Gleich vorweg: Wir kennen die Thor-Comics nicht. Wir kennen Thor aus nordischen Erzählungen und wissen, dass er sich in Walhalla wie Christopher Lee anhört. Dennoch haben wir uns sehr auf die MARVEL-Verfilmung gefreut und waren durch die Trailer bereits recht gespannt auf Kenneth Branaghs Version.
Wir befinden uns im US-amerikanischen Niemandsland, wo drei Wissenschaftler (Natalie Portman, Stellan Skarsgård und Kat Dennings) Forschung betreiben. Plötzlich erleben die Drei eine Himmelserscheinung und wie aus dem Nichts knallt ihnen ein junger Kerl vors Gefährt. Schnitt. Asgard. Der junge, aber äußerst selbstverliebte Thor soll die Königsweihe erhalten, doch verfeindete Frostriesen stören das Zeremoniell. Während Odin, Thors Vater, bedachtsam im Konflikt vorgehen will, entschließt der aufbrausende Sohnemann, mit seinen Götterfreunden die Sache auf seine Art zu regeln - und Diplomatie gehört nicht zu seinem üblichen Wortschatz. Jedoch ist Thor mit seiner Strategie nicht erfolgreich und so wird er von seinem Vater drastisch für seine Kopflosigkeit bestraft: Verbannt auf die Erde, getrennt von seinem mächtigen Hammer Mjölnir, soll der Thronanwärter lernen, was es heißt, den Kopf einzuschalten und zukünftig bedachter vorzugehen. Anfangs noch voller Zorn, freundet sich Thor auf der Erde schnell mit den drei Wissenschaftlern, die ihn fanden, an, und besonders Jane Foster (Portman) hat es ihm angetan. Doch auch eine geheime Organisation hat seine Spur gewittert - die weitaus größere Gefahr wartet jedoch hinter den Wolkenbergen. Denn wenn der Thronfolger weit weg ist, ist der Weg frei für Intrigen in Asgard - und Loki ist ein Fachmann, was so was angeht...
Als Comicverfilmung dürfte Thor nur die wenigsten Zuschauer täuschen, die eventuell einen reinen Film über die nordische Mythologie erwarten. Zahlreiche Anleihen sind vorhanden, aber schlussendlich ist es Erfinder Stan Lee und Regisseur Kenneth Branagh gelungen, etwas Eigenes zu schaffen. Dabei distanziert sich der Film zudem deutlich von seiner Vorlage und nimmt nur Anleihen, diese aber in äußerst beschwingter und sehr spaßiger Manier. Die Witzdichte in Thor ist recht hoch und auch wenn Sidekick Kat Dennings gegen Natalie Portman etwas verliert, verleiht sie dem Film den richtigen Spruch zur richtigen Zeit. Stellan Skarsgård wirkt dagegen anfangs regelrecht schüchtern, doch taut der Charaktermime bald auf. Mit Hauptdarsteller Chris Hemsworth ist zudem ein wirklich überzeugender Thor gefunden worden - und wir reden nicht von der Szene, als er als neuer Erdenbürger erstmal lernen muss, was ein Shirt ist (Jungs, nehmt eure Mädels mit ins Kino!). Hemsworth spielt den aufbrausenden Donnergott, der seinen Hammer nur allzu gern schwingt, überzeugend und ist dennoch kein Unsympath. Wie die stürmische Jugend eben ist, dreist und dennoch lernfähig. Nicht zu vergessen Anthony Hopkins, der einen souveränen Göttervater abgibt, doch besonders sein anderer Sohn, Loki, wird von einem äußerst fähigen Tom Hiddleston gespielt, der als Zweitgeborener immer ein Stück mehr um Anerkennung kämpfen muss.
Um Thor zu verstehen, muss man nicht wissen, wie die Götterwelt in Asgard funktioniert. Die Geschichte an sich - ein urtümlicher Gott landet im Zeitalter von Facebook - ist schon schräg genug und von Kenneth Branagh mit allerlei Firlefanz, glänzenden Thronsälen und beeindruckenden 3D-Effekten umgesetzt. Dabei fällt der Gegensatz zwischen dem sphärischen und recht modern wirkenden Asgard zum recht hinterwäldlerischen US-amerikanischen Örtchen, wohin es Thor verschlägt, umso deutlicher auf. So müssen sich Götter also die olle Erde vorstellen, denn eine Ehre war es tatsächlich nicht, als Odin seinen Sohn dorthin auf unbestimmte Zeit verbannte. Thor hebt sich dabei erfrischend wie schon Iron Man von düsteren Comicverfilmungen wie Nolans Batman ab - die selbstredend auch ihre Berechtigung haben und tolle Visionen sind -, aber eben auch von unruhigen, rastlosen Zeitgenossen erzählen. Zwar hat auch Thor noch einige Aufgaben zu bewältigen, aber es ist fast ein wenig erholsam, diesen bunten Mustermix im Kino zu erleben (an dieser Stelle sei auch Idris Elba als Torwächter Heimdall lobend erwähnt), der neben actionreichen Momenten mit vielen amüsanten Szenen punktet. Selbstredend gibt es auch wieder mehrere Hinweise auf andere MARVEL-Filme sowie Cameos (ohne zuviel verraten zu wollen) und alle The Avengers-Jünger sollten den Abspann abwarten.
Bei Thor hat man nach langer Zeit auch mal wieder das Gefühl, dass 3D zum Erlebnis wird. Ohne Frage würde der Film ohne den Schnickschnack funktionieren, aber die Sprünge zwischen Asgard und unserer Erde, diverse Kampfsequenzen und andere Szenen wirken noch greifbarer und schaffen ein tolles Popcorn-Erlebnis. Schlussendlich bewies MARVEL auch Mut, handelt es sich bei Thor mit um die komplizierteste Comic-Verfilmung: Am weitesten von der Realität entfernt und im Bereich des Mystischen und nicht nur technisch Hochentwickelten. Vielleicht ist der Film damit etwas schwerer zu schlucken als der doch recht bodenständige Iron Man, dennoch sieht es so aus, als dass MARVEL der Spagat zwischen den einzelnen Filmen und der Verschmelzung in The Avengers gelingt. Wir vergeben satte 4 von 5 Hüten.
Der Thor Filmstart ist am 28. April.