Bewertung: 4 / 5
Soppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 ist gemeinhin einer jener legendären 1970er Thriller-Klassiker, dass er oberflächlich fast ein bißchen in Vergessenheit geraten ist. Aber wie gesagt, fast. Denn der Film ist in seiner Art derart einnehmend sympathisch, und gleichzeitig auch extrem einflußreich, dass sogar ein Tarantino einen nicht zu verachtenden Teil seiner Karriere dem Film verdanken dürfte.
Ein paar Gangster nehmen eine U-Bahn als Geisel und der Chefunterhändler der U-Bahn-Polizei muss versuchen, den Tag zu retten.
Was von dem Film vor allem in Erinnerung bleibt, ist die grandios aufpeitschende Musik von David Shire, welche ganz im Stile eines Lalo Schiffrin oder gar eines Ennio Morricone, den kompletten Film auf ein anderes Level erhebt. Alleine die Musik ist es quasi wert, den Film zu schauen. Das ist einerseits zeitlos gut (was man auch daran sieht, dass etwa 25-30 Jahre später die Sofa Surfer mit einem Remix einen veritablen Hit gelandet haben).
Und dann gibt es da noch den einen klitzkleinen Fakt, dass die Verbrecher allesamt nur Farbennamen tragen und nicht wissen, wer sich hinter den namen tatsächlich verbirgt, das ist zum einen natürlich sehr professionell, und zum anderen natürlich der Pate für einen der besten Regiedebüts der letzten Jahrzehnte ;-)
Aber unabhängig davon haben wir tatsächlich auch so einen packenden reisser, der tatsächlich perfektes 1970er Kolorit versprüht, das geht über die Athmosphäre, die sich immer weiter von der 1950-1960er konservativem Muff weg entwickelt hat und man einfach die "Strasse" quasi fast schon riecht. Das geht über diverse dreckicge politische Ebenen. Und das landet im zerknautschten Ermittler, der damals einfach die Regel war, sei es karl Malden, sei es george Segal, sei es Richard Widmak, es sind immer irgendwelche abgekämpften Figuren, die desillusioniert sind, ihre besten tage hinter sich haben, und gerade dadurch in einer immer schneller werdenden und unübersichtlich werdenden Welt, versuchen, die Ruhe zu bewahren und den tag nicht in einem Blutbad eskalieren zu lassen. Da wir aber in den 1970ern sind, ist zumindest letzteres sogar bei einem Hollywood-Streifen wie diesem nicht immer gewährleistet.
Und damit sind wir auch schon bei Walter Matthau, der tatsächlich in den 1970ern eine Art spätes Karrierehoch hatte, da er hier plötzlich mit seiner Hackfresse der rechte Mann zum rechten Zeitpunkt war: Lakonisch, gelangweilt, "mir macht keiner was vor", ironisch distanziert, fast schon eher beobachtend als agierend, aber trotzdem mittendrin, mit dieser Art von Paraderolle mauserte sich Matthau zu einem geheimen Superstar in richtiggehenden Hits und nicht Geheimtipps, sei es Charly Varrick, Die Bären sind los, dieser komische Pferderennfilm usw. Man darf seine Art aber nicht mit dem anderen zerknautschten Archetypen der 1970er verwechseln, die eben genau das Gegenteil bewirkten und nur Chaos verbreiteten, hier waren die Archetypen solche gestandenen Charaktere wie Ernest Borginine, George kennedy und nicht zuletzt Gene Hackman (Popeye Doyle). Matthau ist da ein ganz anderes Kaliber, er ist ein Allerweltsmann aber er ist cool. und zwar richtig. Alleine die letzte Bildeinstellung verdeutlicht seine Coolness einfach wunderbar.
Und ihm Gegenüber ein Shaw, der einfach wie fast immer zu Höchstform aufläuft. Ein guter Protagonist ist immer nur so gut wie der Antagonist ist, und der hier ist wirklich quasi auf Augenhöhe, er treibt Matthau regelrecht vor sich her und geht sogar als zweiter Protagonist durch, da er eigentlich den minutiös geplanten Coup gegen alle Widrigkeiten verteidigen muss. Das ist ein Katz und Maus- Spiel im besten klassischen Sinne.
Aber da wir es eben mit einem klassischen Film zu tun haben, der eben zwar irgendwie cool und lakonisch aber immer noch eben auch ein typischer Studio-Film ist, muss es eben wie in den meisten solcher Filme über irgendwelche minutiösen Coups zum obligatorischen Zerwürfnis innerhalb der Truppe und damit dem Untergang der Crew kommen (das ist so archetypisch, dass sogar ein Heat Jahrzehnte später nicht anders kann...). Nicht falsch verstehen, das stört mich nicht im Geringsten, es ist nur Fakt, spätestens seit Rififi - dass es anders geht, muss man sich eigentlich nur Topkapi vom gleichen regisseur anschauen oder mach eine paneuropäische Rififi-variation der frechen 1960er ;-)
Unabhängig davon lässiger Film, cooles Duell, Hammermusik
(Dass es davon Jahrzehnte später ein mehr lächerliches als brauchbares Remake mit Travolta und Washington gab, glaube ich zumindest, dass es die beiden waren, ohne dass die beiden den Originaldarstellern auch nur ansatzweise das Wasser hätten reichen können, spricht eben nochmal ganz klar für die Klasse des Originals - dabei fällt mir gerade auf, dass der Begriff "Hold my Beer" der deutschen Version "mir nicht das Wasser reichen können" sehr ähnlich ist, hmm, dadurch wirkt die Beer Variante plötzlich irgendwie doch lame ;-)
8 (objektiv) -9 (subjektiv) Punkte