Der Hobbit ist so gut wie Filmgeschichte, Der Herr der Ringe schon längst. Versiegt das wunderbare Genre der bildgewaltigen Fantasyepen damit also? Mitnichten, denn für uns und wahrscheinlich auch für viele andere gibt es einen großen Hoffnungsträger, einen Silberstreif am Fantasy-Horizont: Warcraft - The Beginning, basierend auf den erfolgreichen Computerspielen von Blizzard Entertainment.
Wenn das Kapitel Mittelerde endgültig (?) geschlossen ist, öffnet sich das Kapitel Azeroth, das Stoff ohne Ende bietet, fantastische Geschichten, Charaktere und Schauplätze so viel das Herz begehrt. Man muss dieses vor sich hin schlummernde Filmpotenzial des Warcraft-Universums für einen Kinofilm eben nur wecken. Versucht wurde es seit Jahren, aber erst unter Regisseur Duncan Jones (Moon), der auch mit Charles Leavitt (Blood Diamond) das Drehbuch schrieb, gelang Blizzard und Legendary Pictures der Durchbruch. Und jetzt sind wir schon so weit, sagen zu können, dass Warcraft nächstes Jahr erscheint.
Da uns bei aller Euphorie aber immer noch etwas Zeit bis zum Kinostart trennt und es nicht schaden kann zu wissen, was genau es mit Warcraft auf sich hat, zeichnen wir den Werdegang der Reihe hier für euch nach, von den pixelig-kultigen Anfängen bis hin zur aufwendigen Verfilmung. So erfahrt ihr alles, was ihr braucht, um für später gerüstet zu sein, wenn es heißt: "For the Horde!" oder je nach Gusto auch "For the Alliance!". Und vielleicht fühlt sich der eine oder andere Zocker ja sogar dazu animiert, noch mal die alten Warcraft-Spiele rauszukramen.
Alles begann 1994 mit...
Warcraft - Orcs & Humans
Der Untertitel sagt es schon: In dem 1994 veröffentlichten Warcraft - Orcs & Humans, dem ersten Warcraft-Teil für PC und Mac, standen sich zunächst nur zwei Fraktionen gegenüber, die raubeinigen Orcs (Horde) und die edlen Menschen (Allianz). Letztere lebten halbwegs friedlich vor sich hin, bis die Orcs durch das Dunkle Portal aus ihrer Heimatwelt Draenor nach Azeroth hineinströmten und sich daran machten, das Königreich der Menschen zu erobern. Beide Völker hatten - wie in den späteren Spielen auch - bestimmte Spezialfähigkeiten und ihre eigene Kampagne, also eine Reihe von Missionen mit durchgehender Handlung. Auf Seiten der Menschen musste der Spieler die Orcs zurückschlagen, auf Seiten der Orcs die Menschen bezwingen. Das Spielprinzip von Warcraft - Orcs & Humans war stark an Westwoods Dune 2 angelehnt, dem anderen Urvater der Echtzeit-Strategiespiele (wenn man den Ur-Urvater Herzog Zwei ignoriert). Neben den Schlachten in Echtzeit galt es, Rohstoffe (Holz und Gold) zu sammeln, um damit eine Basis zu errichten und militärische Einheiten zu produzieren.
Warcraft 2 - Tides of Darkness
Nur ein Jahr nach Warcraft - Orcs & Humans und pünktlich zum Weihnachtsfest 1995 schickte Blizzard auch schon die Fortsetzung ins Feld, wieder ein reinrassiges Echtzeit-Strategiespiel. Warcraft 2 - Tides of Darkness besaß dank höherer Auflösung (SVGA statt VGA) eine deutlich hübschere Grafik als sein Vorgänger, führte den Schiffbau und Öl als dritte Ressource ein und bereicherte das Genre mit dem "Nebel des Krieges", durch den aufgeklärte Gebiete wieder verdeckt wurden, sofern man dort keine eigenen Einheiten oder Gebäude stehen hatte. Im Gegensatz zum direkten Konkurrenten Command & Conquer, der wenige Monate zuvor erschien, spielten sich die beiden Völker leider noch komplett identisch. Die Einzelspielerkampagnen für Menschen und Orcs knüpften an die Orc-Kampagne von Teil eins an. Sturmwind, die mächtige Hauptstadt des Königreichs Azeroth, war gefallen, die Menschen mussten ins Königreich Lordaeron übersetzen. Doch die Orks ließen nicht locker und fielen auch in Lordaeron ein. Im 1996 veröffentlichten Add-on Beyond the Dark Portal, das neue Kampagnen und Mehrspielerkarten bot, wurde der Spieß allerdings umgedreht. Eine Expedition der Allianz wagte sich nach Draenor, um den Übergang zwischen beiden Welten endgültig zu schließen. Die speziellen Heldeneinheiten spielten jetzt eine wichtigere Rolle und waren wesentlich ausgefeilter als im Warcraft 2-Basisspiel. Aber Warcraft 3 konnte es noch besser.
Warcraft 3 - Reign of Chaos
2002 wurde der neue König unter den Echtzeit-Strategiespielen gekrönt, bis heute eines der besten und beliebtesten aller Zeiten und ein echtes eSport-Phänomen. Dass seit Warcraft 2 - Tides of Darkness samt Erweiterung mehrere Jahre vergangen waren, sah man Warcraft 3 - Reign of Chaos auf den ersten Blick an. Die aufgemotzte Grafik behielt zwar den comichaften Stil der vorherigen Teile bei, erstrahlte aber - damals ein Novum bei Blizzard - im 3D-Glanz. Als neue spielbare Fraktionen gab es die Untoten und die Nachtelfen, beide natürlich wie Orcs und Menschen mit individuellen Gebäude- und Einheitentypen ausgestattet. Außerdem wurde der Rollenspielanteil nach oben gefahren, so dass die Helden nun Gegenstände anlegen, in höhere Stufen aufsteigen und neue Spezialfähigkeiten erlernen konnten.
Und nicht nur die Spielmechanik veränderte sich in Warcraft 3 - Reign of Chaos, auch die Kampagnen der einzelnen Völker waren anders aufgebaut, nämlich als fünf aufeinanderfolgende Kapitel mit wachsendem Schwierigkeitsgrad. Anstelle der Orcs, die unter Kriegshäuptling Thrall damit beschäftigt waren, den wilden Kontinent Kalimdor zu besiedeln, bedrohten diesmal die untote Geißel und dämonische Invasoren Azeroth. Vom tragischen Schicksal Prinz Arthas' wollen wir gar nicht erst anfangen... Im Storytelling lieferte Blizzard sein Meisterstück ab, welches mit dem Add-on The Frozen Throne 2003 perfektioniert wurde. Ebenfalls unvergessen, die fantastischen Zwischensequenzen, die die Story bereicherten. Ein Kinofilm in dieser Qualität hätte hätte uns damals ebenfalls sehr erfreut. Um einige Elemente wie neutrale Helden oder Schiffe erweitert, führte das Add-On bestimmte Handlungsstränge fort und verfeinerte den Mehrspielermodus, das zweite Prunkstück von Warcraft 3. Der bezog seinen Reiz vor allem aus den vier Fraktionen, die sich endlich völlig verschieden spielten, und trotzdem nahezu perfekt ausbalanciert waren. Über das kostenlose Battle.net von Blizzard ließen sich im Handumdrehen passende Gegner finden, ein Editor ermöglichte das Erstellen eigener Karten. Für Nachschub von Fan-Hand war also gesorgt. Das heute sehr beliebte Tower Defense-Genre wurde maßgeblich durch diesen Editor befeuert.
World of Warcraft
Dann, gegen Ende 2004 bzw. in Europa Anfang 2005, schlug die große Stunde des Blizzard-Flaggschiffs. Mit World of Warcraft, kurz WoW, wurde endgültig der Schritt zum waschechten Fantasy-Rollenspiel vollzogen - und was für einem! Das riesige MMORPG ("Massively Multiplayer Online Role-Playing Game") zählte im November 2014 wieder rund zehn Millionen Abonnenten weltweit, gepusht durch die jüngste Erweiterung Warlords of Draenor. Zahlen, von denen andere Online-Rollenspiele nur träumen können, denn obwohl viele versucht haben, World of Warcraft vom Thron zu schubsen, ist es bis heute noch keinem gelungen. Immer noch hat der verspielt-farbenfrohe und etwas in die Jahre gekommene, gleichzeitig aber bemerkenswert zeitlose Look seinen Reiz nicht verloren. Immer noch zieht die offene 3D-Spielwelt von Azeroth die Massen in ihren Bann, immer noch wird allerorts gekämpft, erkundet, gesammelt, gelevelt, gehandelt und interagiert, was das Zeug hält, egal ob für sich alleine, miteinander oder gegeneinander. Kurzum, die Möglichkeiten, sich zu beschäftigen und virtuelle Abenteuer zu erleben, sind schier endlos.
Wie die vorausgegangenen Echtzeit-Strategiespiele ist auch World of Warcraft im von Blizzard erschaffenen Warcraft-Universum angesiedelt. Wer darin eintauchen will, schließt entweder ein Abonnement mit monatlicher Gebühr ab oder kauft sich eine Prepaid-Gamecard für begrenzte Spielzeit. Die "Realms" genannten Server, die zur Auswahl stehen, reichen von PvE (Schwerpunkt auf Kampf gegen Computergegner) über PvP (Kampf Spieler gegen Spieler) bis hin zu Rollenspielvarianten dieser beiden Typen. Bei der World of Warcraft-Charaktererstellung muss sich der Spieler zwischen Allianz und Horde entscheiden und kann dort wiederum aus je sieben Völkern und insgesamt elf Klassen wählen, die unterschiedliche Vorzüge und Spielweisen mit sich bringen. Berufe können erlernt und verbessert, Gilden gegründet, als Instanzen angelegte Dungeons zusammen mit anderen Spielern leergeräumt, Schlachtzüge gegen besonders mächtige Bossgegner absolviert, Arenakämpfe bestritten und Unmengen von Quests gelöst werden, also von Nicht-Spieler-Charakteren (NPCs) vergebene Aufträge, die Erfahrungspunkte sowie Gold und Ausrüstungsgegenstände einbringen. All das dient dazu, den eigenen Charakter "hochzuleveln" und stärker zu machen.
Den inhaltlichen Ausgangspunkt von World of Warcraft bilden die Ereignisse in Warcraft 3 - The Frozen Throne, von Add-on zu Add-on kam aber mehr und mehr neuer Content hinzu, wurde die Geschichte weitererzählt, die Welt vergrößert, an Features zugelegt und der Maximallevel angehoben. The Burning Crusade, die erste Erweiterung von 2007, lieferte die verwüstete Scherbenwelt als dritten bespielbaren Kontinent neben den Östlichen Königreichen und Kalimdor, Wrath of the Lich King machte ein Jahr später auch das eisige Nordend zugänglich. Mit Cataclysm wurden die zwei alten Kontinente runderneuert (und teilweise zerstört), ehe uns Mists of Pandaria 2012 die mystische Insel Pandaria samt ihrer Bewohner erforschen ließ. Seit letzten November steht das fünfte und aktuelle Add-on Warlords of Draenor in den Regalen, wo so mit den Zeitlinien gespielt wird, dass man den Orc-Heimatplaneten Draenor besuchen kann, bevor er zur Scherbenwelt zersprengt wurde. Die angestaubten Charaktermodelle bekamen einen neuen Anstrich, die neuen Gebiete wurden grafisch aufpoliert, und Spieler können sich nun eine Garnison aufbauen, was dem schon lange gewünschten Housing bisher am nächsten kommt.
Man merkt also, World of Warcraft kämpft wacker gegen die nach über zehn Jahren nur logischen Abnutzungserscheinungen an. Und wenngleich der Zahn der Zeit unerbittlich nagt, ist ein Ende der Erfolgsgeschichte noch nicht in Sicht. Da könnte der Warcraft-Kinofilm, dem wir uns jetzt widmen, sicherlich auch einiges bewirken.
Der Weg zum Warcraft-Film
Bereits im Mai 2006 kündigten Blizzard und Legendary Pictures gemeinschaftlich an, einen Realfilm im Warcraft-Universum entwickeln zu wollen. World of Warcraft lief damals noch in der Classic-Version, von Fans liebevoll "WoW Vanilla" getauft, boomte aber schon. Doch es sollte noch dauern, bis Bewegung in die Sache kam. Im Sommer 2009 fand sich endlich ein Regisseur, Sam Raimi (Spider-Man), der drei Jahre später, als man immer noch nichts Zählbares vorzuweisen hatte, seinen Ausstieg verkündete und stattdessen Die fantastische Welt von Oz in Angriff nahm. Später erklärte er, Blizzard habe ein Veto gegen seine Arbeit und die von Drehbuchautor Robert Rodat (Der Soldat James Ryan) eingelegt, mit der man wohl nie ganz einverstanden war. Anfang 2013 wurde Duncan Jones dann offiziell ins Amt berufen.
Von da an ging es bei Warcraft zügig voran: Auf der Comic-Con International 2013 in San Diego präsentierten Legendary und Blizzard exklusiv einen ersten Konzept-Trailer, als Starttermin wurde der 18. Dezember 2015 benannt, die BlizzCon 2013 brachte uns neue Concept Art und Informationen zur Story, und noch vor Weihnachten stand fast die komplette Hauptbesetzung fest. Weitere Namen und die zugehörigen Rollen folgten auf der BlizzCon 2014. Dass sich Star Wars - Das Erwachen der Macht reindrängelte und man mit Warcraft deshalb lieber aufs Frühjahr 2016 auswich, statt sich auf ein direktes Kinoduell gegen den Sci-Fi-Giganten einzulassen, konnte den Film auch nicht mehr bremsen. Jones bat im Januar 2014 zum Dreh, nach 123 Tagen war alles im Kasten. Damit fing die Schufterei aber erst richtig an.
Weil die Orcs mittels modernster Performance-Capture-Technologie - ähnlich Planet der Affen - Revolution oder Avatar - Aufbruch nach Pandora - zu filmischem Leben erweckt werden und auch sonst enorm viel digitale Nachbearbeitung nötig ist, verschlingt die Postproduktion den Großteil der Zeit. Zeit, die sich Blizzard und Legendary nehmen, damit aus Warcraft wirklich der Film wird, den die Marke und wir als Fans verdienen. Und selbstverständlich schielt man schon auf ein mögliches Fantasy-Franchise, da muss der Start umso besser sitzen.
Die Handlung des Warcraft-Kinofilms springt ganz an den Anfang zurück, zu den Geschehnissen in Warcraft - Orcs & Humans, als der Konflikt zwischen Menschen und Orcs gerade erst auflodert und sie zum ersten Mal aufeinandertreffen. Dabei sollen sie gleichberechtigt behandelt, soll die Geschichte aus beiden Perspektiven erzählt werden. Auf Allianzseite ist Anduin Lothar der Hauptprotagonist, ein tapferer Kriegsheld, der alles geopfert hat, um die Menschen von Azeroth zu schützen. Vikings-Star Travis Fimmel nimmt sich der Rolle an. Auf Seiten der Horde kämpft Durotan, der edle Häuptling des Frostwolf-Clans, für seine Gefolgsleute und seine Familie. Ihn verkörpert Toby Kebbell, der dank Planet der Affen - Revolution schon Performance-Capture-erprobt ist.
Und nicht nur diese zwei Helden lassen das Fanherz freudig hüpfen, auch die anderen Charakternamen sind Musik in den Ohren alter Warcraft-Veteranen. Die Allianz etwa hat Dominic Cooper (Dracula Untold) als König Llane Wrynn, Ben Foster (Todeszug nach Yuma) als Magier Medivh und Ben Schnetzer (Die Bücherdiebin) als Khadgar in ihren Reihen, die Horde Rob Kazinsky (Pacific Rim) als Orgrim Doomhammer, Clancy Brown (Highlander - Es kann nur einen geben) als Blackhand und Daniel Wu (The Man with the Iron Fists) als Hexenmeister Gul'dan. Zwischen den Fronten steht die willensstarke Garona, gespielt von Paula Patton (Mission: Impossible - Phantom Protokoll), die entscheiden muss, wem ihre wahre Loyalität gehört, den Orcs oder den Menschen. Wer sich ein wenig mit den Warcraft-Spielen und ihrer Mythologie auskennt, stößt in der Verfilmung also auf viele gute Bekannte.
Damit sind wir am Ende unserer langen Reise angelangt. Was bleibt abschließend noch zu sagen? Dass wir große Erwartungen in Warcraft setzen und dem Film entgegenfiebern wie kaum einem anderen, dürfte bis hierhin klar geworden sein. So schön Star Wars - Das Erwachen der Macht auch ist, so spannend die Filme von Marvel und DC Comics erscheinen, sind sie inzwischen doch so vertraut. Warcraft könnte endlich etwas Neues bieten, und zu einem großartigen popkulturellen Phänomen werden, wie wir es schon sehr lange nicht mehr erlebt haben. Je näher wir seiner Premiere im Frühjahr 2016 kommen, desto mehr werden wir noch von ihm hören und sehen. Lasst uns die Daumen drücken, dass Jones, Blizzard und Legendary das Beste draus machen, und vielleicht läuten sie ja wirklich die neue Fantasy-Ära ein, die wir uns alle erhoffen. Zuzutrauen ist es Warcraft allemal. Für die Horde!