Bewertung: 4 / 5
2021 ist durch die ganze, uns momentan treibende Situation immer noch kein wirklich erhebendes Kinojahr, aber immerhin besser als das vergangene. Und daran hat unserer Meinung nach auch Altmeister Ridley Scott seinen Anteil, der vor einigen Wochen mit The Last Duel und nun mit dem lebensechten Thriller House of Gucci aufwartet. Ein großer Name hinter der Kamera erfordert große Namen davor, und auch wenn die Buchadaption bei Familie Gucci nicht auf Gegenliebe stößt, ist es für uns ordinäres Kinovolk ein umtriebig-unterhaltsamer Blick in das dekadente Haifischbecken der Clans und Superreichen.
House of Gucci Kritik
Als der Gucci-Erbe Maurizio (Adam Driver) Patrizia Reggiani (Lady Gaga) in den 1970ern kennenlernt, entspinnt sich eine romantische Liaison, die trotz Rodolfo Guccis (Jeremy Irons) mahnender Stimme in einer Hochzeit endet. Ist "niederes" Volk nicht immer bloß hinter dem großen Namen und Reichtum her? Doch Maurizio hört nicht auf seinen Vater und so beginnt Patrizia - nicht ganz zu Unrecht - das Management der mit den Jahren altbacken gewordenen Marke zu kritisieren. Ihr Wille, eine Gucci zu sein, ist immens, doch stößt ihr unbedingter Drang nach Aufmerksamkeit und Veränderung an seine Grenzen...
Trailer zu House of Gucci
Ridley Scott ist trotz seines stolzen Alters von 83 Jahren ein Mann, der gerne nach links und rechts schaut, sich aber fern des Weltraums auch ganz weltlichen, vergangenen Themen widmet. Dazu zählt aktuell sein großartiges Ritter-Epos The Last Duel, das geplante Kitbag über Napoleon und nun ganz frisch House of Gucci, in dem es um den gleichnamigen Modekonzern geht und die familiären Irrungen und Wirrungen in den 70er bis 90er Jahren.
Der Film beruht dabei auf dem Roman "GUCCI: Mode, Mord und Business" von Sara Gay Forden, der 2001 veröffentlicht wurde und lange von Scott für eine Adaption ins Auge gefasst wurde. Dass die Familie Gucci "not amused" ist, dass dreckige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen wird, kann man sich leicht vorstellen, aber Scott ficht das nicht an.
Große Namen trommelte er dafür zusammen, und schauen wir uns das Ergebnis an, ist es gut, dass Scott seinen Weg gegangen ist. Darunter sind Al Pacino, Jeremy Irons, Adam Driver, Salma Hayek, Jared Leto und Lady Gaga. Überhaupt wirkt selbst die Besetzung wie ein familiäres Stelldichein: Nicht nur arbeitet Scott gerne öfters mit denselben Schauspielern zusammen, in diesem Fall sei Driver genannt, sondern ist Leto zudem bekennender Gucci-Fan und Hayek die Frau an der Seite von François-Henri Pinault, CEO der Kering S.A. und seit 2004 Inhaber der italienischen Luxusmarke.
Im Rampenlicht, wie sollte es anders sein, steht jedoch Lady Gaga: Hauptdarstellerin, Zentrum auf den Plakaten und immer wieder im Atemzug bei der Bewerbung des Films genannt. In Sin City 2 - A Dame to Kill For, American Horror Story und A Star Is Born hat sie bereits bewiesen, dass sie mehr ist als eine der umtriebigen Sängerinnen unserer Zeit und da kann es leicht passieren, dass ihre wuchtige Präsenz ihre Kollegen überschattet. Doch auch wenn sie sich passabel schlägt, rund wird der Film erst mit dem Männerchor, der sich um sie schart.
Driver, ein Juwel der Schauspielzunft unserer Zeit, nimmt man die Rolle des Maurizio Gucci mit all seinen Facetten ebenso ab, wie Al Pacino den greisen Onkel mit Leichtigkeit und Grandezza spielt. Irons´ Rolle ist bedingt etwas kurz, aber umso stärker trumpft (erneut) Leto auf, der sich mal wieder für eine Rolle vollkommen verwandelte und eine großartige Leistung als Paolo Gucci abliefert.
Eine unterhaltsame Geschichte, eine Riege an A-Stars ... gibt es was zu mäkeln? Ja, aber das wird eher zu einer Randerscheinung. Für Zuschauer, die den Vorfall nicht kennen und auch wenig mit der Entwicklung des Gucci-Konzerns Ende des 20. Jahrhunderts anfangen können, ist die zeitliche Entwicklung nicht immer ganz klar. Die Entfremdung und Entwicklung im Film sind abzusehen, wirken mitunter aber ziemlich abrupt, holzhammermäßig, überraschend. Das liegt auch daran, dass Driver viele Jahre nahezu gleich aussieht und die Sprünge in Jahren, eine Entwicklung nur an der Musik erkennbar sind.
Gefühlt stolpern man plötzlich vom Disco Sound der Endsiebziger in den "Ich mach mich frei"-Pop eines George Michael Ende der 80er und denkt sich, hoppla, was ist jetzt passiert, das waren mehrere Jahre?! Gehen wir mal davon aus, dass die Musik genau platziert ist, um ein konkretes Jahr in der Historie zu definieren, sind diese Markierungen auch nötig, um die Abfolge von Jahrzehnten und damit die epische DNA einer solchen Dynastie und ihrer internen Reibereien herauszuarbeiten.
House of Gucci ist ein Film geworden, der nicht nur als Thriller und Familienepos gut unterhält, sondern die Schauspieler:innen einen richtig guten Job machen. Zur Kurzweil trägt auch die Tatsache bei, dass einige wahrlich dynamische Songs und Klassiker jener Jahre eingestreut worden sind, wobei die Auswahl großer Popikonen eine Bereicherung neben der bereits grandiosen Besetzung ist. Wo große Namen vor und hinter der Kamera auftreten, sind auch Heroen der Musikszene relevant. Und somit fügt sich eins zum anderen und endet dieses Kinojahr mit einem weiteren Film, für den man gerne ins Kino geht.
Wiederschauwert: 80%