Bewertung: 2.5 / 5
"The Northman" von Robert Eggers war einer dieser Filme, die ich eigentlich im Kino sehen wollte, mein Zeitplan aber definitv ein Veto eingelegt hat. Nun, zumindest im Heimkino habe ich diese Lücke nun nachgeholt und bin mir jetzt sicher, das ich den fehlenden Kinobesuch doch nicht bereue.
Vielleicht bin ich hier mit einer vollkommen anderen Erwartungshaltung herangegangen, das will ich noch nicht einmal ausschließen. Irgendwie hatte ich mir einen Film erwartet, der mehr in der "Rauben und Plündern" Ecke anzusiedeln ist und in der vom Protagonist und seiner schlagkräftigen Mannschaft, ganz frei nach "Hägar dem Schrecklichen", selbst Englaland wieder auf der Reiseroute steht und nicht mal vor Tod und Teufel zurückgeschreckt wird. Bekommen habe ich aber einen recht authentischen Solo-Rachefeldzug zur Zeit der Wikinger, garniert mit einigen Panorama-Ausblicken auf Island.
Trailer zu The Northman
Grundsätzlich muss das nun ja nicht ganz verkehrt sein und kann ebenso gut funktionieren, in diesem Fall klappt es aber nicht ganz so recht.
Fangen wir doch mal mit den postiven Seiten des Films an und hier ist vor allem der Cast löblich zu erwähnen. Alexander Skarsgård macht hier einen sehr runden und stiernackigen Job, den ich ihm über die ganze Laufzeit abgenommen habe. Gerade Skarsgård, den ich bisher nicht für einen herausragenden Darsteller gehalten habe, passt wie die Faust aufs berühmte Auge in die Rolle des Hauptprotagonisten. Nicht das ich hier eine Oscar rieche, aber sehr solide und gekonnt gespielt. Aber auch Kidman, Taylor-Joy, Dafoe, Hawke... egal wen man benennt, sie liefern hier alle mit Bravour ab.
Der zweite entscheidende Punkt ist die Authentizität, welche der Film sich auf den Buckel geschrieben hat und man wahrnehmbar erkennt, das hier viel Recherche in das Wikingertum geflossen ist. Gut, das hatten die letzten Jahre auch einige kleinere Filme zu verbuchen und selbst eine Serie wie "Vikings" kann sich hier auf die Schultern klopfen, aber in einem Film dieser Liga und für die Kinoleinwand, mit Sicherheit ein Alleinstellungsmerkmal. Ob die Gewänder, die kulturellen Riten, das Gesellschaftssystem oder das Thema Religion, es wurde alles anständig berücksichtigt und eingebaut.
Soweit so gut. Wenn wir aber zum Punkt "Inhalt" kommen, dann sieht die Welt der Wikinger nicht mehr ganz so rosig aus. Mit seinen 137 Minuten fällt auch dieser Film wieder in die Kategorie "zu lange geraten" für die Geschichte welche er erzählen will. Gerade im Mittelfeld, hätte man problemlos 20-30 Minuten abkürzen können, denn so wirklich viele Wendungen kann diese doch recht simpel gestrickte Rachegeschichte nicht aufweisen und der Protagonist ist nicht vielschichtig genug, als das hier wirklich ein Entwicklungsprozess stattfindet, auf den die Geschichte hinarbeitet. Auch die Gegenpartei in Form von Fjölnir und seinen Gesellen hat kaum mehr Tiefgang als eine isländische Meeresbrise und eine Charakterentwicklung findet ebenfalls nicht statt. Einzig der Nebenfigur Olga könnte man noch so etwas wie einen fortschreitenden Erzählstrang zuschreiben, aber dazu bekommt gerade sie wiederum zu wenig Screentime. So dürfen sich die Figuren also immer dann richtig in Position bringen, wenn es denn nötig wird und man spult im Prinzip den Rachefeldzug Stück um Stück durch.
Auch wenn diese eine wichtige Rolle innerhalb der Religion und Kultur der Wikinger spielt, sind dann aber gerade die immer wieder und viel zu oft auftretenden Traumszenen und Visionen, ab einem bestimmten Punkt nur noch entnervend. Auch eine blinde Björk kann hier nicht punkten und hätte genausogut von Darsteller XY gespielt werden können.
Die Szene in der Amleth dann sein schicksalsträchtiges Schwert der Draugr bekommt, wurde auch schamlos von "Conan" entliehen und beigefügt. Als Hommage kann ich das an dieser Stelle nicht mehr durchgehen lassen.
Optisch kann der Film aber immer wieder aufblitzen und seine wunderschönen Panoramabilder von Island präsentieren. Bietet zwar keinen Mehrwert für den Inhalt, aber kann wirklich gefallen. Auch die besagten Traumszenen und Visionen sind immer top-notch inzszeniert, aber lassen den Film daruntern leiden, das sie halt zu oft und zu penetrant auftauchen.
Die Musik ist geprägt von skandinavischer Folklore und keltischen Reigen, was sich alles recht passend anfühlt und einfügt. Bewegt hat mich das Ganze aber zu keinem Zeitpunkt.
Fazit:
"The Northman" wurde im Vorfeld schon als das nächste epische Historienepos abgefeiert und könnte nicht weiter davon entfernt sein. Ein paar Visionen von Walküren und Odin, reichen nicht aus um das Wort "episch" auch nur den in den Mund zu nehmen. Der Film spielt im Prinzip eine recht plumpe und banale Rachegeschichte ab, welche wir in anderen Settings und Genres so schon tausend mal gesehen haben. Irgendwelche herausragenden Alleinstellungsmerkmale kann der Film zu diesem Genre aber nicht beitragen und auch innerhalb seiner Wikingerfantasien, haben wir die letzten Jahre einfach schon vieles geboten bekommen und teils auf wesentlich höherem Niveau. Auch versagt der Film innerhalb seiner Erzählstruktur daran, irgendwelche größeren Spannungsbögen aufzubauen und streckt seine Islandimpressionen bis an die Grenze des gerade noch Erträglichen.
Leider, leider ist dies nicht das vor Testosteron strotzende "Barbarenwerk" der Wikinger geworden, welches man erhofft hat, sondern ein nur mittelprächtiges, schal gewordenes Nordgetränk. Einen Wiederschauwert kann ich bei diesem Film so gar nicht erkennen.
5 von 10 Punkten