Bewertung: 3.5 / 5
Rosemila, von allen nur „Rose“ genannt, ist eine aufstrebende, aber leider etwas glücklose, Modedesignerin. Zufrieden ist sie da nicht gerade, da sie von einem alten Unfall gezeichnet ist und sich ständig in der Umgebung perfekt aussehender Models befindet, zu denen auch ihre eigene Mitbewohnerin zählt. Außerdem ist sie noch ein wenig vom Pech verfolgt, was dazu führt, dass sie permanent zum Ziel des Spottes ihres Arbeitgebers, des Designers „Günter“ (eine liebevolle Verballhornung von Karl Lagerfeld), wird. Nach einem fehlgeschlagenen Aufheiterungsversuch auf einer Party kommt es zu einem folgeschweren Verkehrsunfall, der Rose beinahe zur Unkenntlichkeit entstellt zurücklässt. Arbeits- und hoffnungslos begibt sie sich an die experimentelle Klinik von Dr. William Burroughs, die eine letzte Chance auf ein normales Leben darstellt.
Rabid ist ein Remake des gleichnamigen Filmes von David Cronenberg von 1977, neu aufgelegt von den „Soska Sisters“ Jen und Sylvia, die sich wohl im Horrorgenre inzwischen eine kleine Nische geschnitzt haben. Mir persönlich sind die beiden bislang unbekannt gewesen, aber ein Film mit dem Titel Dead Hooker in a Trunk hat jetzt schon mal mein Interesse erlangt. Und wer das Original kennt, der weiß auch, dass es sich um einen eher holprigen Film handelt, der nicht unbedingt mitreißend erzählt ist. Es ist daher gar nicht so verwunderlich, dass das Remake einige der offensichtlichen Schwächen korrigiert, und damit, ohne dass man es jetzt als großes Kino bezeichnen könnte, eines der wenigen Remakes ist, die das Original übertreffen.
Trailer zu Rabid
Das wichtigste „Upgrade“ ist dabei, dass unsere „Heldin“ tatsächlich mit einem Charakter, einer Motivation und einer eigenen Agenda ausgestattet ist. War „Rose 1977“ gerade einmal eine hübsche Motorradfahrerin, die wortwörtlich in den ersten 5 Minuten, ohne ein Wort zu sagen, einen Unfall hatte und auf dem Operationstisch eine scheinbar experimentelle Therapie bekam (Patienteneinwilligung Ahoi!), so ist die aktuelle Rose tatsächlich klar gezeichnet. Ihre Sorgen und Bedürfnisse sind uns klar, und es ist ihre Entscheidung, die Therapie über sich ergehen zu lassen, und die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen. Ebenso besser herausgearbeitet ist die Person von Brad, ihrem Verehrer, der ebenfalls eine bessere Rolle in der Handlung hat statt dieser wortwörtlich nur hinterher zu fahren (auch wenn ich die Lösung am Ende als etwas unnötig erachtet habe). Dasselbe gilt für Dr. Burroughs, der im Original schnell das Opfer seiner eigenen Ambitionen wurde, und hier deutlich ausgebaut wurde. Generell wird der Film von interessanten Figuren, oder zumindest witzigen Satiren („Los, los, Schnuckiputzis!“), bevölkert.
Des Weiteren wurde dem Film ein Thema gegeben, dass sich auch noch gut mit der Motivation seiner Hauptfigur („Ich will Menschen eine Rüstung geben“) deckt. Das Ganze ist in den Hintergrund der Mode-Industrie eingebettet, was eine offensichtliche Satire mit Anspielungen auf die menschliche Perfektionswut ergibt, die aber dennoch sitzt. Ja, der Modewelt die Maske runterzureißen, und anzudeuten, dass unter der schönen Fassade Monster stecken bzw. die Menschen zu Monstern werden, ist jetzt nicht gerade der „hottest take 2019“, aber mehr als das gerade einmal funktionale „Dinge passieren“ Drehbuch des Originals. Nicht besonders scharf fand ich übrigens das Ende, welches eigentlich schon fast einen Verrat an der Hauptfigur darstellt, allerdings auch wunderbar das Verhältnis der weiblichen Models zu ihrem „Günther“ wiederspiegelt. Irgendetwas sagt mir, die Soska’s haben es nicht so mit der Fashion Welt…
Da man zum Budget des Filmes wenig findet gehe ich einfach einmal von „minimal“ aus, und umso mehr muss ich die Inszenierung hervorheben. Die Effekte, und vor allem die Maske, sind teilweise hervorragend, und variieren zwischen wunder“schönem“ Splatter und angenehm grotesk gefilmtem „Marylin Manson“ Musikvideo (es gibt eine Szene, die teilweise auch im Trailer ist, in der ich eigentlich jede Sekunde die ersten Takte von „Sweet Dreams“ erwartet habe). Rabid ist ein verdammt gutaussehender Film. Einige Szenen sind dazu entworfen, im Gehirn zu bleiben, allen voran die Operationsszene, bei der die Chirurgen knallrote, einem Kardinal ähnliche Kutten aus feinstem Stoff tragen. Dies ist natürlich eine Anspielung auf die Mediziner, Gott zu spielen, und funktioniert auch als Kontrast, denn die Kirche ist bekanntlich nicht auf der Seite der Stammzellforschung unterstützenden Institutionen. Es ist angenehm „over the top“, und das Publikum belohnte es mit einem Lachen (mehrfach, und an den richtigen Stellen, Bonuspunkte!).
Ebenfalls auf der positiven Seite: Regie und Schnitt, welche jede Szene interessant und den Fluss der Geschichte solide halten. Manchmal schaltet der Schnitt in den „Schnellfeuer-Modus“, um einen Schockeffekt zu verstärken (man beachte die ersten Sekunden des Filmes: SO inszeniert man einen Titel), aber ohne dabei in lächerliches „Liam Neeson springt über einen Zaun und wir schneiden die fünf Sekunden 47-mal“ Territorium zu gelangen. „Kontrolliert“ ist der Modus Operandi hier, aber so, dass jede Szene gut gefilmt und gepaced (schöne neue Sprache) ist.
Laura Vandervoort hat dabei die Möglichkeit, eine ganze Bandbreite ihres Schauspielerinnen-Spektrums vorzutragen, und macht dabei eine ausgesprochen gute Figur. Die geheimen Diebe der Show sind aber Ted Atherton als Dr. William Burroughs, und Mackenzie Gray als Günter, die aber zu wenig Zeit auf der Leinwand haben um unserer Protagonistin gefährlich werden zu können. Ein wenig auf der blassen Seite bleiben Ben Hollingsworth als Brad und Hanneke Talbot als Chelsea, wobei das vielleicht auch Programm ist, immerhin sind sie ja leere Hülsen der Modebranche. Letztere bekommt wenigstens einen g(l)or(e)reichen Abgang vom Catwalk, so wie es sich für ein braves Model gehört.
Joa, das ist ein solides „B“ wie in „Body Horror“, und eine Empfehlung, auch wenn man das Original nicht kennt.