
Bewertung: 4.5 / 5
Vor einiger Zeit ist Hank (Paul Dano) auf einer einsamen Insel gestrandet. Kurz bevor ihm die Einsamkeit zu viel wird und er seinem Leben ein Ende setzten möchte, sieht er etwas, daß an den Strand gespült wird. In der Hoffnung einen weiteren Menschen zu treffen, rennt Hank in die Wellen und fischt Manny (Daniel Radcliffe), eine flatuleszierende Leiche aus dem Wasser. Doch diese Leiche ist keine normale Leiche. So hat sie etwa die Fähigkeiten eines Taschenmessers und kann Hank eventuell helfen, sein Leben zu retten.
Nur schwerlich kann man einen Film beschreiben, dessen Konzept so sehr nach Trashfilm klingt, und dennoch genau das Gegenteil ist. Mit Swiss Army Men ist vermutlich einer der gewagtesten, poetischsten, philosophischsten, surrealsten und besten Filme der letzten Dekade gelungen. Mit einer unglaublichen Naivität, und einem Unverständnis für das Leben, dessen Auslebung oft so banal scheint, erklärt Hank Manny das Leben und seine Bedeutung. Mit einer unglaublichen Behutsamkeit definieren die Regisseure Daniel Kwan und Daniel Scheinert etwas, was wir alle unser Leben lang niemals definieren werden können.
Trailer zu Swiss Army Man
Manny, dessen Naivität seinem Tod geschuldet ist, dient dem Zuschauer als Identifikationsfigur. Obwohl er im Gegenzug zu Hank, wesentlich weniger weiß als der Zuschauer. Wie könnte man nicht ins grübeln kommen, wenn Manny seinen Freund fragt, was normal ist, und was eben nicht. Wie könnte der Zuschauer nicht anfangen zu fragen, wo all der Sinn ist und ob dieser überhaupt zur Frage stehen sollte. Das sind zentrale Fragen unser aller Leben, die jeden Einzelnen von uns, unser Leben lang begleiten. Wir kommen nicht über das definieren hinaus.
Und genau da setzt die Brillianz des Filmes ein. Denn es wird nach und nach deutlich, wie seltsam unsere eigene Welt geworden ist. Wie seltsam doch das Arbeiten, das Zusammenleben und alle anderen Dinge in einer moderen Gesellschaft sind.
Während Tom Hankss Heimkehr darin mündet, daß er wieder arbeiten geht und seinen Pflichten nachkommt, so traut sich Paul Dano dem gesellschaftlichen Strom zu entfliehen. Ja, und während uns dieser Film eine kleine Lehrstunde in Sachen Sinn und Leben erteilt, ist er zudem noch wunderschön anzusehen und oftmals sehr witzig.
Denn auch optisch haben es die Regisseure geschafft Bilder einzufangen, die so stark und kraftvoll sind, wie nur selten. Ein großes Lob gebührt dem Kameramann Larkin Seiple. Und man fragt sich, warum der Oscar für die Beste Kamera damals an La La Land ging, während Swiss Army Man nicht einmal für irgendeinen Preis nominiert war. Aber ich schweife wieder ab.
Ja, der Film ist in so ziemlich jedem Berreich einzigartig. Es wird schwer so etwas jemals wieder zu krieren, was wahrhaftig große Filme eben ausmacht. Doch bei allem verdientem Lob, sind doch gerade die Furzwitze nach einer Weile etwas problematisch. Moderne Komödien haben ja gerne den Anspruch ernste Themen zu behandeln, und diese als witzig darzustellen. Taika Waititi ist hier an erster Stelle zu nennen. Das Problem sind meines Erachtens dabei die ständigen ironischen Brechungen. Denn während er hier über den Holocaust sinniert, und da der Zerstörer von Asgard von Hulk verprügelt wird, schafft es auch Swiss Army Men nicht, seinen Ernsten Ton in manchen Szenen aufrechtzuhalten.
Und man fragt sich, warum überhaupt? Wir haben uns doch schon auf diese Prämisse und die wirklich absurde Idee eineglassen. Warum muss man dann in einigen Momenten wieder diese ironischen Brechungen haben? Das ist einfach nur schade!
Mit Swiss Army Man gelang den Machern ein wahres Kino-Unikat, welches leider vermutlich nie über einen Kultfilm hinausgehen wird. Viel zu sperrig und unzugänglich für den Otto-Normal-Verbraucher ist dieser Film, der so gewagt, so intelligent und visionär ist. Leider stellt sich auch dieser Film in Sachen Timing zuletzt ein Bein. Aber dennoch (und ich hätte nie geglaubt so einen Satz jemals zu schreiben), ist Daniel Radcliffe virtuos als furzende Leiche. Paul Dano spielt eine Rolle, die ihm vom Typus auf den Leib geschrieben schien und macht seine Sache wie üblich super.
