Bewertung: 4.5 / 5
Kurz vorweg...ich habe den Film eigentlich nur aus einem Grund geschaut - und zwar weil er in der Top-5 2018 - Liste von eli4s gelandet ist. Wenn der Film auf seiner ohnehin schon sehr stark selektierten Liste unter den Top 3 zu finden ist, kann der nicht verkehrt sein, so mein Gedanke. Da musste ich einfach einen Blick riskieren. Vorab schon mal ein "Dankeschön" für die indirekte Empfehlung, da mir sonst eine deutsche Filmperle entgangen wäre. Nachfolgend ein kleines Plädoyer für diesen Film, dass ursprünglich nur ein zu lang geratener Kommentar war...
Inhalt
Trailer zu 303
Der Film erzählt die Geschichte der beiden Mittzwanziger Jule (Mala Emde) und Jan (Anton Spieker), die sich unabhängig voneinander auf eine persönliche - im wahrsten Sinne des Wortes - Reise begeben und dabei zufällig aufeinander treffen. Aufgrund verschiedener Umstände setzen sie ihre Reise, die sie durch halb Europa führt, anschließend gemeinsam fort, nicht wissend, was dieses Zusammentreffen für weitreichende Folgen auf ihrer beider Leben haben wird...
Kritik
303 war mir bis zur oben erwähnten Topliste vollkommen unbekannt gewesen, ich hatte vorher nichts weiter über ihn gehört oder gelesen. Zuerst war ich etwas überrascht ob der für dieses Genre sehr langen Laufzeit, aber ich habe ihn dann einfach mal aus der Laune heraus gestern Abend angemacht und - so viel sei vorweggenommen - er hat mich wirklich umgehauen. Zugegeben, ich brauchte ein wenig Zeit um mich auf die Art und Weise wie er gefilmt und gespielt ist einzulassen - anfangs dachte ich es ist doch wieder nur so ein typisches deutsches Möchtegern-Rebellisches-Aussteiger-Roadmovie-Drama mit zwei Gegensätzen, die sich dann doch irgendwann anziehen, aufgebläht auf 2 1/2 Stunden - aber das war ein Riesenirrtum.
Regisseur Hans Weingartner (Die fetten Jahre sind vorbei) nutzt die lange Laufzeit unheimlich gut und zieht einen so intensiv in die Geschichte der beiden Hauptfiguren, dass ich mich nach dem Film erstmal wieder geistig in mein Leben zurücksortieren musste, so sehr war ich emotional Teil der Reise der Beiden. Das Darsteller-Duo spielt hier so natürlich als hätte der Kameramann sie tatsächlich spontan auf ihrer Reise mit der Kamera begleitet. Die Dialoge wirken nahezu komplett improvisiert, obwohl sie - ganz im Gegenteil - auf jahrelange intensive Drehbuchentwicklung zurückzuführen sind. Dabei werden hier unheimlich viele (gesellschaftliche/philosophische/zeitaktuelle) Themen sehr klug und sehr feinfühlig abgehandelt und das so unprätentiös, dass man sie aufsaugt wie einen Schwamm ohne das Gefühl zu haben gerade lebenspsychologisch belehrt zu werden. Auch die Musik und die eingestreuten Landschaftsaufnahmen sind wahnsinnig schön, aber niemals nur zum Selbstzweck inszeniert, sondern immer der Intensivierung der Geschichte dienend, eingestreut. Der Soundtrack wurde komponiert und zusammengestellt vom deutschen Komponisten Michael Regner, für den es erst die zweite Kinoarbeit darstellt und ist einer der schönsten und bewegendsten, den ich seit langem gehört habe.
Weingartner hat ca.12 Jahre am Drehbuch zu diesem Film gearbeitet und sich seit seiner Produktionsassistentenzeit am Set von Before Sunrise von Richard Linklater - von dem er u.a. inspiriert wurde - mit der Erarbeitung der Charaktere und den behandelten Themen beschäftigt und das merkt man dem Film jederzeit an. Jede Entscheidung der FIguren, jeder Szenenwechsel und jede Entwicklung der Geschichte erscheinen einem völlig logisch, weil der Film sich die ausreichende Zeit nimmt darauf hinzuarbeiten. Diese intensive emotionale Bindung des Zuschauers hätte niemals in einem 90 minütigen Film aufgebaut werden können. Jule und Jan kommen einem irgendwann so vertraut vor, dass man nicht mehr das Gefühl hat das man dort zwei Filmcharaktere vor sich hat, sondern zwei echte reale Menschen, deren persönliche Geschichte man gerade nahezu dokumentarisch begleitet. Was dem Film außerdem eine starke Authentizität verleiht, ist die Tatsache, dass das Filmteam die Reise der beiden Protagonisten tatsächlich angetreten hat und damit an Originalschausplätzen gedreht wurde, was auch beinhaltet, das unter anderem die vor Ort lebenden Menschen miteinbezogen wurden. So sind z.B. die kurzen Gespräche mit Verkäufern auf einem Marktplatz spontan entstanden und wurden für den FIlm verwendet. Der Film hat außerdem einen leicht autobiografischen Charakter, da sich die Grundidee, zwei Menschen brechen zu einem Roadtrip auf, auf Weingartners eigene Erfahrungen während des Drehs zu seinem Film Das weisse Rauschen zurückfühen lässt. Darauf bezieht sich im Übrigen auch der etwas kryptische Filmtitel - der bezieht sich nämlich auf das Reise-Omnibus-Modell Mercedes-Benz O 303, dass im Film selbst allerdings gar keine Verwendung findet.
Ich könnte noch stundenlang weiterschwärmen, aber man sollte diesem Film einfach eine Chance geben und sich auf ihn einlassen, er hat es verdient!
Fazit
303 - ist ein wunderbar - echter - Film geworden, der seinen Protagonisten und ihrer Entwicklung ausreichend Zeit zur Entfaltung gibt und dabei komplett auf effekthascherisch-aufgebauschte Elemente verzichtet. Alles was hier passiert, dient der Geschichte und der Entwicklung der Figuren. Sehr intensiv gespielt von zwei aufstrebenden Jungschauspielerin. DAS ist großes Gefühlskino! Echt, ehrlich, natürlich! Kein Vergleich zu den teilweise pseudo-melodramatischen Hollywood Liebesdramen mit Dialogen aus dem Holzhammer-Phrasen-Automaten. Auch wenn man - wie ich - vorwiegend keine große Affinität zum deutschen Film hat, sollte man hier mal über seinen Schatten springen und eine Ausnahmen machen. Sollte man gesehen haben!
Klare Empfehlung!
Bewertung:
9 von 10 Hüten!
 
                        
 
             
            
 
            
 
             
                 
                
