Bewertung: 4 / 5
Nimona basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von ND Stevenson, die 2015 veröffentlicht wurde und zum Bestseller avancierte. Ursprünglich hatte Fox Animation die Rechte an der Graphic Novel erworben und die Blue Sky Studios mit der Umsetzung des Animationsfilms beauftragt. Nach der Übernahme von Fox durch Disney hat sich Netflix die Rechte gesichert, den Film fertiggestellt und ihn Ende Juni auf seiner Streaming-Plattform veröffentlicht. Zum Glück, muss man sagen, denn Nimona ist voller Humor, actionreich und Balsam für die Seele.
Nimona Kritik
Eine futuristische mittelalterliche Welt wird von Generationen von tapferen Rittern geschützt, die die Nachfahren von Gloreth sind, die das Königreich vor 1.000 Jahren von einem grässlichen Monster befreit hat. Königin Valerin will diese Tradition nun ändern und Ballister Boldheart soll als erster Nichtadeliger zum Ritter geschlagen werden. Bei der Zeremonie schießen jedoch Laserstrahlen aus seinem Schwert und töten die Königin, sodass Ballister fliehen muss. Um seine Unschuld zu beweisen, tut er sich mit Nimona zusammen, einer rauflustigen, gestaltwandelnden Teenagerin, die ihn für einen Bösewicht hält...
Trailer zu Nimona
Der engstirnige Mann und das rebellische Mädchen
Nimona bedient sich einem altbekannten Thema, dreht dies aber geschickt um: während in Filmen wie Léon - Der Profi oder Serien wie The Last of Us der engstirnige ältere Mann wider Willen das auf sich selbst gestellte Mädchen beschützen muss, schließt sich die mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattete Titelheldin Ballister Boldheart einfach an.
Das ungleiche Duo besitzt eine tolle Dynamik und es ist liebenswert, wie sich die beiden gegenseitig ans Herz wachsen. Für Humor sorgen nicht nur die Frotzeleien von Nimona und Ballister untereinander, sondern auch die Fähigkeit des Gestaltwandelns von Nimona, die immer wieder genug Raum bekommt. Seien es die unerwarteten Verwandlungen in bestimmte Tiere oder ein Psychobaby - Nimona deutet die Gabe seiner Titelheldin nicht nur an, sondern spielt diese voll aus und bis auf humoristische Spitzen abseits der Geschichte stets so, dass es für die Handlung Sinn ergibt.
Die ist zudem insgesamt atemlos, immer wieder fahren die Regisseure Nick Bruno und Troy Quane aber auch das Tempo herunter, um ihren Figuren genug Raum zu geben. Denn Nimona handelt nicht nur von Nimona und Ballister, auch Ambrosius Goldenloin sowie die Direktorin werden als Figuren genug ausgearbeitet und ihre Motivationen und Entscheidungen sind stets nachvollziehbar.
Fantasy trifft auf Science-Fiction
Wie eingangs erwähnt, spielt Nimona in einer futuristischen mittelalterlichen Welt. Es gibt schwebende Autos und gigantische Videoinstallationen im Königreich, die an Blade Runner erinnern, während die Ritter in klassischen Rüstungen umherlaufen und sowohl mit Schwertern als auch Laserkanonen kämpfen.
Das Worldbuilding funktioniert dabei zwar gut, insbesondere nach dem zeitlichen Sprung im Anschluss an den kurzen Prolog um 1.000 Jahre hätten wir uns aber noch etwas mehr davon gewünscht. Eine erfrischende Abwechslung ist die Welt von Nimona aber allemal.
Das gilt auch für den comichaften Animationsstil, der sich positiv von der Graphic Novel abhebt und etwa an Die Mitchells gegen die Maschinen erinnert. Von einem Der gestiefelte Kater 2 - Der letzte Wunsch oder Spider-Man - Across the Spider-Verse ist das hier aber noch ein gutes Stück entfernt, denn gerade die Animationen der verschiedenen, von Nimona verkörperten Tiere oder auch die Gesichter mancher Figuren wirken etwas unfertig.
Eine berührende Außenseitergeschichte
Die Synchronsprecher überzeugen dagegen ausnahmslos. Wir können zwar nur für den Originalcast sprechen, aber vor allem Riz Ahmed als Ballister und Chloe Grace Moretz als Nimona verschwinden stimmlich total in ihren Rollen und auch Frances Conroy als Direktorin liefert eine starke stimmliche Performance ab.
Die gleichnamige Graphic Novel sei von seiner eigenen Erziehung in einer äußerst konservativen Familie beeinflusst und eine Reaktion darauf, so der als Transmann lebende ND Stevenson. Nimona befasst sich daher mit Themen wie Identität und Akzeptanz, thematisiert aber auch selbstverletzendes Verhalten sowie die Gewalt gegenüber queeren Jugendlichen. Dabei drückt der Film einem diese Themen aber nicht auf, sondern behandelt sie mit genug Respekt und ohne den Vorschlaghammer oder die Moralkeule zu schwingen.
Stattdessen zeigt der Film gefühlvoll auf, wie es für queere Jugendliche sein muss, aufgrund ihrer Andersartigkeit diskriminiert zu werden oder ihre wahre Identität aufgrund von diskriminierenden Gesetzen entweder gar nicht oder nur unter Angst ausleben zu dürfen. Damit besitzt Nimona einen ungemein wichtigen doppelten Boden, doch auch als reiner Abenteuerfilm eines ungleichen Duos über das Wiederherstellen von Unschuld funktioniert der Film hervorragend.
Fazit
Mit Nimona beweist Netflix erneut sein gutes Gespür für gelungene und frische Animationsfilme. Getragen von einem rockigen Soundtrack, hat uns der Film immer wieder zum Lachen gebracht, auch dank seines sympathischen Duos. Der Film weiß mit zahlreichen kreativen Einfällen zu überzeugen und gibt trotz seiner kurzen Laufzeit (85 Minuten ohne Abspann) allen wichtigen Figuren genug Raum zur Entfaltung. Auch wenn das Worldbuilding etwas zu kurz kommt und der Animationsstil nicht immer zu überzeugen weiß, ist Nimona ein herzerwärmender Film geworden, der uns im Finale die Tränen in die Augen getrieben hat.
Wiederschauwert: 70 %
