Dune soll immer noch ins Kino kommen - aber gleichzeitig auch zu HBO Max, wie alle anderen Warner Bros.-Kinofilme im nächsten Jahr. Das macht Regisseur Denis Villeneuve fassungslos. Ganz recht, Christopher Nolan ist nicht der einzige namhafte Filmemacher in Hollywood, den diese Entscheidung in Rage bringt. Wenn Nolan schon derart auf sein "Heimatstudio" losgeht und vom schlechtesten aller Streamingdienste spricht...
In einem von Variety veröffentlichten Schreiben nimmt Villeneuve vor allem AT&T ins Visier, die Mutterfirma von WarnerMedia: Mit dieser Entscheidung habe AT&T eines der angesehensten und wichtigsten Studios der Filmgeschichte gekapert, schreibt er. Weder fürs Kino noch fürs Publikum sei hier auch nur die geringste Liebe vorhanden. Es gehe dabei einzig und allein ums Überleben eines Telekommunikations-Mammuts, das derzeit einen astronomischen Schuldenberg in Höhe von über 150 Mrd. $ mit sich herumtrage. Deshalb gehe es AT&T nur ums eigene Überleben an der Wall Street, obwohl es bei Dune um Kino und Zuschauer gehe. Da der Launch von HBO Max bislang ein Misserfolg gewesen sei, habe AT&T entschieden, das gesamte Warner Bros.-Filmprogramm für 2021 zu opfern, in einem verzweifelten Versuch, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen.
Aber auch das Studio selbst bekommt sein Fett weg: Bei dessen plötzlicher Umkehr vom alterhergebrachten Zuhause für Filmemacher zur neuen Ära der völligen Gleichgültigkeit sei für ihn eindeutig Schluss, so Villeneuve. Das Filmschaffen sei ein Gemeinschaftswerk und abhängig von gegenseitigem Vertrauen auf Teamwork, und Warner Bros. habe deutlich gemacht, dass man nicht länger demselben Team angehöre. Gleichwohl hält Villeneuve Streamingdienste nicht für grundsätzlich schlecht, im Gegenteil: Sie seien eine positive und mächtige Ergänzung der Film- und TV-Ökosysteme. Doch er wolle, dass die Zuschauer verstehen, dass Streaming allein die Filmindustrie, wie wir sie vor COVID gekannt haben, nicht erhalten könne. Streaming könne großartigen Content hervorbringen, aber keine Filme von Dune-Ausmaßen. Die Entscheidung von Warner Bros. bedeute, dass Dune keine Chance haben werde, auf finanziell rentable Weise zu performen, und dass die Piraterie letztlich triumphieren werde. Warner Bros. könnte gerade das Dune-Franchise gekillt haben, bringt Villeneuve es auf den Punkt.
Tatsächlich hatte er sich mit dem Studio darauf verständigt, seine Adaption von Frank Herberts epischer Romanvorlage splitten zu dürfen, um sie in zwei Teilen zu erzählen. Der Film, den wir ab dem 30. September 2021 zu sehen bekommen, ist folglich nur die halbe Geschichte. Villeneuve sollte sogar die Spin-off-Serie Dune - The Sisterhood für HBO Max beaufsichtigen, die als eine Art Prequel fungiert - es ist also nicht so, als hätte er den Streamingdienst vollständig ignoriert. Dune sei bei weitem der beste Film, den er je gemacht habe, fährt er fort. Zusammen mit seinem Team habe er ihm über drei Jahre seines Lebens gewidmet, um ihn zu einem einzigartigen Erlebnis auf der großen Leinwand zu machen. Bild und Ton des Films seien akribisch dafür ausgelegt worden, im Kino gesehen zu haben. Er spreche da in seinem eigenen Namen, zeige sich aber solidarisch mit den 16 anderen Filmemachern, denen jetzt das gleiche Schicksal blühe. Sie sollen wissen, dass er ihnen zur Seite stehe - zusammen seien sie stark, erklärt Villeneuve. Die Künstler seien diejenigen, die Filme und Serien erschaffen.
Seine Schlussworte könnten glatt von Nolan stammen: Er sei fest davon überzeugt, dass die Zukunft des Kinos auf der großen Leinwand liege, ganz gleich, was irgendein Wall-Street-Stümper sage. Seit Anbeginn der Zeit haben die Menschen gemeinschaftliche Storytelling-Erlebnisse zutiefst gebraucht. Kino auf der großen Leinwand sei mehr als ein Business. Es sei eine Kunstform, die Leute zusammenführe, Menschlichkeit zelebriere, unsere Empathie füreinander stärke - eine der allerletzten künstlerischen, persönlichen Kollektiverfahrungen, die wir als Menschen haben. Sobald die Pandemie vorüber sei, werden die Kinos wieder voller Filmliebhaber sein, da ist sich Villeneuve sicher. Nicht weil die Filmindustrie es brauche, sondern weil wir Menschen Kinos brauchen, als ein kollektives Erlebnis.