Bewertung: 4 / 5
Lara Croft bleibt ein Phänomen. Auch wenn die Figur inzwischen nicht mehr den Stellenwert wie in den 90ern besitzt, ist sie auch weiterhin die bekannteste Videospieleheldin aller Zeiten. Wie bei den Spielen vollzieht man nun auch in Hollywood eine Generalüberholung und holt die Croft ins 21. Jahrhundert. Mit Oscargewinnerin Alicia Vikander in der Hauptrolle schafft man bei Tomb Raider endlich eine überzeugende Videospieleverfilmung, auch wenn noch nicht alles Gold ist, was glänzt.
Tomb Raider Kritik
Seit dem Verschwinden ihres Vaters vor sieben Jahren hat sich Lara Croft (Alicia Vikander) von ihrer wohlhabenden Vergangenheit losgesagt und hält sich mit Nebenjobs mehr schlecht als recht über Wasser. Als ihr zufällig ein Artefakt in die Hände fällt, welches einen Hinweis auf den Verbleib ihres Vaters gibt, macht sich Lara auf den Weg zu einer geheimnisvollen Insel, irgendwo vor der Küste Japans. Dort soll das Grab von Himiko liegen, der Herrscherin über das einstige Land Yamatai. Sollte deren Grab geöffnet werden, könnte dies das Ende der gesamten Welt bedeuten...
Trailer zu Tomb Raider
Die Zeiten ändern sich, Dinge ändern sich, Ikonen ändern sich! Viele Jahre sind vergangen, seit Lara Croft zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte. Das war im Jahr 1996, ziemlich eckig, wollen wir anmerken. Doch Erfolg verpflichtet und so folgten 2001 und 2003 die ersten beiden Tomb Raider-Kinofilme und irgendwie war es gleichzeitig auch der Durchbruch für Angelina Jolie. Nur kamen beide Filme über mehr schlecht als recht nicht hinaus, weswegen über einen dritten Teil zwar diskutiert, aber nie mehr wurde. Währenddessen drehten sich die Uhren weiter und Lara veränderte sich im Spiel. Aus der großbusigen Ballerbraut wurde 2013 ein verletzliches, fast zerbrechliches junges Wesen. Pistolen wichen Pfeil und Bogen und einer Kletteraxt. Was aber blieb, war der Geist von Lara, die innere toughe Frau, immer auf der Suche nach Geheimnissen auf der ganzen Welt. Der Reboot gelang, weswegen dieser als Schablone für den Reboot der Filme herhalten durfte.
Mit Alicia Vikander wollte man von Beginn an alles richtig machen. Modern sind Heldinnen, die wissen, was sie können, aber dies nicht immer zur Schau stellen. Realismus statt Männerträume. Die Story, dicht am Geist der neuen Spiele mit Trinity, Himiko und einer verlorenen Insel. Der Kanon wird dennoch für die Filme geändert, zwei Stunden wären sonst zu wenig und so wird mehr die Idee hinter den neuen Spielen verkauft. Seht her, diese Lara ist neu, sie ist anders, sie ist modern! Der Fokus dabei immer auf den neuen Star gerichtet, Story und andere Charaktere müssen dafür Abstriche hinnehmen, aufgelockert wird die Jagd nach dem Grab von Himiko dabei mit einer Reihe von Actionsequenzen und tödlichen Fallen.
Tomb Raider hätte dabei fast perfekt werden können, ist es aber nicht. Die Vater-Tochter-Geschichte ein wenig zu ausgelutscht, dazu noch viel zu kitschig inszeniert, auch die Gegenspieler, vor allem Mathias Vogel (Walton Goggins) erstaunlich blass. Die Story selbst ist bis auf ein paar Wendungen recht vorhersehbar, aber dennoch nicht langweilig, wenn wir Lara auf ihrer Suche begleiten und dem Rätsel von Himiko auf die Spur kommen. Dass Lara dabei noch ganz am Anfang steht und nicht die berühmte Grabräuberin ist, ist dabei förderlich und grenzt sie wunderbar zu Jolies Lara ab.
Trotz diverser Mängel macht Tomb Raider viel Spaß, vor allem wenn es einen wenigstens kleinen Bezug zur Figur gibt. Dies liegt vor allem an der erstklassigen Besetzung mit Vikander als Lara Croft. Natürlich kann Vikander mehr und schöpft bei weitem nicht ihr volles Potential aus, aber sie ist überzeugend und gibt so der Geschichte das nötige Gewicht. Gerade im Vergleich mit Angelina Jolie zeigt sich, wie viel besser die neue Lara ist. Waren Jolies Filme vor allem Trash in Reinkultur, versucht man sich hier deutlich vom Stigma der Videospieleverfilmungen zu trennen. Zwar gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, eine gute Adaption eines Spiels zu produzieren, doch in neun von zehn Fällen scheiterte man. Gerade hier macht Tomb Raider endlich etwas richtig, was vielen anderen Filmen des Genres bisher nicht gelang. Es ist die erste Videospieleadaption, die sich nicht wie eine anfühlt, denn Tomb Raider versucht in erster Linie ein Film zu sein und nicht das Spielerklientel zu bedienen.
Natürlich erkennen Gamer viele Parallelen, so wird zwar nicht identisch, aber deutlich die Geschichte um Himiko aus dem 2013er-Spiele-Reboot nacherzählt. Statt einer 1:1-Nacherzählung wird aber dem Medium Film deutlich mehr Tribut gezollt. Gerade Spieleverfilmungen leiden oft darunter, dass mit zu vielen Referenzen und übertriebenen Actionsequenzen versucht wird, ein Spiel zu replizieren. Nicht so hier, denn die Anspielungen sind dezent und ergeben sich wenn dann harmonisch aus dem Erzählfluss. Einzig einer Szene - wenn Lara ihre historisch prägenden Doppelpistolen bekommt - merkt man den Fanservice an. Aber auch diese wirkt, durch ihre Position im Film, eher charmant als aufgesetzt. Und passend zum Spiele-Reboot bleiben Bogen und Kletteraxt auch hier die neuen Markenzeichen der jungen Lara.
Untermalt wird die Geschichte mit stimmungsvoller Musik und das obligatorische offene Ende stößt die Tür für mögliche Fortsetzungen ganz weit auf. Als der Abspann einsetzte, war das Gefühl dominierend, dass wir uns auf die Fortsetzung freuen - und das ist maßgeblich dafür, dass Tomb Raider irgendetwas richtig gemacht haben muss.
Wäre Tomb Raider ein gewöhnlicher Film, hätten wir uns wohl zu 3,5 Hüten hinreißen lassen. Ordentlich mit Luft nach oben, wäre unser Fazit, aber das hier ist kein "normaler" Film. Lara begleitet uns seit 22 Jahren und hat damit automatisch einen kleinen Pluspunkt verdient, aber vor allem weil es für sich genommen eine gelungene Videospieleverfilmung ist. Da die Messlatte gerade in diesem Genre so unglaublich niedrig hängt, gibt es die Tendenz Richtung vier Hüte - und den Wunsch mit auf den Weg, dass bei Tomb Raider 2 noch die kleinen Schönheitsfehler ausgemerzt werden.