Das Shared Universe als Retter
Und genau hier setzt das Shared Universe an. Es bietet die Möglichkeit, ein Fundament für mehrere Franchises zu schaffen, die sich gegenseitig bedingen mit dem Vorteil, immer präsent zu sein, immer einen Film in der Pipeline zu haben, der an den Mann oder die Frau gebracht werden kann.
Marvel und Disney haben dies mit dem MCU perfektioniert. Es ist in erster Linie Fanservice, dass die Figuren in einem Universum miteinander Geschichten erleben, viel wichtiger ist es jedoch, immer im Rampenlicht zu stehen, eine große gewaltige Marketingmaschine am Laufen zu haben, die 24 Stunden, 365 Tage im Jahr aktiv und präsent ist. Nicht umsonst wird der jährliche Output von Marvel von zwei auf drei Filme erhöht. Filmstudios werden zu Marktschreiern: "Seht her, bei uns passiert immer was!"
Auf den ersten Blick erscheinen diese geteilten Universen auch interessant. Filme können auf eine reichhaltige Mythologie setzen, eine neue Komplexität erreichen und geliebte Figuren verwenden, ohne sich jedes Mal mit der Vorstellung des Universums oder den Protagonisten auseinanderzusetzen. Doch so schön ein geteiltes Universum auch ist und aus Marketingsicht ein Traum, gibt es genug Nachteile, die ebenfalls Fragen aufwerfen und die nicht nur die Musik betreffen oder ob wir nicht alle manipuliert werden und der Zuschauer zunehmend verdummt wird. Wie oft kommt es inzwischen vor, dass man als Kinogänger einem Film entgegenfiebert, ihn sieht und wenige Tage später kaum noch groß Gedanken an das Gesehene verschwendet? Vielmehr ist die Aufmerksamkeit dank perfidem Marketing und banaler Storys bereits auf den nächsten Film gerichtet, so dass eine Auseinandersetzung mit dem Stoff wenig Sinn macht.
Wenn Geschichten austauschbar werden
Es lässt sich feststellen, dass je größer ein Universum expandiert, auch die Austauschbarkeit und Belanglosigkeit innerhalb der Geschichten zunimmt. Es geht darum, einen Markt zu sättigen und nicht mehr darum, gute Geschichten zu erzählen. Denn das geteilte Universum hat einen Nachteil in die Wiege gelegt bekommen, den es wie ein Gewicht mit sich herumschleppt: Autoren können bei klassischen Trilogien davon ausgehen, dass die Mehrheit der Zuschauer die vorherigen Teile gesehen hat. Auf diese Weise sind im Idealfall spannende und umfassende Entwicklungen innerhalb einer Story möglich - in einem geteilten Filmuniversum ist dies ungleich schwerer, denn alle Filme interagieren miteinander.
Nur weil sich ein Zuschauer für Captain America interessiert, muss dies nicht zwangsläufig auch auf Thor zutreffen. Zusätzlich schwebt die Frage mit im Raum, warum Figur XYZ nicht in diesem Film auftaucht, in dem anderen aber schon. Was unterscheidet Konflikt 1 von Konflikt 2? Die Lösungen sind entweder sehr persönliche klein gehaltene Geschichten oder belanglose Konflikte mit austauschbaren Gegenspielern. Dabei dürfen zumeist kaum Fortschritte erreicht werden, die einen nachhaltigen Einfluss auf eine in diesem Universum spielende andere Filmreihe haben, für den Fall, dass Zuschauer den einen oder anderen Film nicht kennen.
Waren die Post-Credit-Scenes zu Beginn des MCU etwas Besonderes, sind diese inzwischen nur noch eine Macht der Gewohnheit, um die Comicfans zu bedienen. Sie spiegeln in gewisser Weise den Inhalt der Filme wider, denen sie im Abspann zugefügt werden. Das Ergebnis ist, dass man immer stärker das Gefühl hat, man kommt nicht wirklich vom Fleck, hat alles schon mal gesehen. Da das Marketing auch alles daran setzt, den nächsten großen Konflikt in Zukunft zu pushen, gerät das Hier und Jetzt zur Nebensache.