Bewertung: 4 / 5
Ich hatte extra gewartet, bis die gesamte Serie fertig gestellt war, um sie in einem Rutsch sehen zu können. Seit Serien im Grunde Filme in viele Episoden gestückelt sind, möchte ich nicht gerne warten, bis die nächste Folge erscheint. Auch wenn man vor jeder Folge einen Rückblick bekommt, so werde ich doch mehr, oder weniger aus der Handlung geworfen. Das Warten ist für mich also eine lohnenswerte Angelegenheit.
Star Trek – Discovery… eine Serie, die schwer zu bewerten ist. Es gibt die hartgesottenen Trekkies, es gibt die Gewohnheitsmenschen und es gibt die Menschen, die einfach nur eine Geschichte in Gut und Schlecht einstufen.
Trailer zu Star Trek - Discovery
Vorweg: Ich finde diese Serie um Längen besser, als der Reboot, der von J.J. Abrams initiiert wurde. Discovery macht einfach alles besser – wenn auch nicht perfekt. Trotz aller, nennen wir es Übertreibungen, hatte ich hier wieder das Gefühl, im Star Trek Universum unterwegs zu sein.
Zunächst mal möchte ich gar nicht zu sehr auf die Story eingehen. Diese ist speziell und der eine mag sie, der andere nicht. Ich fand sie sehr spannend und sehr "Star-Trek-like". Die Wendung kam für eine Star Trek Geschichte zwar tatsächlich überraschend und für einen kurzen Augenblick war ich "enttäuscht", aber dann wurde mir erst bewusst, dass diese Enttäuschung Bestandteil einer tollen Erzählung ist. Das ist, was eine gute Story für mich ausmacht. Plötzlich wurde aus dem anfänglichen "ja, gut, kann man sich anschauen" ein "krass, geil".
Inszenierung
Grundsätzlich gefielen mir Bild und Ton, die Kameraarbeit war absolut solide, die Musik für eine Serie ebenfalls, wenn auch nicht aufdringlich gut. Die Effekte wussten zu überzeugen (die Computerspiel-Grafik aus dem ersten Teaser war schnell vergessen) und ich wurde nicht aus der Story gerissen, nur, weil wieder eine (billig wirkende) Aussenansicht des Raumschiffs gezeigt wurde. Im Gegenteil: Teilweise wurde ich angenehm an Szenen aus vergangenen Kinofilmen erinnert, wenn z.B. die Discovery auf dem Schirm des Klingonenschiffs aufkreuzt. Vor meinem inneren Ohr hörte ich Commander Kruges (Star Trek III – Auf der Suche nach Mr. Spock) Worte: "Ein gewaltiges Schlachtschiff der Föderation"… totaler Gänsehautmoment.
Abstriche muss ich jedoch bei der Darstellung des "Sporenantriebs" machen. Die rotierende Untertassensektion fand ich etwas zu over-the-top. Der Sinn wollte sich nicht wirklich für mich erschließen.
Alterseinstufung
Das war schon teilweise harter Tobak. Die Alterseinstufung ab 16 Jahre ist absolut gerechtfertigt. Selten hat man solch kompromisslose Szenen im Star Trek Universum gesehen (auch, wenn es sie dann und wann mal gab). In diese Kerbe könnte letztendlich auch ein "Tarantino-Star-Trek" schlagen. Ich persönlich fand dies nicht schlimm – wie gesagt, es gab auch schon in der Vergangenheit brutale Szenen, bei Discovery war diese Ladung jedoch etwas geballter, als sonst üblich.
Die Technik der Discovery bzw. des Universums
Das ist möglichweise ein Streitthema, das für mich persönlich jedoch unbegründet ist. Zunächst einmal gehöre ich ebenfalls zu jenem Schlag, der lieber endlich eine Fortsetzung nach Picard, Sisko und Janeway sehen würde. Hier würde sich jeder Fortschritt der Technologie sinnvoll in die Handlung, bzw. die Zeit, einfügen und niemand hätte dadurch ein Problem.
Nun haben sich die Macher aber dazu entschlossen, eine Serie zu produzieren, die zeitlich vor jenen Ereignissen der Original-Serie (TOS) angesiedelt ist. So unsinnig ich dies auch finde, so klar muss ich den Machern recht geben, die Technik zu "erneuern". Wie gesagt: Nach Next Generation (TNG) wäre auch für mich schöner gewesen und ich verstehe auch nicht, warum man Discovery nicht dort angesiedelt hat (mit einem anderen Konflikt / anderer Feind), aber sei`s drum.
Es ist nun einmal die Pre-Kirk-Ära und ich versuche mich mal von der Seite an das Dilemma heranzutasten, dass man auf der alten Enterprise (TOS) - aus heutiger Sicht - eine komplett veraltete Technologie hat. Ich meine, wer nimmt heutzutage noch ernst, dass auf dem Schiff ein "Relais" durchgeschmort ist. Es ist also nur konsequent, sie von dem ganzen alten Müll zu verabschieden und eine – aus heutiger Sicht, mit dem heutigen Wissen - mögliche zukünftige Realität zu schaffen. Ich stelle mir da gerne vor, wie TOS aussehen würde, wenn sie heute im Jahr 2018 von Gene Roddenberry geschaffen würde.
Bereits in den 60ern, als auch in den 90ern ließ sich Roddenberry von Wissenschaftlern seiner Zeit beraten und ließ deren Zukunftsvisionen wahr werden. Das wäre heute nicht anders. Die Enterprise der 60er, hätte – wäre sie erst heute erdacht worden – genau die Technologie, die wir auf der Discovery zu sehen bekommen. Man muss konsequent sein und sich selbst eingestehen, dass diese "Fantasie" – aus heutiger Sicht – nicht erst im 24. Jahrhundert (TNG) real würde – und wir sprechen hier von einer "möglichen Zukunft" der Menschheit.
Frauen und Homosexuelle
Basierend auf meiner Begründung bei der Technik ist auch dies eine logische Fortsetzung der TOS-Idee bzw. Roddenberrys Vision einer möglichen Zukunft. Roddenberry setzte damals Amerikaner, Russen, Japaner, Schotten, eine schwarze Frau und ein Alien zusammen auf ein Raumschiff, um gemeinsam, an einem Strick ziehend, Abenteuer zu meistern. Das war seine Vision und bereits damals, in den 60ern war es nicht ganz unproblematisch (Die Bürgerrechtsbewegung in den USA war in vollem Gange), diesen Schritt zu wagen – noch bevor der Quoten-Schwarze, der Quoten-Asiate etc. in US-Filmen auftauchen mussten.
Gerade Gene Roddenberry (da bin ich mir sicher) würde heute mehr Frauen in den Mittelpunkt rücken und die Homosexualität zur Normalität deklarieren. Es ist mir natürlich bewusst, dass zurzeit in Hollywood eine extreme "Feminisierung" stattfindet, aber bei Star Trek im Speziellen sehe ich das als ganz normale Evolution der Zukunftsvision selbst. Wie oben erwähnt, muss man sich mental von der 60er Serie distanzieren, um diese Vorgehensweise akzeptieren zu können.
Das "Design" der Klingonen
Streitthema Nummer 1 sind wohl, oder übel die Klingonen. Grundsätzlich erschließt sich mir persönlich auch nicht wirklich der Sinn, die Klingonen so komplett neu zu designen. Es ist im Grunde unnötig und für irgendeine Erklärung irrelevant.
Wir erinnern uns: bei TOS wurden die Klingonen "menschlich" dargestellt. Sehr wahrscheinlich lag das daran, dass man gar nicht das Budget für irgendwelche komplizierten Masken hatte. Die spitzen Ohren der Vulkanier waren bereits das höchste der Gefühle und somit bereits "vergeben". Erst, als der erste Kinofilm (Star Trek – Der Film) gedreht wurde und man praktisch mehr Geld zur Verfügung hatte, als man ausgeben konnte bekamen die Klingonen ein neues Design. Bereits damals fragte sich der geneigte Trekkie, warum die Klingonen plötzlich so seltsam aussahen. Es war also eine ähnliche Situation, wie heute.
Um die damalige "plötzliche Veränderung" der Klingonen zu erklären wurden kurzerhand "Gen-Experimente" als Ursache erfunden, mit denen der Standard-Trekkie offenbar glücklich werden konnte. Um das "Gen-Manipulationsgerüst" noch weiter zu stärken wurde es in diversen Folgen (ab den 90ern) weiter thematisiert. Damit wurde das Klingonen-Paradox letztendlich Kanon.
Offenbar ist man sich des Dilemmas bewusst und hat auch bei Discovery diese Problematik bewusst eingebaut, wenn auch in abgeschwächter Form. Da man sich sowieso mit einem neuen Klingonen-Design arrangieren muss, finde ich die Idee mit den Albino-Klingonen deutlich besser – weil einfach irgendwie nachvollziehbarer.
Sympathie zur Besatzung
Nach 15 Episoden ist es illusorisch eine Bindung zu den Hauptcharakteren des Raumschiff aufzubauen. Dies gelang in der Vergangenheit jedoch auch nie. Auch Deep Space Nine (meine Lieblingsserie im Star Trek Universum) benötigte 2-3 Staffeln (mit wohlgemerkt jeweils 20 oder mehr Episoden), um meine Sympathie für die einzelnen Personen zu gewinnen. Der Kommandant der Raumstation, Benjamin Sisko, musste sich erst die Haare abrasieren und zum Bad-Ass-Captain werden, bevor ich ihn wirklich ernst nehmen konnte.
Daher bin ich guter Dinge, dass sich auch die Discovery-Besatzung – durch verschiedene Charakterentwicklungen – in die Herzen der Fans spielen werden, sofern sie die Gelegenheit bekommen und die Serie nicht gleich, nach der zweiten Staffel, abgesetzt wird.
Fazit
Wie bereits angedeutet, wäre auch ich sehr für eine neue Serie, die nach den Ereignissen der TV-Serien Das Nächste Jahrhundert, Deep Space Nine und Voyager angesiedelt ist (und mit der neuen Picard-Serie scheint der Wunsch nun endlich in Erfüllung zu gehen) - so konnte mich Star Trek – Discovery dennoch sehr gut unterhalten. Mit ein bisschen Toleranz und der Bereitschaft, sich durch eine spannende Science-Fiction-Geschichte – die zugegebenermaßen besser in oben genannter Zeitlinie ("Nach-TNG-Zeit") aufgehoben wäre – mitreißen zu lassen, bekam ich ein tolles Gesamtpaket geliefert und – im Gegensatz zur Kino-Reboot-Reihe (Kelvin-Zeitlinie) - bin ich richtig gespannt, wohin uns die U.S.S. Discovery als nächstes entführt.