Bewertung: 4 / 5
Gerade in Paris angekommen, wird der mittellose Schriftsteller Christian (Ewan McGregor) im Moulin Rouge, einem Nachtclub der Unterwelt von Paris, angestellt. Dort trifft er auf Satine (Nicole Kidman), in die er sich sofort verliebt. Doch sie soll im Auftrag des Geschäftsführers vom Moulin Rouge Harold Zidler (Jim Broadbent) den schmierigen Duke of Worchester (Richard Roxburgh) verführen. Denn Zidler braucht Geld für ein Stück und durch Zufall wird nun Christian zum Autoren dieses Stücks erwählt. Auch der kleinwüchsige und freundliche Künstler Henri de Toulouse-Lautrec (John Leguizamo) ist an dem Werk beteiligt, daß eigentlich ein Abbild der realen Ereignisse vor Ort darstellt.
Ein mittelloser Schriftsteller in Paris. Er ist es, der eine Erfolgsshow auf die Bühne bringen soll. Eine mittellose Kurtisane, die den Geldgeber ihres Arbeitgebers bezirzen soll. Es sind ganz klar klassizistische Zustände einer neoliberalen Welt. Man ist etwas, wenn man etwas hat, nicht wenn man etwas kann. Wobei letzteres das erste nicht ausschließen muss. Moulin Rouge ist ein eigenartiger Film, ohne Frage. Das liegt natürlich am Stil von Regisseur Baz Luhrmann, den man so gar nicht einfach beschreiben kann. Luhrmann inszeniert einen Film, den man unweigerlich mit seiner Person assoziiert und das macht Moulin Rouge auf einer rein technischen Ebene schon alleine interessant. Eine Ansammlung von Kontrasten stellt der Film der, der diese nicht nur auf inhaltlicher Ebene propagiert, sondern auf der rein visuellen Ebene feiert. Moulin Rouge ist ein Film, der in einer altertümlichen Welt angesiedelt ist, in der die Nachwehen einer feudalen Welt ans Tageslicht kommen und in der Menschen mehr Material, als frei sind. Das ist natürlich auch ein gekonnter Schlag in Richtung neoliberalem Kapitalismus. Aber ja, Luhrmann inszeniert in der Vergangenheit, um die Gegenwart zu erklären. Und dann sind es eben die Kontraste, die hier herrschen. Diese meinen Altertum mit Popmusik moderner Tage zu kombinieren. Sie meinen eine Romanze in den Mittelpunkt zu rücken, aber ohne die übliche Ruhe einer solchen Erzählung: Da wird es im Sinne der MTV-Generation sehr hektisch. Und auch wenn diese Welt keineswegs bunt ist, so schillern die Farben in jedweder Pore und verdeutlichen den maximalen Kontrast.
Luhrmanns Moulin Rouge ist in dem Sinne keine originelle Liebesgeschichte, sondern ein Film, der vom üblichen Underdog berichtet, wie es ihn in der Vergangenheit in Hollywood immer und immer wieder gegeben hat. Das macht vor allem die Hauptfigur sympathisch und durch die Lebensumstände auch ein wenig komplex. Ungewohnt ist es ja nicht, daß Luhrmann, sich da auch den Konventionen des gemütlichen Hollywood-Mainstreams verwehrt und nach William Shakespeares Romeo + Julia (1996) abermals einen Film inszeniert, der seinen Figuren und den Sehgewohnheiten der Disney-Ideologie nicht guttut. Das herausstechendste ist dabei aber nicht die Geschichte. Diese ist eben anhand der Tatsache, daß sie bis auf Detailfragen, jenem Vorgänger erschreckend ähnlich wirkt, auch nicht sonderlich gut. Es geht viel eher darum, den Stil hier eindeutig über die Substanz zu haben. Alle Figuren bis in die kleinste Nebenrolle scheint fast cartnoonesk klar in ihrer gesellschaftlichen Deutung zu sein, daß man daran leicht verzweifeln könnte. Und wenn dann Konfetti durch die Luft flieht und vielleicht im gleichen Atemzug Madonna oder Elton John geträllert wird, dann hat man eigentlich die pure Provokation geschaffen. Luhrmann empfindet man auch hier wieder entweder als großen Künstler oder ärgerlichen Dilettanten, man liebt, oder man hasst Moulin Rouge, weil er dafür genügend Diskussionspotential liefert. Denn zum einen, kann man diese genannte Kombination künstlerisch wertvoll, oder pseudo-artifiziell empfinden. In jedem Fall ist es ein einzigartiger Stil.
Und die Kritik das Werk Style over Substance zu nennen, ist nicht unbegründet. Sicherlich liegt das Werk fest in der Hand des Regisseurs und seine Hauptdarsteller um Ewan McGregor und auch Nicole Kidman haben nur die Aufgabe, vom Publikum gemocht zu werden. Im Prinzip ist das die filmische Variante von Pop Art, wobei man das auch nicht gänzlich behaupten sollte. Denn Moulin Rouge nutzt die moderne nicht etwa, um sich bei einem jüngeren Publikum einfach nur anzubiedern. Denn sonst hätte man im Prinzip kein Kostüm-Musical dieser Art inszenieren müssen. Luhrmann ist hier ein sehr ehrlicher und authentischer Künstler, weil er die Liebe in dieser Kombination natürlich auch als zeitlos begreift. Und da kommt dieser absurde Stil auch gerade richtig, weil es unerheblich ist, ob die Figuren heute oder morgen leben. Klar, man kann argumentieren, daß diese Objektivierung der Menschen im 21. Jahrhundert gerade in der westlichen Welt ja dann nicht aufginge. Doch Prostitution und der – mal mehr mal weniger – freiwillige Verkauf des eigenen Körpers sind ja nach wie vor Themen, die aktueller nicht sein könnten. Man betrachte dafür nur einmal solche Seiten wie OnlyFans oder wie die auch immer alle heißen. Das heißt also, daß Moulin Rouge sogar sehr gekonnt in die offene Wunde drückt und darin wühlt. Es fällt nur weniger auf, weil man dafür einen Zugang zum Werk braucht. Und den bekommt man am besten, wenn man sich eben mit den Hauptdarstellern befasst.
Der Film ist kitschig, absurd grotesk und dennoch liefert er in all diesem komischen Sammelsurium an Ideen, eine einzigartige Handschrift. Wie gesagt, man redet hier ja auch von einem Baz Luhrmann-Film und insofern mag das auch kaum noch verwundern. Doch wenn diese Figuren zwischen Feuerwerken und Popmusik die Theatralik der Liebe austauschen und ihren Hass, oder ihre Zuneigung zueinander, dann ist das extrem originell. Das macht Spaß.
Die ultimative Liebesgeschichte muss wohl noch geschrieben werden. Doch Moulin Rouge empfiehlt sich zumindest durch Stil, der weit über Substanz geht. Und daraus entstehen Bilder und Momente, die man ansonsten nicht erahnen konnte und nie so einfach reproduzieren kann.