Bewertung: 4.5 / 5
Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) ist ein sogenannter Extraktor. Ein Mann, der in den Träumen seiner Opfer nach Wirtschaftsgeheimnissen sucht und diese gewinnbringend verkauft. Sein Ruf eilt ihm voraus, weswegen er nicht mehr in die USA einreisen und somit auch seine Familie nicht mehr sehen kann. Nun heuert der Unternehmer Saito (Ken Watanabe) Cobb für einen Job an, der ihm einen Weg nachhause weisen könnte. Zusammen mit seinem Team muss Cobb nun in den Verstand des Konzern-Erben Robert Michael Fischer (Cillian Murphy) eintauchen. Unterdessen tauchen immer wieder Bilder von Cobbs toter Frau (Marion Cotillard) auf.
Etwa zwei Jahre nachdem Christopher Nolan mit The Dark Knight (2008) einen der bedeutendsten Filme der jüngeren Kinogeschichte schuf, der zusammen mit X-Men (2000), Spider-Man (2002) und Iron Man (2008) das Thema Comicverfilmung auf die Tagesordnung in Hollywood brachte, präsentierte er den Science-Fiction-Heist-Thriller der endgültig zementierte, was in Insiderkreisen bereits gemunkelt wurde: Christopher Nolan ist ein Meister seines Fachs. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und werden wohl von keinem anderen Film so konsequent in Szene gesetzt, wie eben von Inception. Einer dieser Gründe liegt in der Geschichte selbst. Denn es ist eine bahnbrechende Idee, die Nolan da auf die Menschheit loslässt. Ein Extraktor, ein Mann, der in den Träumen von Menschen nach den tiefsten Geheimnissen der Menschheit sucht und diese dann gewinnträchtig weiterverkauft. Und in diesen Träumen, in der sich anbahnenden subjektiven Realität geht es ordentlich zur Sache. Es ist gleichsam storytechnisch originell, wie es auch inszenatorisch eine Wucht ist. Da ist es also, daß große Talent eines Christopher Nolan Independent-Konzepte massentauglich zu gestalten. Das können nicht viele Regisseure und Nolan beweist in Inception, daß er ein Gespür für die richtigen Fragen, zur richtigen Zeit hat, aber auch mitsamt seiner Komplexität niemals den Zuschauer aus den Augen verliert. Also rein konzeptionell hat Nolan schon gewonnen, ohne überhaupt angefangen zu haben.
Trailer zu Inception
Wie aus Zauberhand fast schon ganz nebensächlich behandelt Nolan in Inception die philosophische Frage der Realität. Was ist Realität? Welche Realität gibt es? Gibt es überhaupt eine Form von Realität? All das lässt Nolan so im Raum stehen und erklärt hier den Menschen zum Herr über die gesamte Welt. Es ist fast gottgleich, wie Hauptfigur Cobb Traumwelten erschafft und sich dann unweigerlich in diesen zu verlieren droht. Bedenkt man gerade das Verhältnis zwischen ihm und seiner Frau, so ähnelt Inception in seiner Ausführung schon ein wenig Matrix (1999). Doch schreibt Nolan dem Träumen und dem Bearbeiten von Träumen nochmal eine wesentlich wichtigere Rolle zu, als es vielleicht Genrekollegen sonst getan haben. In Inception geht es um die Verarbeitung von Schmerz, der Liebe. Das ist an sich etwas kitschig natürlich, doch wird das negiert durch die ohnehin sehr schwierige Beziehung zur Femme Fatale Mal. Cobb muss sich entscheiden, welche Welt für ihn reizvoller ist, während er immer wieder in größere Konflikte, zwischen Parteien gerät, die einander ausbooten wollen. Selbst im Traum gibt es keinen Schutz vor dem kapitalistischen Konkurrenzkampf. Während etwaige Firmen versuchen einander auszubooten, geht es für Cobb um wesentlich wichtigere Themen. Auch dieser Kontrast, nach welchem sich die Hauptfigur als Auftragnehmer immer wieder in dann eher unwichtig werdene Konflikte um Machtphantasien und Größenwahn einmischt, sind für sie jedoch nicht der Kern der Sache. Es geht um die Verarbeitung von Trauer und Liebe und so stellt Nolan den Konservatismus, in Form von Glück mit der Familie, vor das Kapital.
Bei all diesen schweren Themen, die Nolan zum Kernelement der Geschichte erklärt, vergisst er aber auch nicht, als reiner Unterhaltungsfilm ebenso zu funktionieren, wie als vermeintliches Arthaus. Wenn in einem Film Städte umklappen, oder der Grund unter den Füßen nicht die gleiche Bedeutung einnimmt, wie in unserer Welt, dann hat das schon einen Schauwert, der über die gewöhnlichen Superlative hinausgeht. Ob es nun wichtig ist, daß so etwas echt gemacht ist, oder am Computer entsteht, darüber lässt sich streiten. Vieles von dem, was Inception zeigt, sieht gut aus. Doch das ist kein Maßstab, der für die Qualität eines Werks spricht. Viel wichtiger ist da, ob er inhaltlich stimmig ist. Und ja, man hat den Eindruck, als fordere Nolan seine Zuschauer heraus. Und überdies bietet Inception auch immer wieder Verweise auf die Filmgeschichte. Besonders prägnant ist, daß sich der Film gerade zu Beginn auch wie ein James Bond-Film anfühlt. Männer in perfekten Anzügen treffen sich in einer mehr oder minder serösen Umgebung, um ein Geschäft abzuwickeln und in Wahrheit einen Machtkampf auf psychischer Ebene zu führen. Das sollte zwar Jahre später in Tenet (2020) noch deutlicher werden, ist im Falle von Inception aber auch schon eine sehr schöne Hommage. Ohnehin ist Inception aber auch nicht als einfacher Thriller zu verstehen. Das gesamte Werk ist eine Genre-Hyperbel aus Drama, Heist, Action, Thriller und weiteren Elementen, die der Film immer wieder einstreut. Das ist auch insofern gut, als daß der Film sich damit immer wandelbar zeigt, wenngleich seine Tonalität konstant auf einem Level bleibt.
Es geht auch normalerweise nicht zu meinem Blickpunkt auf Filme, aber im Falle von Inception muss man die Cleverness der Konstruktion schon ein mal hervorheben. Denn während die Geschichte einerseits vor allem immer vom vermeintlich logischen getrieben wird, ist es schon recht intelligent, daß Nolan hier ein wenig auf Pathos setzt, wenn es um die Figuren geht. So ist der gesamte Antrieb von Cobb emotionaler Natur, indem er eben seine eigene Unschuld beweisen will und erkennen muss, daß seine Frau eben nicht das ist, was er sich immer unter ihr vorgestellt hat. Dann wiederum sind es so kleinere Spielereien zwischen den einzelnen Teammitgliedern um Cobb, die hier positiv auffallen. Tom Hardy und Joseph Gordon-Levitt besitzen in ihrer Dynamik den nötigen Charme, um wirklich zu begeistern. Das Interessante an Nolan ist ja, daß er trotz dessen, daß er eigentlich kein schauspilerfreundlicher Regisseur ist, der alles seiner Geschichte unterordnet, doch immer mit den größten ihrer Zunft zusammenarbeitet. Doch gleichsam muss man Inception auch zugutehalten, daß die Charaktere hier nicht einfach nur da sind, weil man sie eben für die Geschichte bräuchte. Und da benötigt es eben schon all diesen Stars, um ein wenig im Gedächtnis zu bleiben.
Was Inception letzten Endes so spannend macht, ist, daß man über ihn reden kann, obwohl alles um ihn herum eigentlich nicht besonders tiefgründig, oder rein von der Geschichte her originell wäre. Der Film entschwindet so ein wenig gängigen Analysen und Kritiken. Denn tiefergehend ist das nicht und über einen Film zu sagen, er sähe einfach gut aus, ist auch eine Erkenntnis, die keine Erkenntnis ist und darf der Stelle gerne irgendwelchen Reviewern überlassen werden. Inception funktioniert als Spektakel, bietet aber darüber hinaus etwas zum Nachdenken und ist daher wohl die perfekte Mischung aus Blockbuster und Arthouse. Eine Kombination, die nur den wenigsten Filmemachern neben Nolan gelingt. Denis Villeneuve wäre wohl einer von ihnen.
Das Bahnbrechende an Inception zu erkennen, liegt vor allem an einer originellen Idee. Einer Tatsache, die es im heutigen Hollywood nur noch sehr spärlich gibt. Sicherlich könnte man hier und da über die Ausführung streiten und das alles auch gar nicht so wichtig empfinden. Und dennoch ist Nolans Werk ein Geniestreich der Einfachheit, indem eben konsequent Staunen und Nachdenken kombiniert wird.