
Bewertung: 3 / 5
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich die Grundstücksrechte an der verlassenen texanischen Kleinstadt Harlow erstanden und fährt zur Bersichtigung und Versteigerung der einzelnen Häuser. Schon kurz nach der Ankunft und einem tragischen Zwischenfall müssen sie aber feststellen von einem berühmten Mörder gejagt zu werden.
Die Fortsetzung des in Deutschland Jahrzehnte lang beschlagnahmten Terrorklassikers "Texas Chainsaw Massacre" ("Blutgericht in Texas") von Netflix wird gerade ordentlich geprügelt... von professionellen Kritikern wie von Fans. Zu Beginn und zum Verständnis muss ich schreiben, dass das Original bei mir nie auf einem Podest stand. Erst vor 2 Jahren konnte ich es nachholen und das war wohl zu spät; es hat mir einfach nicht sonderlich gefallen. Zumal die lange verbotene Frucht sich dann als ziemlich harmlos herausgestellt hat. Ich habe also auch bisher keine Fortsetzungen oder auch Remakes gesehen.
Trailer zu Texas Chainsaw Massacre
Der 2022er ignoriert nun alle Nachfolger und versucht sich an einer direkten Fortsetzung des ersten Teils. Deswegen dachte ich mir, dass ich es mir mal anschaue. Und hier gibt es dann ein zweites Geständnis, denn das habe ich vor allem getan, weil die Neuauflage knüppelhart sein soll.
Das möchte ich als aller erstes schon einmal bestätigen: Endlich ist der Titel mal verdient, denn das ist wirklich ein Massaker. Wenn nach gut einer Viertelstunde einer Person das Handgelenk so gebrochen wird, dass die Knochen raus stehen und dieser dann mit jenen in den Hals gestochen wird, weiß man, dass dieses Mal nichts der Fantasie überlassen wird. Messer, Vorschlaghammer und natürlich Kettensäge kommen würdig und gut getrickst zum Einsatz; es fließen Hektoliter Blut und zentnerweise Gedärme fliegen durchs Bild. Um den Mainstreamzuschauer, der sich zu diesem Streifen verirrt, aber nicht vollkommen zu verstören, findet vieles im halbdunkeln und schnell geschnitten statt. Der ein oder andere Kameraschwenk erspart dann doch das Äußerste. Dennoch ein Fest für Gorehounds... und bemerkenswert, dass Netflix Deutschland das so zeigen darf und neben dem indonesischen Martial-Arts-Metzler "The Night Comes For Us" ist das wohl das Härteste, was der Streamingdienst je produziert hat.
Dann kommen wir zum kontroversen Part, der für viele der Ausschlag ist, zum Verriss anzusetzen: "Texas Chainsaw Massacre 2022" ist bis Unterkante Oberlippe vollgestopft mit aktuellen politischen Hot-Button-Themen und dabei in etwa so subtil wie Leatherface mit der Kettensäge. Es geht um den Culture Clash, wenn Rednecks auf moderne Großstadt-Hipster treffen. Die Jugendlichen werden bereits in den ersten Minuten als "Gentryfuckers" beschimpft. Das "Gentry" meint "Gentrifizierung", was (vereinfacht) die Verdrängung von alteingesessenen und eher armen Menschen durch junge und kaufkräftige Yuppies durch die Steigerung der Immobilien- und Mietpreise meint. Eine der Jugendlichen war Opfer eines School Shootings, es geht um eine Südstaaten-Flagge, Waffengeilheit und im Mittelpunkt der Stadt steht natürlich ein Konföderierten-Denkmal. Zu meiner Überraschung muss ich aber sagen, dass das bemerkenswert neutral passiert. Beide Seiten bekommen ihr fett weg und für beide wird sogar so etwas wie Verständnis aufgebracht, was natürlich auch von beiden Seiten angreifbar macht... und genau das geschieht momentan. Der Film nimmt keine Seite ein und anscheinend braucht es heute für viele ein eindeutiges Feindbild. Ich finde das eher angenehm muss ich sagen, denn gerade weil er alles politisiert, wird er ziemlich unpolitisch - weil beliebig. In den Kommentarspalten gibt es in gleichen Anteilen hämische Kommentare aus der rechten Bubble, dass es der "Cancel Culture" an den Kragen geht und aus der linken Bubble wird sich empört, dass man die Südstaaten-Romantik verharmlost und das ein Plädoyer für Schusswaffen wäre.
Wie man dazu steht, muss aber wohl jeder selbst entscheiden.
Die nächste Besonderheit wäre die Lauflänge, denn die kommt exklusive Abspann (es gibt eine kurze Post-Credit-Scene) gerade einmal auf etwas mehr als 73 Minuten. Das macht das Werk zum einen sehr knackig und schnörkellos und zum größten Teil auf Spannung und Action reduziert, was in meinen Augen lobenswert ist. Allerdings bringt es natürlich auch das Problem mit, dass man die Charaktere nur hauchzart charakterisieren kann und die das Maximale durch gutes Schauspiel herausholen müssen. Gerade die Verbindung zum Original und damit eine eigentlich zentrale Figur wirkt sehr reingequentscht. Eine vernünftige Aktstruktur - es gibt keinen 2. - sucht man vergebens und eine Dramaturgie im Sinne einer Spannungskurve muss man mit der Lupe suchen. Nach einem kurzen Einstig gibt es in einer Tour auf die Fresse. Das kann man mögen, aber wenn man irgendwo objektive Maßstäbe ansetzt, ist das nicht gut.
Was man generell loben muss, ist die Qualität der Bilder. Dass das alles so schick und kompetent geschossen ist, hätte ich nämlich wirklich nicht erwartet.
Also kein wirklich großartiger Film, aber diesen ganzen Müll der über ihn ausgekippt wird, hat er nicht im geringsten verdient. Auch wenn das leider zu erwarten war, denn neben der politischen Dimension ist da ja auch noch die Gruppe, die Remakes oder Fortsetzungen von Klassikern generell für eine Beleidigung des Originals hält.
