: 4 | Hüte: 0

Tatsächlich bin ich Nolan gegenüber sehr zwiegespalten. Seine Filme sind optisch einwandfrei und strotzen vor Fantasie. Sobald es aber um Geschichten geht bröckelt die Story.

Dazu muss ich erwähnen, dass ich mir Dunkirk nicht fertig angeschaut habe.

Prestige ist ein Film den ich mir trotz Plot-Twist wieder und wieder anschaue. Weil die Figuren interessant sind und wunderbar gespielt werden.

Inception ist für mich sein Peak (die Dark Knight Triologie gehört auch zum besten, gehört aber noch zum Mainstream wenn es um die Chronologie etc geht). Inception ist etwas, dass einem das wunderbare Gefühl gibt, immer wieder was neues zu verstehen und zu entdecken. Die Geschichte fühlt sich trotz der fiktion real an.

Interstellar wird hintenheraus absolut konfus und gehört zu den Beispielen, warum seine Filme nicht so intelligent sind wie es auf den 1. Blick scheint. Und dieser Film (ohne Ihn geschaut zu haben) bestätigt diesen Eindruck, Hier kommen wir wahrscheindlich zum Schluss, dass der Wiederschauwert aufgrund des Durchschnitts bei Optik, Sound und Schauspiel sehr gering ausfällt. Etwas dass jeder seiner späteren Film trotz offensichtlicher Mängel, nicht hat. Heue kann man MINDESTENS etwas von den oberen Katekorien sehen und erneut geniessen.

Forum Neues Thema
AnzeigeY