Bewertung: 2.5 / 5
Circa die ersten 120 Minuten, in denen sich der Film dem erneuten Zusammentreffen der nun erwachsenen Verlierer und ihren Soloabenteuern in Derry widmet, haben mir wider Erwarten im Großen und Ganzen doch ganz gut gefallen.
Im Gegensatz zu Teil 1 fokussiert sich Teil 2 nicht nur auf einen Handlungsstrang, stattdessen werden die Kindheits- und die Erwachsenenhandlungsstränge wie im Roman parallel und sich überschneidend erzählt, was mehrere Vorteile mit sich bringt. Die Kinder-Charaktere werden näher und tiefer beleuchtet, was nach Teil 1 dringend nötig war, und man erhält ein besseres Gefühl für die Größe und Tragweite der Handlung. Zudem kann der Film so präziser auf die Veränderungen nach 27 Jahren im Bezug auf Derry und die Charaktere eingehen, insbesondere das nostalgische Zusammentreffen im Restaurant wurde hervorragend adaptiert.
Trailer zu Es - Kapitel 2
Ansonsten beinhaltet "Es - Teil 2" mehrere hochwertige, Charakter- und Gesellschafts-bezogene Horrorszenen und verlässt sich glücklicherweise nicht nur auf die weiterhin reichlich vertretenen Jumpscares. Das Intro mit dem Schwulenpärchen wurde 1:1 aus dem Roman übernommen (eine der besten Romanexpositionen, die ich kenne) und verliert daher nichts von seiner grauenerregenden und schockierenden Wirkung. Pennywise und das Mädchen während des Baseballspiels, Pennywise verstellt sich hier als trauriger, depressiver Clown, der darunter leidet, dass die Menschen ihn nicht lustig finden. Er weicht also von seiner üblichen Masche ab, ihm wird eine neue Facette hinzugefügt, der Film evoziert fast schon Mitleid und Sympathien für ihn, theoretisch hätte das auch eine Szene aus "Joker" sein können^^ Die Glückkeks-Szene, welche Stans Schicksal als wortwörtliche Horrornachricht verhandelt, und die Buried-Drowned-Szene, welche das Band zwischen Ben und Bev verstärkt. Richies Soloabenteuer über seine verheimlichte Homosexualität (eine Erfindung des Films), die ein gefundenes Fressen für Es darstellt und der sich Es z.B. mit einer ziemlich komischen Gesangseinlage widmet.
Das Casting von Bill Hader als Richie Tozier stellt sich als größter Trumpf des Films heraus, die humoristischen und dramatischen Charakterzüge Ritchies vereint er perfekt, sein Spiel ist das Glaubwürdigste von allen. Des Weiteren gefielen mir noch Isaiah Mustafa als Mike Hanlon und abermals Bill Skarsgard als Pennywise, auch wenn er hier aufgrund seiner kleineren Rolle nicht mehr ganz so gut zur Geltung kommt wie noch in Teil 1. Das krasse Gegenteil von Bill Hader als Richie, James Ransone als Eddie Kaspbrak, ein vollkommen missratener und nerviger Charakter, Ransone overacted sich durch den gesamten Film. Jay Ryan als Ben Hanscom ist nicht mehr als ein 08/15 Handsome Guy, Schauspiel würde ich das nicht wirklich nennen, James McAvoy und Jessica Chastain spielen ok, bleiben aber dennoch austauschbar. Schon erstaunlich, wenn man sich überlegt, dass die beiden den Hauptcast bilden und theoretisch alle anderen locker an die Wand spielen könnten.
Ursprünglich dachte ich, dass ich wie in Teil 1 mit der Horrorinszenierung die meisten Probleme haben würde, hier betrifft das allerdings die Humornutzung. Teil 2 ist weniger ein Horrorfilm, er kommt mehr einer Horrorkomödie gleich, es werden viel zu viele Witze eingebaut, welche dann diverse Horror- und Dramaelemente untergraben. Am schlimmsten fallen da meiner Meinung nach die ständigen Metajokes aus, im speziellen über das "schlechte" Romanende von "Es" und im Allgemeinen über Stephen Kings "Unfähigkeit", gute Romanenden zu schreiben. Aus meiner Sicht absoluter Unsinn.
Nichtsdestotrotz empfand ich ca. die ersten 120 Minuten wie oben erwähnt insgesamt als positiv, das Finale fällt dagegen jedoch ziemlich schwach aus. Dem Film gelingt es hier zu keiner Zeit, vernünftig zu vermitteln, was er eigentlich aussagen möchte. Das Licht soll die wahre Gestalt von Es sein, dieses Licht schwebt aber lediglich in der Luft, während Es weiterhin als Clown herumläuft. Dann soll sich jede Gestalt an ihre natürlichen Regeln halten müssen, was bedeutet, dass Es schon in Teil 1 hätte sterben müssen, als es in der Gestalt eines Clowns von den Kindern mit Metallstangen durchbohrt wurde. Der freundschaftliche Zusammenhalt, wie er in beiden Filmen als positive Kraft dargestellt wird, scheint am Ende überhaupt keine Rolle mehr zu spielen, da die Verlierer Es besiegen, gerade weil sich Stanley umbrachte. Was zum Teufel?
Darüberhinaus wirkte dieses im Vergleich mit dem Roman abgewandelte, indianische Ritual eher peinlich und unfreiwillig komisch, da hätte man meiner Meinung nach einen anderen Weg einschlagen sollen. Zudem fand ich es als Buchkenner amüsant, dass Es im Finale teilweise die Gestalt eines Mischwesens aus Riesenspinne und Clown annimmt. Man hat sich wohl nicht getraut, Es wie im Roman tatsächlich als Riesenspinne zu charakterisieren, wollte es aber dennoch einbauen, also entschied man sich für dieses merkwürdige Mischwesen.
Fazit: Da hatte man mit einer epischen Laufzeit von 5 - 6,5 Stunden - unter anderen Umständen würde man das als Miniserie veröffentlichen - schon die Möglichkeit, den Roman im Detail und vernünftig zu adaptieren, und es gelingt trotzdem nicht. Anstatt wirklich tiefschürfenden Horror zu erschaffen, orientieren sich die Macher an aktuellen Sehgewohnheiten, in Teil 1 der James-Wan-artige Jumpscare-Horror und in Teil 2 die MCU-artige Komödie. Zwar lassen sich definitiv gute Inhaltsansätze sowie gelungene Abschnitte finden und als kurzlebige Unterhaltung für zwischendurch taugt der Zweiteiler sicherlich, mehr hat dieses Muschietti-Werk für mich aber leider nicht zu bieten.