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Sieben Jahre in Tibet

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Romantisiertes Tibet

Sieben Jahre in Tibet Kritik

Sieben Jahre in Tibet Kritik
0 Kommentare - 27.06.2020 von luhp92
In dieser Userkritik verrät euch luhp92, wie gut "Sieben Jahre in Tibet" ist.

Bewertung: 2 / 5

Ein biografischer Abenteuerfilm von Jean-Jacques Annaud ("Der Name der Rose", Enemy at the Gates") nach dem - mitunter von anderen Personen übernommenen - Erlebnisbericht des österreichischen Bergsteigers Heinrich Harrer.

Nach der Demütigung durch den verlorenen Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise wollte die deutsche Politik während der 1930er Jahre deutsche Tugenden unter Beweis stellen, um sich gegenüber anderen "Völkern" und Nationen profilieren zu können. Für ein Land mit langer Bergsteigertradition bot sich der damals noch unbestiegene Mount Everest förmlich an. Heinrich Harrer, bereits 1933 und fünf Jahre vor dem Anschluss Österreichs überzeugter Nationalsozialist, nahm 1939 an einer Bergsteigerexpedition im Himalaya teil, wurde nach dem Ausbruch des Krieges von Briten gefangen genommen, konnte 1944 nach Tibet fliehen und freundete sich im Folgenden mit dem jungen Dalai Lama an. Tibet wurde 1950/51 von China annektiert.

Meiner Meinung nach handelt es sich bei "Sieben Jahre in Tibet" um einen zwiespältigen Film, der aus seiner Motivation heraus, die tibetische Theokratie darzustellen und die imperialen Regimes des Nationalsozialimus und des sozialistischen Chinas zu kritisieren, Manches richtig, aber leider auch Vieles falsch macht. Der Film nimmt sich ohne Frage die Zeit, um das Dogma des tibetischen Buddhismus zu untergraben, der junge Dalai Lama wird mehr als begeistertes und neugieriges Kind gezeichnet, dem das Dogma und die Rolle des Staatsoberhauptes forciert vom System auferlegt wird. Verstärkt wird das durch die Entwicklung einer Vater-Sohn-Beziehung zwischen Harrer (Brad Pitt) und dem Dalai Lama, Harrer stillt den nicht-theologischen Wissensdurst des Jungen und legt selbst wenig Wert auf die Gepflogenheiten der tibetischen Theokratie.

Weiter dringt "Sieben Jahre in Tibet" dahingehend allerdings nicht vor, in welchem Ausmaß die tibetische Bevölkerung durch die Feudalherrschaft der Mönche unterdrückt und ausgebeutet wurde, wird hier bewusst ignoriert. Stattdessen wird Tibet als friedliches, nettes, immer lächelndes, bisweilen auch in seiner Weltentrücktheit als niedliches und unschuldiges Land dargestellt, von Harrers Bergstiegerkollegen Peter Aufschnaiter (David Thewlis) wird es gar als Paradis bezeichnet. Dieser romantisierten und idealisierten Betrachtung steht dann im radikalen Kontrast jene der Chinesen gegenüber. Hinterlistig, propagandistisch, respektlos und gefühllos, die chinesische Invasion wird mit Hilfe harter, einschneidender Schnitte, erschreckender Brutalität und pathetischem Agieren der Tibeter in Szene gesetzt. Kritik am chinesischem Imperialismus ist heutzutage wichtiger denn je, mit dieser zu großen Teilen vorhandenen Schwarz-Weiß-Zeichnnug macht es sich "Sieben Jahre in Tibet" jedoch sehr einfach und wird dem bis heute andauernden Konflikt bei Weitem nicht gerecht.

Schlimmer wird es sogar noch, wenn im Zuge der Läuterung Heinrich Harrers und Peter Aufschnaiters die Taten des Nationalsozialismus mit jenen des sozialistischen Chinas gleichgesetzt werden. "History repeats itself, even in paradise", meint Aufschnaiter. Harrer führt das noch im Detail aus: "Echoes of the aggressions of my own country, the will to overpower weaker peoples brings shame to me. I shudder to recall how once I embraced the same beliefs. How at one time I was no different from these intolerant Chinese."

Trotz der Läuterung scheint Harrer zumindest noch von einem Rest an NS-Ideologie beeinflusst zu sein, den tibetischen Verteidigungsminister verachtet er als Kulturverräter, weil jener die Kapitulation unterschrieb und das Waffenlager sprengte, anstatt einen Guerillakampf in den Bergen zu organisieren. Harrer hätte es wohl lieber gesehen, wenn die tibetischen Machthaber die aus seiner Sicht überlegene Kultur und kulturelle Identität Tibets bis auf den letzten Mann verteidigt hätten, anstatt zum Schutz der Bevölkerung zu kapitulieren. In Heinrich Harrer sehe ich daher nicht den Helden und das Vorbild, als welches er in "Sieben Jahre in Tibet" gezeichnet wird.


Rein als Abenteuerfilm betrachtet, kommt "Sieben Jahre in Tibet" für mich ebenfalls nicht über Mittelmaß hinaus, dafür hetzt der Film zu schnell durch die Geschichte, immerhin muss hier eine Zeitspanne von zwölf Jahren (1939 bis 1952) abgedeckt werden. Beständig und fühlbar als Abenteuer wird "Sieben Jahre in Tibet" erst, wenn der Film wirklich mal stillsteht, sich mit der Hauptstadt Lhasa auf ein Setting konzentriert und wenn man als Zuschauer der Sesshaftwerdung Aufschnaiters und Harrers sowie der Entwicklung der Beziehung zum Dalai Lama beiwohnt. Nichtsdestotrotz sind Brad Pitt und David Thewlis zwei Argumente, um sich den Film anzuschauen. Aus deutscher Sicht allein schon deswegen, weil die beiden hier sehr überzeugend Englisch mit deutschem Akzent sprechen^^

Sieben Jahre in Tibet Bewertung
Bewertung des Films
410

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