Nur noch fünf Wochen trennen uns vom wackligen Tenet-Kinostart, und noch immer kann - oder darf? - uns keiner sagen, worum es in Christopher Nolans neuestem Mindfuck-Streifen eigentlich geht. Am allerwenigsten seine Darsteller. Nachdem schon John David Washington und Robert Pattinson ihre (angebliche) Verwirrung zum Ausdruck gebracht haben, ist jetzt Kenneth Branagh, der mit Nolan bereits bei Dunkirk zusammengearbeitet hat, an der Reihe.
Ohne Witz, er habe dieses Drehbuch öfter gelesen als alles andere, an dem er je gearbeitet habe, erzählte er Total Film. Es sei so gewesen, als versuche man jeden Tag, das Kreuzworträtsel der Times zu lösen. Abgesehen davon, dass der Film und das Drehbuch nicht voraussetzen, dass man ein Experte sei. In den Trailern wirkt Branagh, dessen Charakter die "Zeitinversion" (was auch immer wir uns darunter vorzustellen haben) zu beherrschen scheint, mit seinem russischen Akzent und seinem zwielichtigen Auftreten wie der Antagonist des Films, aber man sollte da wohl nicht vorschnell urteilen.
Nolan erfinde das Rad hier in gewissem Maße neu. Viele Leute fangen an, sich erwartungsgemäß auf Washingtons Charakter - den namenlosen Protagonisten von Tenet - einzulassen, daher könnte man annehmen, dass er selbst ein Antagonist sei, räumt Branagh ein. Doch die Geschichte verlaufe nicht ganz so, wie man erwarten könnte, dass sie sich abspiele. Nolan drehe unsere Erwartungen, was der Charakter sein sollte, immer wieder um und spiele damit. Deswegen habe er auch andauernd mit Nolan über seinen Charakter gesprochen, denn dessen Entwicklung sei nicht festgelegt gewesen, so Branagh. Es sei eine Reihe ständiger Überraschungen gewesen.
Keine Überraschung ist, dass Branagh wieder William Shakespeare im Kopf hat, den er kürzlich in seiner eigenen Regiearbeit All Is True gespielt hat. Er habe viel Zeit damit zugebracht, über eine animierte Shakespeare-Adaption nachzudenken, verriet er Collider. Aber er warte immer auf den Moment, wenn der Wunsch zu einem absolut hartnäckigen Bedürfnis werde. "König Lear" reize ihn schon eine ganze Weile, und als er Artemis Fowl gemacht habe, sei ihm als naheliegende Option für einen Shakespeare-Animationsfilm häufig "Ein Sommernachtstraum" in den Sinn gekommen, einfach deshalb, weil der Einsatz von Magie in diesem Stück solch eine fantastische Einladung für die menschliche Fantasie sei. Sein nächstes Projekt soll aber ein kleiner, persönlicher und von ihm selbst geschriebener Film sein, "direkt aus seinen Eingeweiden". Noch arbeitet Branagh an seiner Verfilmung von Agatha Christies Tod auf dem Nil und Mord im Orient Express-Fortsetzung.