Bewertung: 4 / 5
Dies liegt auch daran, dass trotz der opulenten Laufzeit von 164 Minuten Jackson nicht die Zeit hat, jeder Figur eine ordentliche Charakterzeichnung zu verpassen. Natürlich haben Bilbo und Thorin genug Momente, doch viele der Zwerge gehen einfach in der Masse unter. Zwar gibt es noch genug Zeit in den Folgefilmen, auch den anderen Zwergen ihren ganz besonderen Moment zu schenken, doch dies ist auch bitter nötig, damit sich die dramatischen Ereignisse im großen Finale wirklich emotional entfalten können und Thorin ganz wie Aragorn seinerzeit an seiner Aufgabe wachsen kann. Dies spricht dann doch für die sehr umstrittene Dreiteilung des Buches.
Ein ganz besonderes Reizthema. Wie kann ein einfaches Kinderbuch in drei Filme aufgeteilt werden, wo doch auch der deutlich umfangreichere Ringkrieg nur drei Filme erhalten hat? Vom Umfang war Tolkiens Hobbit in etwa mit einem Roman aus Der Herr der Ringe gleichzusetzen. Die Seitenanzahl sagt aber wenig über den tatsächlichen Inhalt eines Buches aus. Vor allem der Vergleich zwischen Hobbit und Herr der Ringe könnte komplizierter nicht sein. Vor 11 Jahren war es eine Mammutaufgabe, die Trilogie umzusetzen, doch Jackson hatte einen Vorteil: Der Roman war zwar umfangreich, aber Tolkien ergoss sich in Beschreibungen und Dialogen, die Jackson teils nur 1:1 übernehmen musste. Bei der neuen Trilogie hatte Jackson nun ein Kinderbuch vorliegen, das textuell ganz anders daherkommt. Abenteuer, die sich im Ringkrieg über mehrere Kapitel ziehen konnten, wickelt Tolkien nicht selten als Randnotiz ab oder komprimiert alles auf wenige Seiten. Hinzu kommen Querverweise über Gandalfs Abenteuer, die im Roman nur kurz tangiert werden und erst durch die Anhänge von Tolkien die Brücke zu Der Herr der Ringe schlagen. Es gibt somit durchaus genug Material für mehr als einen Film, doch erst Mitte 2012 rang sich Peter Jackson für drei Filme durch.
Trailer zu Der Hobbit - Eine unerwartete Reise
Dies bringt nun einige Probleme mit sich, die schon einen Unterschied zu Der Herr der Ringe darstellen. Boten Die Gefährten, Die Zwei Türme und Die Rückkehr des Königs als einzelne Romane jeweils einen Spannungsbogen, mussten diese für drei Filme beim Hobbit erst erzeugt werden. Ursprünglich sollte Der Hobbit - Eine unerwartete Reise erst mit der Flucht aus dem Düsterwald enden, nun wird schon kurz nach dem Nebelgebirge der Schnitt gemacht. Der Vorteil ist, der Film wäre mit dem geplanten Originalende entweder total gehetzt gewesen oder hätte die 3-Stunden-Marke gewaltig gesprengt. Der Nachteil ist, dem Film fehlt das besondere Alleinstellungsmerkmal. Die kleine Schar wird von einem Abenteuer ins nächste gespült und versucht dabei, von A nach B zu kommen. Die strukturellen Ähnlichkeiten zu Der Herr der Ringe - Die Gefährten sind zu gewaltig, als dass sie wegdiskutiert werden können. Bilbos Abenteuerauftakt ist bis auf Nuancen so nur eine Kopie von Frodos deutlich größerem Abenteuer. Aus diesem Trott wird der Zuschauer nur durch einige Sequenzen herausgerissen, vor allem, wenn sich Bilbo mit Gollum (Andy Serkis) ein Rätselspiel in einer Höhle liefert. Erst Der Hobbit - The Desolation of Smaug wird in einem Jahr beweisen können, wie sehr sich das neue Hobbit-Abenteuer vom Ringkrieg unterscheidet und ob Jackson mit seiner Dreiteilung die richtige Entscheidung getroffen hat. Der erste Film als Gradmesser ist nicht tauglich, da auch Tolkiens Roman in der ersten Hälfte mit Schwächen zu kämpfen hatte.
Es ist bald 20 Jahre her, dass wir zum ersten Mal den Roman gelesen haben und kurz darauf auch die Ringsaga. Seit dieser Zeit wurde jedes Buch fast ein Dutzend Mal gelesen und wir würden uns ohne Weiteres als Buchpuristen bezeichnen. Mal mehr, mal weniger argwöhnisch hatten wir daher vor 11 Jahren jede Änderung verfolgt, die Jackson bei Frodos Abenteuer vollzog. Manche Szene wurde durch ihn aufgewertet, so manche filmische Änderung konnte nur verteufelt werden. Dabei zeigte sich, Peter Jackson ist de facto kein großartiger Regisseur, den viele aus ihm machen. Je dichter er an der Vorlage dran ist, desto besser ist oft die Inszenierung. Zugedichtete Szenen sorgten dagegen nicht selten für Unmut wegen ihrer holperigen Darstellung. Doch trotz dieses Mangels besitzt Jackson damals wie heute etwas, was vielen Regisseuren fehlt und dafür sorgt, dass ihm so mancher Makel gerne verziehen wird: Jackson besitzt Leidenschaft, die in jeder Szene zu spüren ist. Diese macht Mittelerde lebendig und gerade bei Der Hobbit - Eine unerwartete Reise ist diese Leidenschaft relevant. Durch Tolkiens Schreibweise und kindliche Ausrichtung der Romanvorlage musste Jackson dieses Mal deutlich mehr eigene Szenen entwickeln. Auch inhaltliche Unterschiede wie sprechende Warge, Adler oder Trolle mussten erst umschifft werden und die buntgekleideten Zwerge des Romans wichen einer uns vertrauten Optik.