Bewertung: 3 / 5
Die 1990er sind ein spezielles Jahrzehnt, da hier ein letztes Azfbäumen gegen das Studio- und Blockbustersystem stattfand. Unter dem Pseudonym des Independent-Kino konnten hier eine Reihe hochkarätiger Filme realisiert werden, die trotz geringem Budget eine grosse Fangemeinde einfahren konnten. Gleichzeitig waren einige dieser Filme so erfolgreich oder gar erfolgreicher wie/als vorgefertigte Kassenschlager. Einer der absoluten Vorreiter dieser Zeit und eigentlich Miterfinder eines gewissen 1990er Nouvelle-Gangster-Genres war ein gewisser Quentin Tarantino, der gleich mit seinen drei ersten (zumindest ersten der breiten Masse verfügbaren) Werken die Messlatte extrem hoch legte: Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Jackie Brown. Diese drei Filme sind auch deshalb heute noch eine Offenbarung, gerade weil Tarantino hier ein erzählerisches Wachstum (mit einer spielerischen Leichtigkeit) an den Tag legt, dass eigentlich die Filme seitdem ein bißchen das Gefühl vermitteln (zumindest für den Autor dieser Zeilen), Tarantino stagniert oder dreht sich im Kreis. Klar, immer wieder gelingt es ihm ein Prunkstück zu setzen: Inglorious Basterds, Django Unchained oder Once Upon a Time in Hollywood sind allesamt irgendwie grossartig (trotz mE gerechtfertigter mässiger Bewertung meinerseits - ist dies ein Zirkelbezug?). Hinzu kommt, dass er zudem auch noch das Drehbuch zu drei mindetens kontrovers diskutierten, und bestenfalls als grossartig angesehenen Hollywoodfilmen schrieb, die allesamt ein bißchen auf denselbem Stoff beruhen: Natural Born Killers, From Dusk Till Dawn und natürlich True Romance. Alleine mit diesen 6 Filmen begründete Tarantino ein eigenes Pseudogenre: Den ageblichen Independent Low-Budget- Gangster Film, aber ohne darauf festgelegt zu sein. Selbst solche Filme wie Clerks oder Schnappt Shorty, selbst ein Out of Sight fallen ein bißchen in diese Schiene, weil sie mit ihrer (im positiven Sinne) Geschwätzigkeit allesamt ähnliche Muster bedienen. Selbst ein McQuarrie, der es eigentlich nicht wirklich nötig hat, bediente sich für sein Way of the Gun bei "Tarantinoismen". Wenn man nun aber tatsächlich die lower Budgetfilme anschaut, explodierten diese regelrecht, fast so, wie die Italowestern-Welle in den 1960ern, nur dass es ehrlich gesagt kaum nennenswerte Filme gibt: Die Coen-Filme (sowieso nicht Low Budget) sind ohnehin ihr eigenes Monster und solche Perlen wie Killing Zoe oder die Boondock Saints sind zwar ganz nett, aber auch irgendwie überbewertet. Da muss man dann schon ein bißchen über den Ozean schmulen und selbst da ist nicht alles Gold was glänzt: Ein Dobermann ist zwar ganz nett aber auch fürchterlich monoton, Die Ritchie Filme sind mittlerweile auch ein eigenes Genre, aber vermitteln zumindest anfangs eine Nähe, und in China essen sie Hunde hat trotz allem den typischen Skandi-Touch. Bliebe noch Deutschland mit solchen Vehikeln wie Bang Boom Bang, die zwar wirklich nett sind aber eben nichts Neues generieren können (ähnlich verhält es sich mit Akins Kurz und Schmerzlos, der eigentlich sogar eher sich versucht an Scorsese zu oreintieren), und dann sieht man mal kurz sich in einem einstmals diktatorisch regierten Land um, das gerade auf allen Ebenen eine Kreativitätsexplosion durchlebte, und wird quasi fündig. Wo ein gewisser Almodovar den Frauenfilm trotz männlichem Chromosomsatz revolutionierte, war ein gewisser Iglesia nicht weit, leicht groteske Thriller-Dramödien zu generieren, die zwar dem Geiste eines Tarantino erinnerten aber in ihrer Subversität und Anarchie sich keinesfalls vor dem sehr moralischen Tarantino zu verstecken brauchten.
Enter Perdita Durango! In Perdita Durango haben wir eine ähnliche Geschichte wie die oben genannten drei Roas Movies um ein kaputtes Päärchen auf der Flucht, das Geiseln nimmt, und wo der Gewaltgrad und der Grotesker-Humor-Faktor erheblich ausgereizt wird, aber damit hat es sich dann mit den Gemeinsamkeiten dann aber auch. Denn wo beispielsweise Natural Born Killers bewusst nihilistisch daherkommen will und trotzdem irgendwie moralisch ist, und wo ein True Romance oder ein From Dusk Till Dawn immer noch bekannte Gangster-Klischees bedient, bleibt zwar Perdita Durango immer auch grotesk und böse überzeichnet, und bietet mehr als einmal geschmacklose und geschmacklosere Witze und Pointen en Masse, versucht aber trotzdem den nicht immer gelingenden Balance-Akt der Moralität aufrecht zu erhalten. Hier geht es eben nicht darum, eine geschmacklose Tour de Force nur ihretwegen zu bedienen sondern auch noch eine dazu passende (irgendwie) Geschichte zu erzählen. Das funktioniert aber nicht immer.
Vor allem eben auch, gerade weil Perdita Durango trotz aller "ab-18-Attitüde" eben immer noch eine massentaugliche Moral an den Tag legen will. Da passt es irgendwie nicht so ganz, dass die vermeintlichen Helden ihre Opfer vergewaltigen, und dass es den vermeintlichen Opfern dann irgendwann irgendwie gefällt - Stockholm-Syndrom hin oder her. Und dieser Kritikpunkt hat dann auch was damit zu tun, dass wir es nunmehr mit einer anderen Zeitrechnung zu tun haben als es zum Beispiel in den 1970ern der Fall war, wo ein Peckingpah unbehelligt davon kam, wenn er zumindest in Ansätzen vermittelte, die Vergewaltigung in "Wer Gewalt sät" sei auch teilweise die Schuld der Frau oder wenn Al Lettieri (überigens einer der besten und unterschätztetsten Hollywoodbösewichtdarsteller aller Zeiten) in the Getaway die Frau seines Opfers zu seiner verspielten Gespielin macht. In den 1990ern funktioniert das so einfach nicht mehr, und das sit zwar auch gut so, da wir nun endlich wieder in Richtung starker Frauencharaktere gehen können (nachdem diese sukzessive seit den 1950ern ausgemerzt wurden - danke McCarthy und Doris Day), andererseits muss man dann aber auch in den Geschichten, die man erzählt solchen früheren Fallstricken ausweichen. Oder diese komplett umarmen, so dass es immer noch ins Grundgerüst passt. In einem Perdita Durango, wo es eben nunmal um einen straken Frauencharakter geht, passt es halt nicht so ganz.
Und so schlawinert sich Perdita Durango irgendwie zwischen Größe, erbärmlich, verachtenswert und irgendwie trotzdem gut durch die Filmgeschichte und findet seinen Platz irgendwo im Mittelfeld.
Dazu trägt vor allem aber ein gravierender Faktor bei: Die Hauptdarsteller. Haben wir es mit Javier Bardem ohnehin mit dem besten Charakzterdarsteller Spaniens seiner ohnehin talentierten Generation zu tun, der hier mal dem Affen ordentlich Zucker gibt, gehört die Show trotz allem einzig und allein dem kleinen Orkan Rosie Perez. Sie hatte damals einen extrem überragenden Lauf und in jedem ihrer Filme dominierte sie jeden ihrer Mitdarsteller, selbst in den kleinsten Nebenrollen, so auch hier. manchmal frage ich mich, warum es dann doch so still um sie wurde. Wie auch immer, auf ihren kleinen Schultern meistert sie den Film zu tragen.
Also:Wie gut oder empfehlenswert ist dieser Film, auch im Vergleich?
Wie man unschwer erkennen kann, halte ich den Großteil dieser Trittbrettfahrerfilme für Müll, die oben genannten Filme gehören schon zur guten Riege jener Filme. Also mal ein innereuropäischer Vergleich:
Dänemark: PD it deutlich hollywoodesquer, dabei aber immer noch spanisch zu bleibend, hier würde ich sagen, dass es Geschmackssache ist
Deutschland: Bang Boom Bang macht einfach von vorne bis hinten mehr Spass ist aber auch deutlich weniger kontrovers. Auch hier Geschmackssache.
England: Ritchies beide Filme sind einfach eine Klasse für sich.
Frankreich: Doberman kann ich einfach nicht ernst nehmen, trotz dem ebenfalls sehr fulminanten Hauptdarstellerduo.
Und wie sieht es mit USA aus: Ein Vergleich mit NBK und FDTD setzt den Film genau in die Mitte.
Empfehlenswert sehe ich den Film allerdings nicht an, man kann ihn schauen, er ist zeithistorisch für Komplettisten empfehlenswert, er ist für Fans von bardem und Perez cool, aber sonst ?
6 Punkte, mit einer Tendenz zu 7, abersicher nicht mehr