Bewertung: 3 / 5
Der ehemalige Elite-Soldat William Tell (Oscar Isaac) hat das Kartenzählen perfektioniert und zieht daher durch die Casinos des Landes. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hält er seinen Einsatz immer sehr niedrig, bis er den jungen Cirk (Tye Sheridan) trifft. Cirk versucht Tell zu überreden, ihm bei seinem Racheplan zu helfen. Dazu treffen sie auf die undurchsichtige Agentin La Linda (Tiffany Haddish) und während Tell von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt wird.
Glückspiel gehört zu den Dingen im Leben, die oft in kriminelle Kontexte verpackt werden. Das gehört einfach zu einem guten Film. Und wer wüsste das wohl besser, als Paul Schrader, dessen Drehbücher zu Taxi Driver (1976), Wie ein wilder Stier (1980) oder Mosquito Coast (1986) zu den einflussreichsten und wichtigsten Werken der Filmgeschichte zählen. In seinem Schaffen geht es häufig um verstörte und zerstörte Individuen, die von einem großen Krieg traumatisiert wurde. Häufig auch ein ungerechtfertigter Krieg, der keinerlei Sinn zu sich hat, wie es noch die amerikanische Beteiligung am 2. Weltkrieg hatte. In seinem neuesten Werk tritt er vor allem wieder in die Fußstapfen von Travis Blickle und berichtet dabei erneut von Veteranen, die die Hölle auf Erden durchlebt hat. Vietnam wird hier durch den Irak ausgetauscht und damit hat alles so eine gewisse Tiefe. Und wäre das nicht die Schwere, die sich im Hintergrund zu einem regelrechten Sturm zusammenbraut, so könnte man fragen, was das denn alles soll.
Denn klar ist der Subtext von The Card Counter eine Anti-Kriegsbotschaft. Und vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges bekommt die ein oder andere Figur hier sogar offenkundig nochmal eine ganz andere Tragik zu sich. Tatsächlich sind es hier aber vor allem Rückblenden, die zwischen Folter und der Unmenschlichkeit in Person wandeln und dabei eindrucksvolle Einblicke in eine Perversion biblischen Ausmaßes geben. Da kommt niemand unbeschadet heraus und so ist es auch die Hauptfigur, die uns immer wieder so ein wenig mehr über ihr Leben zu präsentieren hat. Nicht von sich aus, hier spielt dann die Regie Gott. Und das sind mitunter auch wirklich die grausamsten Momente Film. Auf der anderen Seite aber leidet der Film unter seiner Erzählstruktur. Denn während sich langsam so ein Mysterium nach und nach aufdröselt, verbringt der Film vor allem sehr viel Zeit damit, dem Zuschauer das Kartenzählen zu erläutern. Gleichsam wird da eine Rachegeschichte aufgebaut und der ewige Konflikt der Väter ist wieder Zentrum dessen. Auch bleiben ohnehin alle Figuren, abseits von Cirk, lange ohne eine nachvollziehbare Motivation. Es wird dann erklärt, man wolle helfen, doch erklären, wer man ist, will man nicht. Und das hat hier ja einen bestimmten Grund, nämlich soll die Aufdröselung dessen, dann wieder zu einem Schocker beim Zuschauer führen. Daß darunter aber die Geschichte letztlich leidet und sich mitunter auch zäh anfühlt, ist ebenso problematisch.
Ein seltsamer Fetisch findet sich dann in der Hauptfigur wieder. Gleich zu Beginn, sobald das erste Hotel betreten wird, achtet man hier tunlichst genau auf die Reinigung aller Gegenstände oder besser gesagt darauf, daß da nichts zu Schaden kommt. Es mag natürlich dann an der Stelle auch irgendwo in einem der Dialoge untergegangen sein, doch so ein wirklich triftiger Grund dieser Handlungen wird bis zum Schluß nicht klar. Es passiert den gesamten Film über, immer wieder und dann am Ende scheint es völlig egal zu sein. Vermutlich liegt es daran, einfach nicht auffallen zu wollen, doch ob das nun die effektivste Variante ist, während man gleichzeitig in jedem Casino ein und aus geht, daß darf an der Stelle ebenso bezweifelt werden. Auch ist fraglich, warum denn die Rachegelüste, die diese Figur so antreiben, dann im Zusammenspiel mit dem ständigen Kartenspielen fungieren. Natürlich könnte man hier auch argumentieren, daß die Figur zu Beginn relativ antriebslos und erst durch Cirk zu seinem Treiben motiviert wird, aber dann hätte man auch die nachfolgenden Spiele vielleicht außenvorlassen können. Denn tatsächlich ist das Zählen von Karten nicht wirklich etwas, was Spannung im Film aufkommen lässt. Hier und da treffen sich vereinzelte Exzentriker und auch ein klarer Verweis in das Lager der Trump-Loyalisten ist hier unverkennbar. Doch die eigentliche Handlung bleibt dabei völlig belanglos.
Schön ist aber, daß der gesamte Film eine unglaublich dichte Atmosphäre hat. Keiner der Charaktere muss dem Zuschauer Kalauer, um die Ohren knallen, um ihn ja nicht zu überfordern. Daß in Zeiten von modernen Blockbustern wie Ghostbusters (2016) oder Thor: Tag der Entscheidung (2017) auch solche Filme produziert werden können, ist wirklich wunderbar. Gleichsam schafft der Film es eben seinen Hauptcast wirklich gut in Szene zu setzen. Oscar Isaac wird die gesamte Zeit von einem mürrischen Blick begleitet und schafft es seiner Figur ziemlich viel Präsenz zu geben. Auch das Trauma kommt durch diese sehr gut rüber. Wenngleich ihm das Drehbuch auch nicht so viel gibt, wie es vielleicht erstmal glauben machen will, ist er dennoch der unangefochtene Star des Films. Daß Tye Sheridan noch nicht für jeden Film gecastet wurde, den es gibt, wundert unterdessen auch. Denn während ihm ja gerne eine Ausdruckslosigkeit nachgesagt wurde, schaffte er es bereits in X-Men: Apocalypse (2016) eine wirklich undankbare Rolle zum sympathischen Scene Stealer zu verwandeln. Gleiches gilt auch hier für diesen Film. Klar ist seine Figur komplett anders ausgerichtet, doch Sheridan gelingt es vollends in dieser aufzugehen, weil man ihm die Wut und den Antrieb einfach im Gesicht ablesen kann.
Viel zu kurz hingegen kommt leider der immer großartige Willem Dafoe, während Tiffany Haddish die undankbarste Rolle bekommt, weil ihre Figur zumeist als Erklärbär für der Hauptfigur fungiert. Das größte Problem im Film liegt aber in einem rein konzeptionellen. Denn während man sich stark am New Hollywood-Kino orientiert, nimmt man auch billigend in Kauf, immer wieder alte Handlungsmuster zu übernehmen, die zwar zeitlos, aber auch dadurch immer unkreativ bleiben. Dekonstruktion und Verneinung vor den Vätern, werden in diesem Film zu einem Wechselbad der Gefühle, daß sich aber dadurch auch als wesentlich weniger mutig und neu entpuppt, als man vorgeben möchte. Daß entscheidende dabei ist aber, daß die eigentliche Entscheidung fehlt, weil sich der Film auch in dieser Hinsicht nicht zu einer kompletten Aussage verleiten lassen will, wirkt er indes auch ein wenig aus der Zeit gefallen. Übergeordnet könnte man sicherlich auch ankreiden, daß das gesamte Werk ein wenig belanglos erscheint.
Eine klischierte Geschichte, die mit einer unglaublichen Härte und Intensität daherkommt, serviert Paul Schrader mit The Card Counter. Das ist vor allem eine Reminiszenz an alte Zeiten. Dabei kommt ein toller Cast daher, der seine Figuren wirklich gut in Szene setzt, wenngleich aber auch fraglich bleibt, was der Film nun eigentlich sagen will.