Bewertung: 4 / 5
Der Oberschüler Hodaka (Kataro Daigo) zieht von einer einsamen Insel in die Großstadt Tokio. Er hofft auf einen Neuanfang und muss bald feststellen, daß das Leben dort teuer ist. Um Geld zu verdienen, arbeitete er für ein okkultes Magazin und bald schon fällt ihm auf, daß es jeden Tag ununterbrochen in der Stadt regnet. Eines Tages lernt er Hina (Nana Mori) und ihren Bruder Nagi (Skura Kiryu) kennen und erfährt, daß Hina über eine besondere Fähigkeit verfügt und damit das Wetter manipulieren kann...
Für die Welt, die sich in diesem gezeigten Tokio eröffnet, gelten andere Regeln. Die Stadt versinkt in Tristesse, ausgedrückt von blinkenden Lichtern, zwielichtigen Gestalten, Dunkelheit und dem ewigen Regen. Das ist kontrastreich, weil der Film das zum Zentrum macht. Und gerade zu Beginn merkt man da auch nichts von einer glanzvollen Schönheit. Viel zu oft spielt Regisseur Makoto Shinkai mit Farben und Symbolen. Es soll eine Kapitalismuskritik im besten Sinne darstellen. Schließlich führt auch die Fähigkeit der jungen Hina Amano dazu, daß sie zusammen mit Hodaka und ihrem kleinen Bruder Nagisa Sonnengebete verkaufen, um so den finanziellen Nöten entgegenzuwirken. Und doch verläuft dieser Film dabei an vielen Stellen relativ routiniert, weil die Gefahren jener Ideen klar definiert werden. Ebenso klar ist auch, daß die Konstellation in ihrer derzeitigen Form nicht ewig bleiben kann und dabei wird der Film sehr erahnbar für einen Großteil seiner Laufzeit. Das führt die Hauptfigur sogar so weit, daß sie sich ab einem bestimmten Punkt im Film nur noch im Kreis bewegt und all die Dinge tut, die eben weiterhin auch nicht zielführend sind. Das Drehbuch ist dann gestreckt, wenngleich man sich auch an anderen Dingen erfreuen könnte. Natürlich würde man argumentieren, daß der Kapitalismus seine Untertanen in einer Art Rad gefangenhält. Doch ein Film hat andere Möglichkeiten und wiederholende Muster muss man da nicht präsentieren, um den Notstand auszudrücken.
Trailer zu Weathering with You - Das Mädchen, das die Sonne berührte
Eines dieser erfreulichen Dinge ist tatsächlich die Beziehung und Romanze zwischen Hodaka und Hina. Die Charaktere verbringen hier eine lange Zeit miteinander und es gelingt der Regie gut, die Charaktere als echte, menschliche Wesen mit Bedürfnissen und Zielen im Leben zu zeichnen. Man fiebert mit ihnen mit, weil sie sich vom Leben wesentlich mehr erhofft haben, als es nun letztendlich für sie bedeutet. Darin steckt durchaus auch immer etwas Pubertäres, weil die Figuren eben auch mit einer gewissen Naivität durch das Leben gehen. Auf der anderen Seite wandert der Film ohnehin auf der für Anime fast typischen Melodramatik, in der alles eine gewisse Schwere zu sich hat. Doch diese spezielle Form des Gefühlsausdrucks ist vielleicht die ehrlichste Form des Theaters und gleichsam auch in diesem speziellen Kontext wunderbar implementiert. Wenn Charaktere in die Ferne blicken, dann sind da immer Kontraste. Der gesamte Film besteht aus einem ewigen Kontrast. Doch das theatralische ist ehrlich, weil die Figuren von relativ einfachen Bedürfnissen geplagt sind. Das heißt, der Film ist eben nicht bedeutungsschwanger, wenngleich man das annehmen könnte. Der Film hat Bedeutung, weil er mit Symbolen, mit Verlangen und mit dem Umgang der Menschen im Hinblick auf den eigenen Planeten spielt.
Und dann kommt eben das große Thema des Films zum Vorschein: Kontraste. Es sind teils relativ simple Metaphern, die hier verwendet werden, um die Dualität des Menschen und das Paradoxon des Lebens zu zeichnen. Das zeigt der Film auch gleich zu Beginn, indem der hoffnungsvolle Hodaka sein eigenes Dorf verlässt und in die Großstadt zieht. Nun ist das ländliche Japan hier relativ schön gezeichnet, wenngleich sich dort – wie in allen ländlichen Regionen – vermutlich nochmal ein härterer Konservatismus findet, als in der Stadt. Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte, dekonstruiert geschickt den amerikanischen Traum, indem ein Individuum normalerweise von Außen kommt und dann das große Glück in der Großstadt findet. Doch dieses Glück ist hier nicht zu finden. Von mafiösen Strukturen, über Prostitution, bis hin zur puren Gewalt, wird dieser Junge in eine Welt geworfen, die viel zu groß und unübersichtlich ist. Und dabei entsteht eben in den gezeigten Bildern ein weiterer großer und großartiger Kontrast. Nämlich das nächtliche Tokio. Ein Ort voller Regen und Dunkelheit und doch sind da überall diese Werbetafeln und blinkenden Lichter. Das führt unweigerlich zu einer Reizüberflutung, derer sich die Hauptfigur hingeben muss. Gleichsam macht Shinkai hier auch keine Gefangenen und nennt das Übel sogar direkt beim Namen. So tauchen bestimmte Firmen wie McDonalds sogar explizit im Film auf und werden für ihre Moral natürlich stilistisch angeprangert.
Wenn Hodaka dann tatsächlich einen Fuß in die Tür setzten kann, dann gelingt ihm das bei einer ebenfalls eher fragwürdigen, wenngleich auch sympathischen Okkultismus-Redaktion von Keisuka Suga und dessen Cousine Natsumi. Daraus zieht der Film tatsächlich einige sehr lustige Momente und sorgt gleichsam dafür, daß die Zuschauer dieses Tokio näher kennenlernen können. Denn die Stadt ist in diesem Film ein eigener Charakter, der sich auch zu verständigen weiß. Dabei kommen natürlich auch die atemberaubenden Animationen richtig gut zur Geltung, weil der Film den Zuschauer in die unterschiedlichsten Momente wirft. Sei es der Tag, mit all seinen Feinheiten, sei es die bereits angesprochene Nacht, oder auch die surrealen Momente. Denn auch Fantasy hat einen großen Anteil in diesem Film. So hat Hina die Kraft, daß Wetter zu ändern. Doch diese Kraft hat einen Preis und sie beginnt nach und nach sich aufzulösen. Natürlich ist das auch eine Kritik am Umgang der Menschen mit dem Thema Klimawandel und gleichsam steckt hier eine Hoffnungslosigkeit drin, nach derer die Charaktere wissen, daß es ein unweigerliches Ende haben muss. Doch das ist nicht einfach eine klischierte pubertäre Liebelei, die die Figuren nach einer Weile vergessen hätten und so wird dieser Film auch spätestens zum zweiten Akt sehr düster und nachdenklich.
Gleichsam will Shinkai seinen Film auch nicht als zynisches Werk verstanden wissen. Denn Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte, ist immer noch ein modernes Märchen, daß seinem Zuschauer noch die Möglichkeit gibt, sich zu verlieren. Dazu dienen die sehr surrealen und schönen Bilder, aber auch die Hoffnung auf ein besseres Leben und eine bessere Zukunft für die Figuren im Film. Kleiner Fun-Fact am Rande: Der Film zitiert an einer Stelle sogar Spider-Man 3 (2007).
Ein Film, der stockt ist Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte sicherlich. Denn die Charaktere treiben die Geschichte nicht immer voran. Dennoch muss man dem Film zugutehalten, daß die Verpackung dessen in ihrer puren Optik voll schöner Opulenz strahlt. Dazu gesellt sich das Spiel mit der Phantasie, die hier mit realen Problemen gemischt wird. Auch die Hauptcharaktere und die immer kontrastreiche Welt des Films untermauern konsequent Fantasy mit Drama und sorgen für großartige Momente im Film.