Herrje, wo soll ich bei diesem Film anfangen? So, dieser Satz hat mich schon mal zehn Minuten gekostet. Vielleicht hier: schlechte Filme, richtig schlechte Filme, haben ihren ganz eigenen Reiz (habe ich in der oder anderer Form bestimmt schon mal geschrieben). Sie sind oft nicht nur unfreiwillig komisch, es hat auch irgendwie etwas charmantes, eine*n Regisseur*in an den eigenen Ambitionen oder einfach am Mangel an Talent und Budget scheitern zu sehen. Wenn das was eigentlich dargestellt werden soll auf der Leinwand kompletten Unsinn ergibt, ist dieser spezielle "disconnect" zwischen den Schaffenden und den Zuschauern etwas besonderes, und man muss die Perlen dieses Genres irgendwie lieb haben.
So, Glenn Danzig... Am ehesten kennt man ihn wohl als einen Begründer des Horrorpunks und seinen Bands "The Misfits" und "Danzig". Nebenher produziert er auch noch die (scheinbar) kontroverse Comicreihe "Verotik", deren Name sich aus Violence und Erotik zusammensetzt, und der Name ist wohl auch Programm. Und auf diesen Comics basierend hat sich Danzig nun aufgemacht, einen Anthology Film zu drehen, inspiriert durch Filme wie Mario Bava’s Black Sabbath. Das Ergebnis wurde letztes Jahr auf dem Cinepocalypse Genre Festival in Chicago vorgeführt, und schlug ein wie eine Bombe, aber nicht exakt wie es sich Danzig vorgestellt hatte. “You guys laughed in some of the places I wouldn’t have, but that’s cool.” war wohl seine Reaktion auf die ausgelassene Stimmung im Publikum nach der Vorführung, zumindest laut Alex McLevy. Die ersten Reviews ließen nicht auf sich warten, und schon kurze Zeit später stand Danzig plötzlich als Thronfolger für Tommy Wiseau und Ed Wood im Raum, mit wenig (oder sehr) charmanten Vergleichen seines Werkes zu The Room und Konsorten.
Over-hyped, unverstanden, oder ein neuer Kultfilm?
Sagen wir es mal so, der Film ist "anders" als The Room, aber Vergleiche bieten sich an. Ähnlich wie beim Vergleichsfilm sieht alles ziemlich billig aus und die Schauspieler sind sehr offensichtlich keine Veteranen. Nun, außer Kayden Kross, die aber in genau den Filmen mitgespielt hat, wegen denen das populäre Urteil "Dialoge und Schauspiel sind unter Porno Niveau" überhaupt existiert. Aber während bei The Room vor allem das abstruse Verhalten aller Charaktere, vor allem Tommy Wiseaus, für Lacher gesorgt haben ("Hi Doggy"), sind es hier die Akzente, in noch stärkerem Maße die Dialoge, das Schauspiel und das Fehlen einer halbwegs kompetenten Kameraführung und eines Schnittes. Nicht das einer dieser Punkte bei The Room wirklich gut wären, aber... Ich gehe zur Erklärung besser in die einzelnen Abschnitte, und dabei muss ich auf ein paar Details eingehen (da ist eure Spoiler-Warnung).
Wie gesagt, der Film besteht aus drei Segmenten, lose zusammen gehalten durch Kayden Kross als "Morella", die die Zuschauer begrüßt und zwischen den Abschnitten Augen aussticht, die nächste Geschichte ankündigt, oder einfach darauf wartet, dass der Schnitt sie von irgendwelchen Fingerübungen erlöst (die letzte Szene, arme Frau...).
I. "The Albino Spider of Dajette"
Die arme Dajette hat es hart, wenn man als Prostituierte Augen statt Nippel hat und alle Freier vergrault, muss man als Zuschauer schon Mitleid haben. "Augen auf bei der Berufswahl" kommt hier definitiv zu spät. Eine Träne fällt auf eine nicht ganz fertig aussehende CGI Spinne, welche sich in einen Mann in einem Halloween Kostüm verwandelt, der im nächtlichen Paris Frauen ermordet wenn Dajette schläft.
Viel mehr passiert eigentlich nicht. Sehenswert vor allem wegen den völlig beknackten Dialogen und dem Versagen aller Beteiligten, einen halbwegs überzeugenden französischen Akzent rauszubringen. Wegen des Vorgehens des Mörders wird er von einem Journalisten als "Le Neckbreaker" bezeichnet (kein Witz), woraufhin sich alle bemühen, möglichst ernsthaft "Lö Näck-brä-kör!" zu sagen, was zumindest bei mir für diverse Lacher gesorgt hat. Absolutes Highlight ist der Kurzauftritt eines Kellners, der vor dem Mörder warnt, und sich nach der Aussprache des Namens fast beschämt abwendet, als ob er gewusst hätte, dass der "Take" nix war. Leider war es wohl der beste, auf jeden Fall ist die Szene drin. Wahrscheinlich stand A Nightmare on Elm street bei diesem Abschnitt Pate, und eine vergewaltigende Mörder-Spinne hätte vielleicht auch Horror-Potenzial, aber leider ist das gruseligste an dem Kostüm, dass beim Nähen des Schritts wohl das Material ausging, weshalb hier in einer Szene ein großes Loch klafft. Infantiler Blödsinn.
II. "Change of Face"
Eine Stripperin mit dem Namen "Mystery Girl" zieht nachts umher und schneidet Frauen die Gesichter ab, die sie an der Wand sammelt. Dabei stellt sie sich allerdings so deppert an, dass die Polizei relativ schnell auf dem Weg zu ihr ist. Sgt. Anders stellt sich dann aber noch ne Ecke blöder an, sodass es vielleicht eine Fortsetzung gibt.
Matt Lieb und Vince Mancini vom "FilmDrunk Frotcast" hatten zu diesem Abschnitt die Theorie, dass Danzig und seine Entourage einen Strip Club für einen Tag gemietet hatten und einfach dort spontan gedreht haben. Da spricht einiges für, vor allem ein auffälliger Mangel an Handlung, denn zwei minutenlange Sequenzen bestehen einfach aus einem Tanz von "Mystery Girl" in jenem Club. Höhepunkte hier sind das miese Makeup und Sean Kanan als Sgt. Anders, der zwar über reichlich Schauspielerfahrung verfügt, wovon man hier aber herzlich wenig sieht. Seine Dialoge und generell die Polizisten muss ich definitiv hervorheben, das ist ein Level an Unglaubwürdigkeit, der jedem Klischee-Fass den Boden raushaut. Zur Polizeiarbeit kann ich nur bemerken, dass es ja diesen Spruch gibt, der Täter "hätte ja gleich seine Visitenkarte dalassen können". Nun, in der Stripper-Fantasiewelt von Glen Danzig haben Stripperinnen auch privat immer ihre Karte dabei, und genau so clever wird auch dieser Plot Point gelöst.
Zumindest findet man bei dem Abschnitt die Referenz, die ist wohl der französische Horrorklassiker Augen ohne Gesicht (aka Schreckenshaus des Dr. Rasanoff) von Georges Franju. Latent besser.
III. "Drukija Contessa of Blood"
Drukija ist eine Gräfin im mittelalterlichen Ungarn, die Jungfrauen verschleppt, um in ihrem Blut zu baden, ihr Herz zu essen oder ihre Köpfe zu sammeln, um ihre eigene Jugend zu verlängern.
Das wars. An dem Segment geht dem Film wortwörtlich die Handlung aus. Behämmert wie sie war, die anderen Segmente hatten zumindest eine. Das hier ist nur eine Aneinanderreihung von Szenen, die unangenehm in die Länge gezogen werden. Drukija knabbert befühlte fünf Minuten an einer Herzprothese herum, betrachtet sich gefühlt genauso lang im Spiegel, und so weiter. Das Segment hat definitiv die besten Requisiten, aber hier fällt dafür die Kameraführung und der Schnitt umso aggressiver auf. Über die Bildsprache in einem Film zu diskutieren, in dem in einer Szene jemand sehr offensichtlich gegen die Kamera läuft, ist wahrscheinlich müßig, aber hier geht die Inkompetenz noch einen Level weiter. So zoomt die Kamera regelmäßig an das Geschehen heran, aber man hat oft den Eindruck, dass nicht ganz klar ist, worauf jetzt hingezoomt werden soll. Oder Danzig wechselt einfach mittendrin die Meinung und gibt andere Anweisungen. Auch ziehen sich die Szenen regelmäßig weit über das hinaus, wo man normalerweise einen Schnitt erwarten würde, sodass die Schauspieler unsicher einfach weiter machen. So hat man besonders bei der Herz-Knabber-Szene den Eindruck, das Opfer wäre sich gar nicht bewusst, ob sie jetzt tot ist oder nicht.
Basiert auf der Geschichte und Legende um Elisabeth Báthory, und das Lesen des Wikipedia Artikels zu ihr ist weit interessanter als Teil III des Filmes. Allerdings auch weniger witzig.
Verotika ist definitiv ein Film, bei dem man etwas über das Filmemachen lernen kann. Dinge wie "Ich brauche eine Handlung" oder "Vielleicht sollte ich mit vorher Gedanken machen, wo die obere und die untere Grenze des Bildes sein sollte". Danzig hat sich angeblich dagegen gesträubt, dass sich irgendein Studio in seinen Film einmischen könnte, aber er hätte sich wenigstens ein paar Berater leisten können. Vielleicht war das ganze auch nur ein gut ausgearbeiteter Prank, immerhin ist Danzig wohl ein großer Fan von Ed Wood, allerdings lässt die Reaktion auf dem oben genannten Festival nicht darauf schließen. Es ist keine Frage, dass Danzig ein großer Genre-Fan ist, die erste Szene ist bereits eine Referenz zu Zombi 2 (aka Zombie Flesh Eaters) von Lucio Fulci, aber das heißt nicht, dass das Ergebnis keine obskure, nicht entzifferbare Lachnummer ist.
Over-hyped, unverstanden, oder ein neuer Kultfilm?
Neuer Kultfilm, und ich bin dankbar, dass er existiert.