Bewertung: 3.5 / 5
Ich wollte eigentlich keine Kritiken mehr schreiben... zu wenig Zeit. Aber ich hatte mit diesem Film eine so komische Erfahrung, dass ich es einfach mitteilen muss.
Ich bin schon länger Zeit großer Fan des asiatischen Kinos. Eine Sparte, an die ich mich jetzt herantraue, ist das sogenannte "Wuxia"-Genre. Der im Westen bekannteste Vertreter dürfte "Crouching Tiger, Hidden Dragon" von Ang Lee sein. Ich habe mit "Touch of Zen" und "Dragon Inn" auch schon zwei große Klassiker gesehen. Beim "Wuxia" geht es darum, dass die (zumeist Schwert-)Kämpfer solche Meister sind, dass die Schwerkraft keine Rolle mehr spielt. Es wird teilweise zig Meter gesprungen, auf Ästen gelaufen und in Baumkronen gemetzelt. Berühmt sind die Filme für das "Wirework", also die Drähte und Seile, an denen die Schauspieler durch die Lüfte fliegen. "Wuxia-Filme" waren ein großer Einfluss für z.B. Matrix.
"Memories of the Sword" ist ein ungewöhnlicher Vertreter, weil er aus Korea kommt und dieses Genre eigentlich in China beheimatet ist. Ich bin (noch) nicht so tief damit vertraut Unterschiede festzustellen, aber es sind deutlich Anleihen und Homagen an die von mir bereits genannten Filme erkennbar. Man will also offensichtlich den chinesischen Werken entsprechen und gar nicht so richtig eine eigene Identität entwickeln.
Eine Sache steht jedoch fest und die kann man nicht leugnen: Die Kämpfe haben mir wenig bis gar nicht gefallen. Sie haben zwar eine hohe Dynamik, gehen aber in einem absoluten Schnittgewitter und konfusen Kamerafahrten unter. Die Übersicht geht oft verloren und was am meisten stört ist, dass oft weggeschnitten wird, wenn eigentlich der Treffer kommt. So vermisst man auch den Impact. Die größte Sünde dürfte aber wohl der zwar sparsame, aber überaus auffällige und immersionsbrechende Einsatz von CGI sein, wenn besonders große Sprünge passieren. Große Kampfkunst - also das wofür man sich "Wuxia" eigentlich anschaut - gibt es hier also nicht; die Kämpfe sind höchstens zweckmäßig für die Story.
Handwerklich hätte man generell noch auf den ein oder anderen verwirrenden Schnitt bzw. Übergang verzichten können. Dennoch schafft man mit der guten Ausstattung und dem Szenenbild ein paar schöne Bilder zu kreieren - die allerdings oft wie oben schon angedeutet Zitate der Vorbilder sind.
Warum hat mir der Film denn nun trotzdem so gefallen? Ganz einfach und dennoch für dieses Genre höchst überraschend: Er erzählt eine spannende und packende Geschichte, mit einer großen Tragik und ambivalenten Charakteren. Auch hier muss man allerdings spezifizieren, denn wer hier große Schlachten und komplexe Intrigen am Hofe erwartet, wird enttäuscht. Die Story wird sehr verengt und auf die Hauptfiguren zentriert erzählt. Nebenfiguren bleiben blass und oberflächlich. Aber wo ich eher eine Hintergrundtapete für die Kämpfe erwartete, versteckte sich etwas, das fast Shakespeare-Ausmaße erreichte.
Es ist eine Rachegeschichte...klar, von denen hatten wir jetzt schon einige. Etwas grundlegend Neues wird hier mit Sicherheit nicht erzählt. Aber die komplexen Figurenkonstellationen, nachvollziehbare Motivationen und wie diese Stück für Stück entfaltet werden, fand ich regelrecht grandios. Das führt alles dazu, dass man mit den Charakteren fühlt und einem deren Schicksal interessiert. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass gerade dieser Film einer der emotionalsten sein würde, den ich in letzter Zeit gesehen habe.
Dazu tragen auch die großartigen Darsteller:Innen bei, die zwar für den asiatischen Film gewohnt theatralisch spielen, aber denen ich jede Emotion abkaufe, weil man auch mal nur Blicke und Mimik sprechen lässt.
Nachdem der erste Kampf andeutete, dass mir dieser Stil überhaupt nicht gefällt, habe ich Schlimmes befürchtet. Das gerade hier - wo man eher erwartet, dass sich alles der Kampfkunst unterordnen muss - ein überzeugendes Charakterdrama um Liebe, Verrat und Familie schlummert, war dann allerdings eine totale Überraschung.
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Schönen Gruß übrigens an Amazon Prime, die hundsmiserable Untertitel zur Verfügung gestellt haben. Neben den ganzen nervigen aber verkraftbaren Flüchtigkeitsfehlern wurden dort u.A. Namen und Titel der Charaktere verwechselt und in einem Fall sogar ausgelassen. Da stand dann für den ganzen Film entweder nur ein "s" oder einfach eine Leerstelle. Das hat wenig geholfen bei dem nicht gerade unkompliziert erzählten Plot mitzukommen und ich musste öfters mal zurückskippen.