Bewertung: 4.5 / 5
Rose und Chris sind ein gemischtrassiges Paar, sie weiß, er schwarz. Beide machen sich zu einem Wochenende bei ihren Eltern auf. Wäre die Situation für Chris nicht sowieso schon aufregend genug, wissen Roses Eltern zu allem Übel nicht, dass er schwarz ist. Wie werden sie auf ihn reagieren? Herzlich, wie sich herausstellt und so scheinen Chris Ängste zunächst unbegründet. Doch hinter der gutbürgerlichen Fassade verbergen sich Abgründe, denen Chris droht zum Opfer zu werden...
Vom Horrorspezialisten Jason Blum und seinem Blumhouse Studio produziert, präsentiert Regisseur Jordan Peele mit „Get Out“ sein Erstlingswerk, das sich umgehend zu einem kleinen Überraschungshit gemausert hat. Einerseits lässt sich das dadurch erklären, dass Peele genau den Zeitgeist getroffen hat Andererseits lässt das alleine einen Film aber nicht automatisch zum Erfolg werden. Vielmehr handelt es sich bei „Get Out“ um einen clever inszenierten Film, der durch seine geschickte Mischung aus Horror und Humor zu überzeugen weiß.
Trailer zu Get Out
Peele schafft das, indem er geschickt die zunächst liberal erscheinenden Charaktere mit ihren eigenen Aussagen demaskiert. Die Faszination mit schwarzen Sportlern wird einfach zu einer anderen Art von Rassismus, der Schwarze wird an jeder Ecke auf seinen Körper reduziert, zum Objekt gemacht. Roses Familie behandelt Chris, als wäre Chris anders, Chris weiß, dass sie es tut, aber keiner will es aussprechen. Stattdessen werden Fassaden aufrecht erhalten, bis es nicht mehr anders geht. Chris bleibt nichts anderes übrig, als unangenehme Unterhaltungen mit einem Grinsen und einem „ich verstehe schon“ abzunicken. Und so wartet der Zuschauer nur darauf, dass die Stimmung umschlägt, dass das Unausweichliche passiert und die Situation sich zum Schlechten wendet. Und wenn sie es tut? Dann auf eine Art und Weise, die kaum vorhersehbar, ja absolut wahnsinnig ist.
Weiterhin ist der Film geschickt mit Anspielungen auf andere Filme gespickt, die den Subtext offenlegen. Da wird an das Banjo Kid aus „Beim Sterben ist jeder der Erste“ erinnert, als wollte Peele sagen, dass die weißen Vorstädter sich zwar zivilisierter geben, aber letztendlich nicht anders sind als x-beliebige Rednecks. Aber auch Kubricks „Uhrwerk Orange“ wird referenziert, denn in beiden Filmen geht es um den Sieg der eigenen Persönlichkeit gegen Systeme, die einen umerziehen wollen (so in „Uhrwerk Orange“) bzw. die einem die eigene Persönlichkeit nehmen (hier). Dies geschieht aber so subtil, dass „Get Out“ auch ohne ein Erkennen dieser Anspielungen klar verständlich bleibt, sie also nicht zur Krücke werden. Sie bereichern das Filmerlebnis, sie sind jedoch keine Voraussetzung für den Genuss.
Wer jetzt aber eine Schwere vermutet, die einem mit dem Holzhammer die Moral in den Kopf prügelt, liegt falsch. Die Macher verstehen es, Humor auf organische Weise aus der Handlung zu kitzeln, und damit dem Film eine gewisse Leichtfüßigkeit zu verleihen. Dabei wird der Humor stellenweise zwar sehr breit, aber nie auf eine Art und Weise, die die Bedrohlichkeit der Situation untergraben würde. Vielmehr erkennt Peele, dass ein Kontrast zum Horror diesen erhöht, dass gelegentliche Verschnaufpausen dem Publikum die Gelegenheit geben, die Schwere wirklich aufzusaugen.
Es fiele nun leicht, „Get Out“ als Kommentar auf Trumps Amerika zu lesen. Damit würde man aber zu kurz greifen, denn es geht um tiefer greifende Probleme, um institutionelle Ungerechtigkeiten, um den Alltagsrassismus, dem auch scheinbar liberale Bürger zum Opfer fallen, um die Ausschlachtung der schwarzen Kultur, kurz: darum, dass die amerikanische Gesellschaft sich nach der Bürgerrechtsbewegung nur geringfügig weiterentwickelt hat. Und das ist wirklich beängstigend.