Bewertung: 4 / 5
Den Godzilla aus dem Jahr 1954 würde ich gerne als Remake mit Mitteln der heutigen Technik sehen. Und nein, damit meine ich nicht das Remake von 2014, sondern diesen Film 1:1 übernommen!
- Man könnte somit die Geschwindigkeit des Films im Allgemeinen und die Geschwindigkeit Godzillas im Speziellen erhöhen, um der Langatmigkeit in vielen Szenen entgegenzuwirken. Hier ist ein Vergleich mit dem Fussballsport sehr passend. Wenn man an den Fussball der heutigen Zeit gewöhnt ist und sich dann ein Spiel aus den 50ern bis 70ern anschaut, stellt man verwundert fest, wie langsam die Mannschaften damals doch gespielt haben. So verhält es sich auch in diesem Godzilla-Film. Verstärkt wirkt sich das zum Einen auf die reinen Dialogszenen ohne Musikuntermalung aus, zum Anderen auch auf Godzilla selbst. Ein Monster, das sich träge wie eine Schnecke bewegt, trägt nunmal nur bedingt zum Spannungsaufbau bei.
- Man könnte Godzillas Design realistischer darstellen. Mir ist dank MD02GEIST die Verbundenheit mit der japanischen Tradition natürlich bewusst, hier geht es mir jedoch um die Atmosphäre und Bedrohung durch Godzilla. Beispiele: Wenn der Gummianzug beim Laufen Falten wirft, wenn die Zehen beim Laufen nicht den Boden berühren, wenn die Rückenzacken beim Kontakt mit den Stromkabeln einfach umknicken, dann ist das einer bedrohlichen Atmosphäre nicht grade zuträglich.
- Man wäre als Zuschauer nicht der deutschen Schnittpolitik sowie einer äußerst hölzernen und altbackenen Synchronisation ausgesetzt. Die deutsche Version ist 15 Minuten kürzer als das Original und die erweiteren Szenen wurden nicht ins Deutsche übersetzt. Der Film wechselt also zwangsläufig zwischen der deutschen und japanischen Sprache. An dieser Stelle könnte man sich jetzt fragen: Warum Godzilla nicht im Original mit Untertiteln gucken? Da muss ich leider zugeben, dass es mir schwer fällt, die japanische Sprache im Zusammenhang mit dramatischen Szenen ernstzunehmen. Oft haben die Japaner den Hang, ihre Dialoge in einer überdramatisierten Tonlage zu führen und auf mich wirkt das nur unfreiweillig komisch. Aufgrund dessen ziehe ich hier eine Synchronisation vor.
Das sind meine drei großen Kritikpunkte, die man allerdings nicht dem Film zuschreiben kann, sondern sich auf das 61jährige Alter des Werks beziehen. Abseits davon ist Godzilla ein großartiger Film, ja geradzu phänomenal mit einer beeindruckenden, bedrückenden Bildgewalt und einer düsteren Musikuntermalung! Hier zeigt sich etwas, das ich bei dem Remake von 2014 nicht (oder zumindest nicht in dem Ausmaß) gespürt habe: eine direkte, anklagende Konfrontation mit der Zerstörung der Städte, mit dem Leid und Elend der menschlichen Opfer. Hatte es in Garreth Edwards Interpretation oft den Anschein eines nerdigen Fantasietraums, vermittelt Ishiro Hondas Inszenierung brutale Härte. Reihenweise Häuser, die in Flammen aufgehen. Stadtviertel, die komplett in Schutt und Asche liegen. Schreiende Kinder, die von ihrer sterbenden Mutter fortgezerrt werden. Menschen, die sich verzweifelt zum Gebet versammeln, auf der Suche nach einem Funken Hoffnung. Hier finden sich keine Momente für "Yeah"- oder "Cool"-Ausrufe, solche Sprüche bleiben auf halben Weg im Hals stecken. Stattdessen sitzt man staunend vor dem Bildschirm, versucht zu begreifen, der Lage Herr zu werden. Godzilla ist die Inkarnation des modernen Krieges - ein Krieg, der keine Zivilisten kennt.
Godzilla, das allumfassende Böse? Godzilla ist vielmehr der Stängel einer unwillkommenen Pflanze, die man mitsamt der Blüte herausreißt, dabei aber die Wurzel in der Erde unangetastet lässt. Eine Folge, nicht die Ursache. Godzilla ist ein Spiegel der menschlichen Überheblichkeit und zugleich eine Warnung. 1954 führten die USA mehrere Kernwaffentests durch und erweckten damit eine urzeitliche Kreatur in den Tiefen des Meeres. Manche Menschen behaupten, es komme an Land, um zu fressen. Andere behaupten, es suche nach einem neuen Platz zum Leben, nachdem es von den Kernwaffentests gestört wurde. Eines kann jedoch als unweigerliche Tatsache festgehalten werden: Die Kreatur lebt in einer unmittelbaren Verbindung zur Kernenergie. Ob diese Verbindung angeboren ist oder durch die Kernwaffentests der Menschen verursacht wurde, liegt im Bereich der Spekulation und wird wohl auf ewig ungeklärt blieben. Die Menscheit kann sich also nicht automatisch aus der Verantwortung ziehen und die Gefahr wird nicht gebannt, wenn man den Stängel mit der Blüte herausreißt.
"Wenn wir in maßloser Vermessenheit fortfahren, die Atomkraft zu missbrauchen, kann es sein, dass Schlimmeres geweckt wird. Kann es sein, dass größeres Unheil über uns hereinbricht als dieser Godzilla."
Allerdings ist nicht nur Godzilla ein Spiegel der menschlichen Überheblichkeit, es sind auch die Menschen selbst. Während Professor Yamane sich dafür einsetzt, an Godzilla die Geheimnisse des Lebens zu erforschen, sucht die Marine nach Möglichkeiten, Godzilla zu töten. Letztendlich findet sich die Lösung ausgerechnet in Dr. Serizawas Oxygen-Zerstörer, einer Waffe, mit der die gesamte Menschheit ausgelöscht werden könnte. Eine wissenschaftliche Meisterleistung, menschliches Totalversagen. Dr. Serizawa, der schon lange von Zweifeln geplagt war, zieht dabei jedoch einen irreversiblen Schlussstrich und setzt damit den Grundstein für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Um mit einem Zitat aus Frank Schätzings "Der Schwarm" zu schließen:
"...King Kong, der Weiße Hai - immer muss das mythische Ungeheuer sterben. Der Mensch, der ihm auf die Spur kommt, bestaunt und bewundert es, lässt sich von seiner Fremdartigkeit verzaubern und bringt es dann um. Wollen wir das wirklich?"
4/5 Hüte bzw. 8/10 Punkten