Bewertung: 4.5 / 5
Seit es heisst, Hollywood denke ernsthaft über ein Remake des Filmklassikers Der Mann mit der Todeskralle nach, denke ich, dass das keine gute Idee ist. Ich bin der Meinung, Bruce Lees (leider nur 4, der unfertige Film zählt hier jetzt mal nicht, trotz Kareem Abdul Jabbar) Filme gelten nicht umsonst als Meilensteine des Action-Kinos und sollten keine Neu-Interpretation erfahren. Sie haben die Art und Weise, wie Kampfsportfilme gedreht werden, revolutioniert, und gelten gemeinhin nach wie vor auch als Blaupause für so manchen bescheuerten Klopperfilm oder Klopperspiel.
Hinzu kommt, dass seine Filme bei aller Brachialität auch immer einen gesellschaftlich relevanten Bezug haben und mal mehr mal weniger gekonnt mit dem Thema Rassismus und Gleichberechtigung (in jeglicher Ausprägung) hausieren gehen. Dabei spiegeln sie auch immer wieder zu großen Teilen den Zeitgeist wieder.
Ein Film, der ganz unverhohlen mit diesem Thema hausieren geht, ist Todesgrüße aus Shanghai. Hierbei handelt es sich um eine Verfilmung eines real stattgefundenen Ereignisses während der japanischen Besatzungszeit Chinas und der Geschichte eines legendären Partisanen-Kämpfers. Der Stoff wurde schon vor und erst nach Bruce Lee diverse Male verfilmt, besonders hervorstechend sind allerdings die beiden Verfilmungen mit Bruce Lee (eben Todesgrüße aus Shanghai) und der eine mit Jet Li (Fist of Legend). Folgender Doppelreview wird beide Filme unahängig und im Vergleich beurteilen, um dann eine Entscheidung bzgl. der Sinnhaftigkeit eines Remakes eines Bruce Lee Filmes (wohlgemerkt nur für mich) zu treffen. Also dann, los gehts (Viel Spass bei der Lektüre):
Todesgrüße aus Shanghai (1972, Bruce Lee)
Bruce Lee spielt den Musterschüler eines vermeintlich von den japanischen Besatzern vergifteten Kung-Fu-Lehrers, der zum einen seinen Jähzorn nicht ganz unter Kontrolle hat und zum anderen Rache schwört. Die Japaner werden allesamt als Rassisten, Hinterhältig dargestellt, die sogar Hunde über Chinesen stellen. Der Protagonist ist extrem unnachgiebig, sowohl mit den Japanern als auch mit den chinesischen Kollaborateuren. Der Film steigert sich von Kampfsequenz zu Kampfsequenz sukzessive bis zum wirklich bitteren Showdown. Während er nämlich den Rassismus der Japaner anprangert, ist er genauso rassistisch gegenüber ihnen und gibt nicht wenige Japaner der Lächerlichkeit Preis. Dabei ist der Film immer reißerisch und perfekt inszeniert. ABER auch wenn Bruce Lee alle überstrahlt und als Identifikationsfigur eigentlich nicht herhalten sollte, gelingt es dem Film spielerisch, dass man mit ihm mitjubelt, und dass obwohl man weiss, dass er ein ganz und gar jähzorniger Mann ist, der deutlich über das Ziel hinaus schießt und ganz eklatant zur Eskalation beiträgt. Fast ist man geneigt zu sagen, dass es ohne ihn vielleicht besser ausgegangen wäre. Und auch das vermittelt der Film perfekt. So ist es auch nur konsequent, dass der Film (für damalige Verhältnisse auch revolutionär) konsequent bleibt.
Kurz: Ein hochmoralischer, aber moralisch fragwürdiger, adrenalingetriebener, Wut-Kung-Fu-Traum von einem Film, der trotz aller Ressentiments (die man auch in den zeithistorischen Kontext setzen sollte) und offensichtlicher Probleme, einfach eine Messlatte ist, die nur noch von seinen folgenden Film überboten werden wird.
Ganz klar 10 Punkte in der Kategorie Kampfsportfilm. Als Film fürs Gesamtpublikum würde ich sowas um 8-9 Punkte vergeben.
Fist of Legend (1994, Jet Li)
Grundprämisse ist die Selbe, wieder schließt sich der Schüler den Rebellen an, wieder geht es gegen das japanische Regime. Diesmal wird aber sehr differenziert zwischen dem gemeinen (will heissen im Allgemeinen) Japaner, der hier die Chinesen unterjocht und dem gut gesinnten Japaner, der allerdings auf Grund der politischen Lage und anderen Gründen nicht wirklich gegen sein Land aufbegehren kann. Der Film geht sogar so weit, dass Jet Li einen Kampf gegen einen japanischen Karatemeister führt und keiner den anderen besiegen kann, weil beide gleich gut sind. Hier wird also eher auf Völkerverständigung hingearbeitet, das Ende ist deutlich versöhnlicher und man kommt mit einem guten Gefühl aus dem Film heraus. Die Choreografie ist auch hier über jeden Zweifel erhaben, aber dadurch, dass der Film nun deutlich nuancierter ist, und es durchaus Grauzonen gibt, und auch der pazifistisch getriebene Höhepunktkampf (siehe oben), fehlt dem Film eindeutig der nötige Punch, um das Publikum gnadenlos in den Sessel zu drücken. Alles in allem ist hier die Story eindeutig besser und positiver, aber vor allem wenn man die Vorfilme bedenkt ist der Kampfsportgehalt doch eine kleine Enttäuschung, und daher ist der Film an sich auch jenem Überklassiker von Bruce einfach unterlegen, da der Film an sich nicht wirklich weiss, was er eigentlich erzählen will: Die Geschichte des legendären Kämpfers, der ganz klar gegen die Japaner sein sollte, oder die Geschichte, dass es Grauzonen gibt? Das macht den Film ein Stück weit weniger zugänglich.
Als Kampfsportfilm vielleicht mit Wohlwollen 6 Punkte, als Film selbst auch eher sowas um 5 Punkte.
Vergleich beider Filme
Der Bruce Lee Film ist einfach ein rassistischer mieser Reisser, der sich dessen bewußt ist, und daher auch wirklich kompromisslos sein Ding macht. Wenn man den Film historisch einordnet, macht es Sinn, dass relativ kurz nach dem zweiten Weltkrieg - noch vor der heutigen Zeit der übermäßigen Political Correctness - die Ressentiments gegenüber den Japanern noch immer vorhanden sind und ein Publikum bei sowas natürlich Feuer und Flamme ist. Heute könnte man so einen Film so nicht mehr drehen. Moment Mal, gerade heute kann man solche Filme eben wieder drehen (man denke nur an Ip Man). Woran liegt das? Dazu ein Wort zum Jet Li Film:
Der Jet Li Film ist ein Film noch aus der Zeit, als Hong Kong noch nicht von China einverleibt wurde. In dieser Zeit (später 1980er bis zur Eingliederung) fand in Hong Kong eine Explosion der Kreativität statt (ähnlich wie in Spanien nach dem Franco Regime oder in Südkorea nach der Millitärdiktatur), so dass intelligente, anspruchsvolle und gleichzeitig actiongeladene Filme sich nicht ausschlossen. Ich will jetzt nicht sagen, dasss die A Better Tomorrow Filme großartig intelligent wären, aber spätestens Bullet to the Head gilt nicht umsonst als das Hong Kong Äquivalent zu Ciminos Meisterwerk Die Durch die Hölle gehen. Dabei entwickelte der Hong Kong Film recht früh das Prinzip des Antihelden und verinnerlicherte es, so dass das Prinzip der Grauzonen auf allen Seiten (auch der Antagonisten) gewährleistet war. So kommt es nicht von ungefähr, dass beispielsweise beim Klassiker Infernal Affairs der Zuschauer für beide Seiten absolut Sympathien empfinded und eigentlich nicht weiß, wem er die Daumen drücken soll. Fist of Legend passt daher sehr gut in diese Zeit, in der das Hong Kong Kino (ich nenne es mal ) reif mit dem Thema japanische Besatzung umgeht und eine nuancierte Geschichte erzählt. Dieser Ansatz ist wirklich angenehem und unaufgeregt und bietet so auch Herangehensweisen an alte Filme, die durch eine komplett andere Brille gedreht wurden. Daher ist dies der Fall, dass ein Quasi-Remake (weil eben ein anderer Ansatz, und vor allem, das vermeintliche Original eben nicht das Original ist) absolut Sinn machen kann und neue Perspektiven eröffnet. ABER: Spätestens ein paar Jahre nachdem Hong Kong wieder zu China gehörte, gehörten auch diese Art der Filme der Vergangenheit an. Wenn man sich heutzutage beispeilsweise die Donnie Yen Kracher Ip Man und Konsorten anschaut, dann sieht man, dass der Weg doch wieder zurück nach 1972 zu führen scheint. Und dann, bei aller Liebe für Kampfsportfilme, wenn nicht einmal mehr die Kämpfe was hergeben, dann braucht man sicherlich keinerlei Remakes von den alten Filmen.
An und für sich ist Fist of legend eine gelungene Neuinterpretation und für Fans durchaus sehenswert: 6-7 Punkte wahrscheinlich irgendwie richtig.
Todesgrüße aus Shanghai ist ganz klar der unmittelbarere bessere Film in jeder Hinsicht: locker 9 Punkte
Letztlich die Notwendigkeit weiterer Bruce Lee Remakes:
Der Mann hat ganze vier Filme gedreht: The Big Boss ist von denen am schlechtetsten gealtert und wurde in diversen Quasi-remakes schon gebührend neu verfilmt. Aber das ist ein Stoff, den man immer wieder neu verfilmen kann.
Todesgrüße aus Shanghai wurde hier gerade besprochen.
Die Todeskralle schlägt wieder zu halte ich persönlich für ganz schlecht geeignet neu verfilmt zu werden. Zumal das finale Duell mit Chuck Norris auch heute noch sensationell gut aussieht.
Der Mann mit der Todeskralle hat mehrere Gleichberechtigungsmessages und auch eine legendäre Inszenierung. Es mag gerade heutzutage sinnhaft erscheinen, das anzugehen, dann würde ich das Thema aber eher bei einem wie Ang Lee verankern, der vor allem mit Tiger and Dragon beweisen konnte, dass er Kampfsport und Zeitgeist vereinen kann als bei einem David Leitch, der bisher eher durch handwerkliche Perfektion in seinen Choreografien glänzen konnte. Aber da ich nicht glaube, dass Ang Lee dafür Interesse hat und ich auch mit Spannung auf seine anderen Werke warte, gibt es für mich eigentlich keinen anderen derzeitigen Regisseur, dem ich ein adäquates Remake zutraue. Daher würde es mich freuen, wenn man die Finger von lässt.
Und letztlich der letzte nicht fertig gestellte Lee Film: Gerade in diesen Archivaufnahmen sieht man auch die humanistische Botschaft, die Bruce Lee versuchte, an den Mann zu bringen, da er dachte, dass er jetzt durch seine Popularität tatsächlich mehr zur Verständigung beitragen könne. Und hier schleisst sich auch ein bißchen der Kreis zu seinem ersten eigenen Film The Big Boss: Im Grunde genommen gibt es mittlerweile diverse Klopperfilme und -spiele, die das Prinzip von sich stetig steigernden gefährlichen Levels verinnerlicht haben. Wenn man also die Grundgesinnung einfach weglässt, und nur die Choreographie betrachtet, ja dann gibt es Remake-Möglichkeiten und Remakes jeglicher Art.
ABER DAS IST SICHERLICH NICHT IM SINNE EINES BRUCE LEE