Bewertung: 5 / 5
„Stirb Langsam“
Für den New Yorker Cop John McClane läuft es nicht besonders gut: Weihnachten in einer fremden Stadt, seine Frau hat seinen Namen abgelegt, auf einer Weihnachtsfeier voller Yuppies – und dann brechen auch noch Terroristen in das Hochhaus, in dem er sich gerade befindet, ein und nehmen Geiseln. Im Unterhemd, ohne Schuhe, bewaffnet nur mit seiner Dienstpistole nimmt McClane den aussichtslosen Kampf auf. Als einzige Unterstützung von außen bleibt McClane nur der Schreibtischcop Al, der ihm über Funk beiseite steht. Kann McClane diese Nacht überleben und seine Frau retten?
Eigentlich kann man nichts mehr zu „Stirb Langsam“ sagen, was nicht bereits überall gesagt wurde: Regisseur John McTiernan hat einen absoluten Klassiker der (Action-)Filmgeschichte hingelegt, der oft kopiert, aber nur selten (vielleicht sogar gar nicht) erreicht wurde. Nach den von Supermenschen wie Arnold Schwarzenegger bevölkerten Filmen der 80er, die McTiernan ein Jahr zuvor mit „Predator“ bereits effektiv in den Ruhestand beförderte, wandelte sich der Actionfilm hier endgültig zum Vehikel für „everyman“-Helden. Das funktioniert nicht nur wegen McTiernans unglaublichem Gespür für Inszenierung, sondern vor allem wegen seiner Geheimwaffe: Bruce Willis. Mittlerweile unvorstellbar, aber zur Zeit der Dreharbeiten war Willis keine sichere Bank. Immerhin war er zuvor nur Fernsehdarsteller, was in den 80ern noch ernsthafte Bedenken auslöste, der zudem noch winzig aussah im Vergleich zu einem Sylvester Stallone oder dem zuvor genannten Arnold Schwarzenegger. Im Gegensatz zu denen spielte Bruce Willis hier aber einen richtigen, dreidimensionalen Charakter, der zweifeln, sogar verzweifeln darf, im Angesicht der Übermacht, die sich gegen ihn gestellt hat. Der Actionheld ist plötzlich keine bloße Machtphantasie mehr, vielmehr wird er zur Identifikationsfigur, deren überleben, wenn man mal von den existierenden Sequels absieht, nie gesichert zu sein scheint.
Ein Held ist aber natürlich nur so stark wie sein Gegenspieler. Und selten hat man einen Gegenspieler wie Hans (deutsche Fassung: Jack) Gruber zu Gesicht bekommen. Mit sardonischem Grinsen von Alan Rickman zur Perfektion gespielt, geht von Gruber gleichzeitig eine Weltgewandtheit, sowie eine Aura der Gefahr aus. Mit wenigen Pinselstrichen wird Gruber so zum optimalen Gegenspieler für McClane gezeichnet. Wo McClane im schmierigen Unterhemd unterwegs ist, trägt Gruber Maßanzug. Während McClane alleine unterwegs ist, hat Gruber eine Gruppe von beinharten Henchmen, die er jedem Problem entgegenwerfen kann. Nicht umsonst war „Stirb Langsam“ nicht nur für den Hauptdarsteller, sondern auch für Alan Rickman das Trittbrett zur großen Hollywoodkarriere.
McTiernan und sein Kameramann Jan de Bont, der später bei der „Die Hard on a bus“-Variante „Speed“ Regie führen sollte, erreichen dies, indem sie sich bemühen McClane durchgehend isoliert und eingeengt zu zeigen, selbst bevor Gruber und seine Jungs anfangen im Nakatomi Plaza rumzuballern. So zieht sich dann auch ein Gefühl der Klaustrophobie („Jetzt weiß ich, wie sich ein Rohrpostbrief fühlt!“) durch den Film, dass die Spannung fast unerträglich werden lässt. Generell beweist das Zweiergespann eine Vorliebe für etwas „künstlerische“ (eigentlich: klassischere) Bildgestaltung, mit ihrer vom Film Noir inspirierten Beleuchtung (besonders Fritz Langs „Heißes Eisen“ scheint Pate gestanden zu haben) und klaren Bildsprache. Wenn jemand den alten Spruch „Show, dont tell“ auspackt, dann meint er genau das hier! „Stirb Langsam“ ist der beste Beweis dafür, dass man auf den Actionfilm nicht herunterschauen muss, denn auch hier kann handwerklich-künstlerisch hochwertiges geschaffen werden, wenn man die richtigen Leute ranlässt.
All das wäre natürlich aber nicht den Klassikerstatus wert, würde das Drehbuch nicht stimmen. Dieses arbeitet aber mit einer uhrwerkartigen Präzision, die Grubers Plan alle Ehre macht. Nicht eine Szene, nicht eine Dialogzeile ist überflüssig, nichts könnte gestrichen werden, ohne dass alles in sich zusammenfällt. Jeder Storybeat passiert genau zu dem Zeitpunkt, zu dem er passieren muss: läuft der Film Gefahr langweilig zu werden, weil McClane auf sich alleine gestellt ist, stellt der Autor ihm Polizist Al Powell zur Seite, dem er sich anvertrauen kann. Droht der Plan Grubers auf eine unüberwindbare Hürde zu treffen, verschafft ihm das FBI genau zum richtigen Zeitpunkt ein Weihnachtswunder. Die beiden Autoren, Steven E. De Souza (auch Autor des unterhaltsamen „Das Phantom Kommando“ mit der steirischen Eiche) und Jeb Stuart („Auf der Flucht“), haben den Plot zu jeder Sekunde im Griff. Davor muss man den Hut ziehen.
Herausgekommen ist ein wegweisender Film, der auch fast 30 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch frisch und unverbraucht wirkt und sich vor der Flut an Special Effects geladenen Blockbustern von heute nicht verstecken braucht. Es gibt durchaus spektakulärere Actionfilme, aber bessere? Das wage ich zu bezweifeln.
Prädikat: Besonders geil.