Bewertung: 4 / 5
Eigentlich hatte ich nicht vor, den Film hier großartig zu rezensieren, aber es gab diesen kurzen Austausch zwischen Eli4s und luhp92, wo ich schon eine Antwort verfasst hatte. Diese war aber so ausschweifend, dass ich mir dann dachte, dass ich dann doch glatt auch mal so einen Film reviewen kann. So, why not?
Erstmal vorweg: Marriage Story ist richtig gut. Punkt. Und er ist so gut, dass er sich tatsächlich vor dem anderen Netflix-Prestige-Projekt dieser Tage (The Irishman) keinesfalls verstecken braucht. Und obwohl beide diese Filme sicherlich zu den besten Filmen dieses Jahres (oder gar Jahrzehnts) gehören dürften, werde ich auch diesem Film nicht mehr als 8 Punkte geben können. Völlig subjektiv, aber im Folgenden werde ich versuchen, das auch noch argumentativ zu unterrfüttern.
Trailer zu Marriage Story
Vorerst noch kurz zur Einwertung der beiden genannten und geschätzten Foren-User: ich kann absolut verstehen, warum luhp den Film eher mittelmäßig bewertet. Mir ist häufig aufgefallen, dass er sehr analytisch an vieles rangeht, und dann ist hier tatsächlich viel, was man diesem Film ankreiden kann. Und dass Eli4s den Film so überragend empfindet, nun ja, wir hatten eine ausführliche Diskussion über Nocturnal Animals und die verschiedenen möglichen Lesarten. Daher kann ich, wenn ich das etwas weiter spinne, es bei ihm sehr gut nachvollziehen, warum er den Film hier so groß abfeiert. Nur noch kurz, ich kenne beide nicht persönlich und nur anhand meiner kurzen Austausche mit beiden muss ich die beiden nicht richtig einschätzen können, aber irgendwie fühlte ich mich hier in meiner Einschätzung beider Personen bestätigt. Nicht mehr. Und keine Sorge, das werden nicht die einzigen beiden User sein, die ich in diesem Review noch erwähne ;-)
Ganz kurz zum Film:
Erzählt wird etwas ausgewalzt über eine Laufzeit von über 2 Stunden, wie eine augenscheinlich einvernehmlich freundliche Trennung/Scheidung immer mehr aus dem Ruder gerät und wie sich die beiden vermeintlich Freunde bleibenden Protagonisten immer stärker an den Hals gehen.
Das ist gut gespielt (sogar sehr gut), fein beobachtet, und tatsächlich ist der Film ein deutlich wertigerer Kramer gegen Kramer (der Scheidungsfilm schlechthin, der Anfang der 1980er Jahre so ziemlich alle Preise abräumte), da hier nicht für die eine Person Partei ergriffen wird, sondern versucht wird, eine ganzheitliche Beobachtung abzuliefern.
Baumbach versucht hier möglichst stark alle Richtungen zu bedienen und er macht seine Sache sehr sympathisch, da er trotz allem auch immer weiss, dass es sich hier eigentlich um eine (leider) sehr alltägliche Geschichte handelt, und daher treibt er seinen Film auch immer sher nüchtern, ich möchte fast sagen, demütig voran. dabei aber immer noch genau wissend, was er hier tatsächlich abliefert. Dabei nimmt er sich den Themen eines Ingmar Bergmanns sehr gekonntan, und fügt diesem sehr formalen und analytischen Stil (aber hier wird MB80 (Tada, der weitere User!) wahrscheinlich mehr zu sagen können als ich?) seinen sehr warmen und recht herzlichen Stil bei, der die ganze Sache dann tatsächlich über die Norm hebt.
Baumbach inszeniert eine moderne Scheidungsgeschichte über zwei Menschen, die sich im Grunde immer noch mögen, nur leider nie richtig miteinander kommuniziert haben. Und am Ende mit den Konsequenzen leben müssen.
Was diesen Film dasnn doch nicht ganz so groß macht, ist die eine Tatsache, die hier wirklich so komplett nebenbei Erwähnung findet - also worüber sich Baumbach sehr wohl im Klaren ist (und was ihn für mich eigentlich deshalb nur noch sympathischer macht):
Das hier ist keine gewöhnliche Allerweltsscheidungsgeschichte, es geht hier um zwei wohlhabende Leute, die sich die besten Anwälte leisten können, und die sich aus einem Luxusproblem heraus trennen (Sie möchte sich selbst verwirklichen und sie sind nicht fähig, das miteinander zu kommunizieren). Selbst der Richter sagt an einer Stelle, dass da draussen deutlich dringlichere Fälle warten. Wir sind an einer Stelle der Gesellschaft, wo eine Frau/ eine Mutter vor Gericht aussagen könnte, dass sie ab und zu kokst und trotzdem problemlos das Sorgerecht bekommen kann. Problematisch sind ganz andere Faktoren.
Dieser Umstand nimmt dem Film in der Tat extrem viel von seiner Dringlichkeit und gibt ihm in der Tat eine Leichtfüssigkeit, da alle Protagonisten sowieso auf die Füsse fallen werden, so oder so (wie es dann ja auch passiert).
Da passt die humoritische Inszenierung sehr gut zu, denn das Leben geht trotzdem sher schön weiter. Und deshalb passt dann natürlich auch der zweite schwerwiegende Kritikpunkt, den ich an diesem Film habe, natürlich trotzdem wie die Faust aufs Auge bzw. auf das Profil dieses Films: Die Filmmusik von Randy Newman ist so typisch Newman, dass es mich den ganzen Film über regelrecht fast schon angekotzt hat, ich hatte fast das Gefühl, eine reales Toy Story, Monster Ag zu sehen, oder gleich Harry und Sally im Restaurant einen Trennungsorgasmus vorgesetzt zu bekommen. Wie gesagt, das ist subjektiv, und nicht rational erklärbar. Aber eine weitaus weniger kumpelige sondern wehmütigere Musik hätte ich persönlich besser gefunden. Und dann würde das natürlich bedeuten, jemand anderen als Newman!
Alles in allem bedient Baumbach sehr viele Stilrichtungen, sehr viele Ideen, und lässt auch vieles offen, und er macht das alles sehr gut. Aber der Film ist für eine Momentaufnahme zu selbstgefällig - auch wenn er das größtenteils absolut zu recht ist.
Da ist der andere in meinen Augen extrem überbewertete Scheidungsfilm Nader und Simin deutlich ambivalenter und dringlicher, da er zwar auch eine Scheidung eines wohlsituierten Familie thematisiert wird, welche sich einvernehmlich trennt, aber hier wird das Arm-Reich-Gefälle genauso themtaisiert wie die gesellschaftlichen anderen Themen sehr stark tangiert. Alles was auch Baumbach einfach mal zu subtil mit in den Topf wirft, da wäre mehr möglicherweise mehr gewesen.
Alles in allem ist Marriage Story für mich sozusagen der Scheidungsfilm für die Leute, die "Up in the Air" als den wichtigsten Identity Crisis Film halten - soll jetzt nicht despektierlich sein, da ich auch Up in the Air wirklich gut finde, aber der Film hat auch so seine gravierenden Probleme.
8 Punkte