Bewertung: 4.5 / 5
Mit Shazam! schickt Warner einen DC-Helden an den Start, der hierzulande eher unbekannt sein dürfte. Man kann sich also durchaus fragen, was das Studio nun schon wieder getrieben hat, ausgerechnet diesen Superhelden auf die Leinwand zu bringen, wo doch Flash, Batman, Green Lantern & Co. auf ihren großen Auftritt warten und die naheliegenderen Alternativen gewesen wären. Schaut man aber auf den Comicmarkt der Vereinigten Staaten, erscheint Warners Entscheidung in einem anderen Licht, denn dort ist der Superheld in dem gewöhnungsbedürftigen Outfit durchaus eine größere Nummer. Ich möchte diese Review deshalb mit einem Blick auf die bewegte und verwirrende Historie der Figur beginnen:
Im Februar 1940 veröffentlichte der Verlag Fawcett Comics das Heft Whiz Comics #2, auf dessen Cover ein Mann in rotem Dress und weißem Cape ein Auto durch die Luft schleuderte. Für die damalige Leserschaft war die Botschaft klar: Dieser Superheld stellt sogar Superman, den Vater aller Superhelden, in den Schatten, denn dieser stemmte auf dem mittlerweile legendären Cover von Action Comics #1 (06/1938) ein Auto lediglich in die Höhe. Und tatsächlich lief Captain Marvel, wie der neue Kraftprotz hieß, Superman den Rang des auflagenstärksten Superhelden ab. Er konnte diesen Erfolg allerdings nicht auf Dauer halten und so führten sinkende Verkaufszahlen und ein Plagiatsrechtsstreit mit DC dazu, dass Captain Marvel 1953 von der Comicbühne verschwand. 1972 sicherte sich schließlich ausgerechnet DC die Nutzungsrechte an der Figur. Allerdings hatte der Marvelverlag in der Zwischenzeit einen eigenen Superhelden mit Namen Captain Marvel an den Start gebracht und sich, da der Markenname der Figur frei geworden war, eben diese gesichert. So kam es, dass der DC-Captain nicht mehr mit seinem ursprünglichen Namen auf den Covern beworben werden durfte (in den Sories durfte er allerdings weiterhin Captain Marvel heißen) und seit dieser Zeit Shazam! auf den entsprechenden entsprechenden Titelseiten prangt.
Trailer zu Shazam!
Dieses Jahr bringt nun die interessante Konstellation mit sich, dass die beiden Captains indirekt auf der Kinoleinwand gegeneinander antreten und man muss kein Prophet sein, um schon im Vorfelde zu wissen, welcher von ihnen in der Gunst des Publikums letztendlich vorne liegen wird. Das MCU hat sich eine viel zu große Fangemeinde erarbeitet, als dass der traditionsreichere Captain Marvel in dieser Hinsicht irgend eine Aussicht auf Erfolg haben könnte. Diese Review soll kein Vergleich sein, als kleine Randnotitz sei allerdings angemerkt, dass für mich der DC-Captain die Nase vorn hat, denn während Disney/Marvel eine auf hochglanz polierte Origin routiniert herunterspulen, haben es Warner/DC tatsächlich geschafft, einen Streifen auf die Leinwand zu bringen, der Herz, Lust und Leidenschaft vermittelt.
Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, nun zur eigentlichen Sache: Meiner Sicht auf den Film Shazam!
Billy Batson ist ein entwurzelter Teenager, den keine Pflegefamilie lange halten kann. Auf der Suche nach seiner leiblichen Mutter ist ihm jedes Mittel recht, um an sein Ziel zu gelangen. Als er nach einer erneuten Flucht in Philadelphia aufgegriffen und einer neuen Pflegefamilie zugewiesen wird, erscheint ihm klar, dass auch diese nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu seiner verschollenen Mutter sein wird. Doch das Schicksal macht Billy in Form eines mysteriösen Zauberers einen Strich durch die Rechnung, denn dieser erwählt ihn zum Champion des Guten, um die entfesselten sieben Todsünden zu bekämpfen. Fortan schlüpft Billy in den Körper eines ausgewachsenen Superhelden, sobald er den Namen des Zauberers ausspricht: SHAZAM!
Neben der relativ großen Bekanntheit Captain Marvels (ich werde ihn hier so nennen, auch wenn der Name Captain Marvel im Film nicht fällt, aber Shazam! ist einfach nicht sein Name; wäre ja auch blöd, wenn er sich beim Nennen seines Namens jedesmal verwandeln würde...) in den USA erscheint ein zweiter Grund für die Entscheidung zur Produktion des Films ziemlich offensichtlich, denn mit Shazam! hält die Magie Einzug ins DCEU und erweitert somit die erzählerischen Möglichkeiten innerhalb dieses, mit Verlaub, Trümmerhaufens. Und Anbindung an dieses Universum hat der Film definitiv, wie diverse kleine Szenen klarstellen. Es bleibt zu hoffen, dass Warner endlich einen Weg gefunden hat, wie man zukünftig mit seinen Superhelden umgehen wird.
Auch wenn der Film ein Beitrag zu einem geschlossenen Universum darstellt, funktioniert er prächtig als eigenständiger Streifen. Es macht Spaß, Billy, der hervorragend von Ashton Angel in Szene gesetzt wird, auf seinem Weg von einem außerhalb der Gesellschaft stehenden Teenager zu einem verantwortungsbewussten Superhelden zu begleiten. Zunächst stehen für ihn die Entdeckung und Erprobung seiner überwältigenden Kräfte im Fokus und als egoistischer Jugendlicher, der er nun einmal ist, denkt er in erster Linie nicht daran, diese Kräfte für das Wohl der Menschheit einzusetzen. Gemeinsam mit seinem Pflegebruder und vermeintlichen Mentor Freddy geht es für ihn zunächst darum, eigene Interessen zu verfolgen. Glücklicher Weise driftet dieser Mittelteil des Films nicht in den Klamauk ab, wie ich anhand der Trailer zunächst befürchtet hatte, sondern schafft es, die Waage zwischen jugendlicher Komik und der für den Film notwendigen Ernsthaftigkeit zu halten. Auf der einen Seite sorgt die (natürlich) immer stärker werdende Bindung an seine verständnisvolle Pflegefamilie, mit fünf Pflegegeschwistern und Pflegeeltern aus dem Bilderbuch, und die Hinterfragung, beziehungsweise Zerstörung der bisherigen Motive seines Einzelgängertums dafür, dass sich Billy nach und nach erzählerisch nachvollziehbar für die Belange anderer Menschen öffnet. Auf der anderen Seite zwingt ihn das Handeln des Antagonisten Dr. Sivana, dessen Superschurkenwerdung eng mit Billys Schicksal verknüpft ist, zu einer Entscheidung, wo im Spektrum von Gut und Böse sich der Junge/Superheld positioniert.
Dr. Sivana, unaufgeregt bedrohlich verkörpert von Mark Strong, gehört für mich zu den überzeugendsten Superschurken der manigfachen Comicverfilmungen. Er ist zwar ein, in der Comiclandschaft gern genommener, spiegelbildlicher Antagonist, aber die relativ hohe Screentime, die verwendet wird, um seine tragische Geschichte und die Verbindung mit Captain Marvel zu erzählen und so eine nachvollziehbare Motivation für sein Handeln aufzeigt, erklärt diesen Umstand schlüssig und lässt ihn verblassen. Lediglich im Showdown des Streifens verhält er sich superschurkentypisch dämlich, was den Charakter, in meinen Augen, allerdings nur ein wenig abschwächt.
Es gehört zu den erzählerischen Stärken des Films, dass ihm mit Billy Batson ein Protagonist entgegen gestellt wird, der eine kohärente Ambivalenz besitzt. Ist es laut Aussage und Handeln des Zauberers Shazam von dringender Notwendigkeit, dass der Champion des Guten ein vollkommen reines Herz besitzt, so erscheint es zunächst widersprüchlich, dass ausgerechnet der gesetzesbrechende, gesellschaftsverachtende und egoistische Billy Batson diese über Jahrhunderte unerfüllbare Bedingung in sich trägt. Und doch wird schlüssig gezeigt, warum ausgerechnet Billy, trotz seiner Makel, zum Champion auserkoren wird und so ergibt sich der Umstand, dass Billys Entwicklung zum Superhelden wenig linear verläuft und durchaus in eine komplett andere Richtung hätte ausfallen können.
Inszenatorisch ist das Ganze eher traditionell geraten, was allerdings nicht heißen soll, dass Regisseur David F. Sandberg keinen guten Job gemacht hat. Hervorzuheben ist sicherlich seine Entscheidung, den Schlussakt des Film nicht als Overkill-Spektakel zu inszenieren sondern dem bodenständigen Grundton des Films treu zu bleiben. Es gelingt ihm dort fast durchgängig, die drohende Unübersichtlichkeit der Szenerie zu vermeiden und den Erzählfluss beizubehalten.
Noch ein Wort zum Cast. Zachary Levi, den ich im Vorfeld nicht als Idealbesetzung angesehen habe, spielt die Rolle des jugendlichen Erwachsenen hervorragend. Man nimmt ihm jederzeit das Kind im Manne ab und merkt förmlich, welche Freude er an der Verkörperung des Superhelden hatte. Ich hoffe auf genügend Einnahmen des Films und somit einen zweiten Teil, in dem er gegen Dwayne Johnson antritt. Dazu noch etwas mehr im unteren Spoilerbereich... Jack Dylan Grazer, der Darsteller des Freddy Freeman, überzeugt ebenfalls in seiner Rolle des nerdigen Außenseiters, auch wenn diese Rolle für meinen Geschmack etwas zu aufdringlich geraten ist. Der Rest des "United Colors of Benetton"-Pflegefamiliencasts agiert solide charmant, allerdings ohne großartige Möglichkeiten, sich hervorzuheben.
Das CGI ist budgetbedingt nicht an allen Stellen auf oberem Niveau, allerdings störte mich dieser Umstand nicht im Filmgenuss, da die Effekte auch nicht in der unteren Liga angesiedelt sind.
Ausblick auf eine eventuelle Fortsetzung:
Der ehemalige Champion, den der Zauberer Billy per Lichtshow zeigt, ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit Black Adam, den Dwayne Johnson in einem kommenden Solofilm verkörpern soll. Ich hoffe dass er in dem Film nicht als liebenswerter Antiheld sondern als Superschurke dargestellt wird, um sich gegen Captain Marvel zu positionieren.
Die Credit-Scene des Films deutet allerdings darauf hin, dass es Captain Marvel in einer eventuellen Fortsetzung mit der magiebeherrschenden Raupe Mister Mind zu tun bekommt, welche die sieben Reiche der Magie erobern will. In früheren Stories waren Mr. Mind, Dr. Sivana und Black Adam Mitglieder der Monster Society, was vielleicht auch auf eine Gründung dieses Superschurkenteams hindeuten könnte.
Abschließende Bewertung:
Für mich gehört Shazam! in die Spitzengruppe der Superheldenverfilmungen. Minimale Schwächen in Sachen CGI und Figurenzeichnung werden durch Erzählung, Schauspielleistung und Inszenierung mehr als wett gemacht.
Der Film hat mich exzellent unterhalten und somit gebe ich dem Streifen
Shazam!