Bewertung: 4.5 / 5
"In my first term we passed health care reform ... in my second term, I guess, Ill pass it again", scherzte US-Präsident Barack Obama kürzlich beim traditionellen Korrespondentendinner im Weißen Haus. In der Tat stand und steht es nicht allzu gut um die Gesundheitspolitik im Land der Freien und Tapferen. Besonders tapfer sein, müssen die Bürger, die sich aus finanziellen Gründen keine Krankenversicherung leisten können, die keinen Anspruch auf eine Versicherung haben oder jene, die einfach zu wenig Vorteile in der nicht verpflichtenden Option sehen. All das hatte sich Präsident Obama vorgenommen zu ändern und zu verbessern, um das Leben dervielen nichtversichterten Menschen im Land sicherer zu machen. Aber noch besteht die Angst und Unsicherheit bei weiten Teilen der Bevölkerung. Auch im Film "Take Shelter" von Jeff Nichols wird dieses spezielle Thema der amerikanischen Innenpolitik sehr offensichtlich aufgegriffen. Grundsätzlich behandelt der Film existenzielle Ängste und appelliert an die Stärke der Gemeinschaft, die jedem Einzelnen in wechselseitiger Beziehung Halt bieten kann, wenn ein Sturm am Horizont aufzieht. Die erste Einstellung des Films zeigt den Familienvater Curtis vor seinem Haus, der gebannt und ehrfürchtig in die Ferne starrt. Beim Blick in den Himmel, in dem sich gigantische Wolken auftürmen, beschleicht den Zuschauer vom ersten Moment an Anspannung und Unbehagen. Die unglaublich dichte Atmosphäre ist in dem schön fotografierten Film durchgehend zu spüren. Vor allen Dingen ist es natürlich das Mimenspiel des Hauptdarstellers, das den Mittelpunkt bildet. Michael Shannon, der mit seiner kantigen und ausdrucksstarken Statur große Präsenz auf der Leinwand hat, liefert eine eindrucksvolle Leistung. Es ist das dritte Mal, dass er mit Regisseur Jeff Nichols zusammenarbeitet. Seine Figur Curtis wird von düsteren Visionen geplagt. In seinen Gedanken braut sich ein Unwetter zusammen. Es lässt ihm keine Ruhe. Wo er auch ist, ob zu Hause oder bei der Arbeit; überall sieht er das Unheil heraufziehen. Auch nachts kann er nicht schlafen. Schon bald werden seine Arbeitskollegen und Freunde aufmerksam, denn Curtis verhält sich zunehmend merkwürdig. Auch seine Frau schöpft langsam Verdacht. Sie wird wunderbar gespielt von Jessica Chastain, die im selben Jahr auch in "The Tree of Life" und "The Help" zu sehen war und damit nun wohl zu den gefragteren Schauspielerinnen zählen dürfte. Bisher war ihre relativ junge Karriere fast ausschließlich von Serienrollen geprägt. Lange versucht Curtis jedoch seine Probleme vor anderen zu verbergen und selbst nach Lösungen zu suchen, wie er sich und auch seine Familie schützen kann. Auch kann wieder eine Parallele zum wahren Leben gezogen werden. Die schwere seiner Psychose lässt aber deutlich werden, dass er das nicht lange aushalten kann. Seine Wahnvorstellungen werden zunehmend schlimmer und auch Ärzte und Therapeuten scheinen ihm nicht helfen zu können. Neben seinem mentalen Zustand wird er mit weiteren Problemen konfrontiert. Seine taube Tochter (wirklich von einem gehörlosen Mädchen verkörpert) steht kurz vor einem großen operativen Eingriff. Finanziell steht die Familie nicht sonderlich gut dar und Curtis Entscheidungen in letzter Zeit sorgen zusätzlich für Destabilisierung. Während sich die Lage weiter zuspitzt, fängt Curtis an im Garten einen Tornadoschutzbunker zu bauen. Er ist weiterhin davon überzeugt, dass seine Vorahnungen wahr werden. Aber vielleicht hat der Bunker auch noch einen anderen Zweck ... Der Film funktioniert sowohl als persönliches Drama eines Mannes, der versucht seine Misère zu überwinden als auch als metaphorisches Katastrophenszenario. Auf beiden Ebenen kann sich das Ergebnis sehen lassen. Als Zuschauer wird man unmittelbar mit dem Schrecken konfrontiert und folgt den Charakteren durch den Sturm. Dabei entfaltet der Film am Ende eine nahezu kathartische Wirkung. Was "Take Shelter" außergewöhnlich macht, ist neben allen technischen Qualitäten vor allem die Story und der Weg, den diese einschlägt. Aufrichtig und ernst spielt der Film bis zuletzt. Dabei hätte das Drehbuch jederzeit in einen konventionellen Thriller oder Horrorfilm münden können. Auch wenn die sehr effektiven Visionen gängige Horrorelemente enthalten und immer grausamer und furchteinflössender werden, dient all dies einem höheren Zweck als dem Schockmoment. Das Ende transzendiert die vorangegangenen Ereignisse und verdeutlicht das Interesse des Films wirklich eine Botschaft zu übermitteln und ein Anliegen zu haben. Bereits vor dem eigentlichen Schluss hätte der Film meines Erachtens abschließen können. Die finale Szene regt dann nochmals zum Denken an. "Take Shelter" bietet sicherlich auch Platz für Interpretation. Fest steht: Nur wenn wir in unserem Selbstvertrauen und dem Vertrauen in die Gemeinschaft wieder bestärkt worden sind, können wir uns wirklich auf den Sturm des Lebens vorbereitet fühlen.
Take Shelter - Ein Sturm zieht auf Bewertung