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Zeit der Unschuld

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Zeit der Unschuld Kritik

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Zeit der Unschuld Kritik
0 Kommentare - 22.04.2024 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Zeit der Unschuld" ist.

Bewertung: 3 / 5

Im 19. Jahrhundert kommt Gräfin Ellen Olenska (Michelle Pfeiffer) nach New York, nachdem sie ihren Ehemann verlassen hat. Nach ihrer Trennung wird sie von der gehobenen Gesellschaft verachtet und erregt dennoch bald die Aufmerksamkeit des Anwalts Newland Archer (Daniel Day-Lewis). Dieser ist mit Olenskas Cousine May Welland (Winona Ryder) verlobt. Nun entsteht für den Anwalt ein Konflikt zwischen Konvention und Verlangen.

Den Gefallen einer weltlichen Offenbarung tun sich nur Diejenigen an, die sich auch mit der Geschichte der eigenen Gegenwart befassen. In der Kunst also hat alles Ethische, alles Philosophische und alles Nachdenkliche in irgendeiner Art und Weise irgendwo ein zuhause. Und dann in diesen ganz speziellen Fällen, werden durch ganz spezielle und großartige Filmemacher Filme gemacht, die einem die Augen öffnen können. Sofern man sie denn geschlossen hatte. Inhaltlich, soviel vorab schon mal, ist Zeit der Unschuld solch ein Film. Ein Film, der wie kein anderer möchte man meinen, die Gesellschaft aufs Korn nimmt. Was einem Kubrick in seinem letzten Werk Eyes Wide Shut (1999) gelang, gelingt hier ohne große Bilder, ohne explizite und offenkundige Perversion. Man könnte Scorsese Werk als die kinderfreundliche Variante von jenem Film betrachten. Doch vielleicht hinkt der Vergleich auch zu sehr. Tatsächlich ist Scorsese wesentlich weniger unterhaltsam, als es Kubrick seinerzeit war. Und das liegt vor allem daran, daß man sich in schier endlosen Dialogen und Problemen einer Gesellschaft wiederfindet, die irritieren möchte und irritieren wird. Ja, was sie nicht alles für einen Blick nach oben riskieren und wie sie sich dort alle geben und pflegen. Es ist eine verabscheuenswürdige Welt, die Scorsese hier skizziert. Doch es ist eben auch kein allzu originelles Thema, sich mit der Upperclass und ihren Wertevorstellungen zu befassen.

Im Prinzip gibt es keine gehobene Schicht. Maximal in finanzieller Hinsicht. Doch Geld mit Intellekt und anderen Dingen zu vergleichen, ist ja irrwitzig. Die Frage, die man sich bei dem Period-Piece Zeit der Unschuld zunächst stellt, ist, was er über die unsere Zeit auszusagen hat. Die Wahrheit ist, daß da eine Übertragung ganz gut stattfinden kann, wenngleich es natürlich nicht gänzlich funktioniert. So ist das Werk eines jener, die von der gesellschaftlichen Bedrängung berichten. Im Prinzip bedeutet das, das Menschen dort keine Individuen sein können. Die von Daniel Day-Lewis verkörperte Hauptfigur verliebt sich in die falsche Frau. Aus aristokratischer Sicht heraus haben Liebe und Zuneigung in einer Gesellschaft des Erhaltes von Reichtum und Wohlstand keinen Platz. Etwas, die die Figuren hier natürlich umtreibt und zum Kernkonflikt gezählt wird. Interessant daran ist vor allem, die Frage, ob das wirklich ein Spiegel unserer Zeit ist. Daß kann man sicherlich nur spärlich empirisch belegen und es ist ja nicht so, als sei es die Kernthese vom Film. Tatsächlich wäre aber mal die Frage durchaus spannend, wie man überhaupt in diesen Sphären auswählt, denn wenn man so Promiehen oder Ehen in ökonomisch höheren Klassen mal genauer betrachtet, dann fällt ja auch in der Gegenwart auf, daß da ein gewisses Schicht-System ausschlaggebend für die Auswahl der- oder desjenigen Welchen ist.

Und genau darin liegt die traurige Erkenntnis der Figuren. Sie sehnen sich nach einem anderen Dasein, einer anderen Liebe. Doch Liebe findet sich hier ja nicht. Im Prinzip konterkariert Zeit der Unschuld damit das, was Jane Austen und jene Dramatiker vergangener Tage erst ermöglichten. Dazu muss gesagt sein, daß es Dramatikern und Autoren natürlich auch nur so möglich war, gewisse Kreise mit gewissem Potential anzusprechen, wenn sie auch diese ansprachen. Nicht umsonst kommen Herrscher in Märchen aus ähnlichen Gründen häufig sehr gut weg. Daß die Übertragung in die Jetztzeit gelingt, liegt weniger daran, daß Scorsese oder Autorin Edith Wharton einen undurchdringbaren Universalismus geschaffen hätten. Es liegt viel eher daran, daß sich seitdem sehr wenig in der breiten Gesellschaft getan hat. Daß das Ende einer Ehe vor allem dann das weibliche Geschlecht trifft, ist ehrlich gesagt auch in weiten Teilen auch heute noch so. Egal ob es ökonomischer, oder aus gesellschaftlicher Sicht. Das Ende der Ehe geht auch heute noch am ehesten zulasten der Frau. Das heißt, aber auch, daß die Figuren hier diesen Elitarismus entlarven. Was eigentlich kleinlich und unbedeutend wirkt und ehrlich gesagt auch nichts mit eigenem Können oder Fähigkeiten zu tun hat, ist essentiell für die Gesellschaft. Auch im Kapitalismus ist das ja nicht anders. Da wird von Leistungen und Fähigkeiten gesprochen, aber in der Realität werden Banalitäten dann ausgeschlachtet.

Zeit der Unschuld stellt ganz klar, daß unter diesen Umständen niemand glücklich ist. Aber der Ausbruch aus der Gesellschaft ebenso erschwert, will meinen fast unmöglich erscheint. Denn das ist hier auch mit Angst verbunden, der Angst davor, ausgeschlossen zu werden und alles zu verlieren. Liebe ist eben nichts für Romantiker und Liebende. Wie auch die Ehe eher ein veraltetes Konzept ist und das stellt Scorsese in dem Fall sehr gut heraus. Opulente, große Bilder gepaart mit inhaltlicher Banalität. Was bedeutet, daß die Figuren sich einer aufgetragenen Banalität und gesellschaftlichen Aufgaben hingeben müssen. Lust hat da so wirklich niemand, doch Angst zwingt die meisten dazu. Wenngleich der Film natürlich auch herausstellt, daß es eben auch solche gibt, die von dieser Art System profitieren und dummerweise sind es meistens die Männer. Doch man sollte sich nicht darauf einlassen, daraus einen banalen Geschlechterkampf zu machen, wie es heute leider immer wieder der Fall ist. Auffallend in Zeit der Unschuld ist nämlich auch, daß die Unfreiheit, die Gefangenschaft in einer maroden Struktur den Frauen hier erst bewusst werden muss und zunächst gar nicht so offen vorliegt. Es ist ein systemisches Problem, daß keinen einfachen Antagonismus findet und dadurch fällt es den Beteiligten eben auch schwer, sich gegen irgendeine Instanz aufzulehnen. Zumal man ja auch erstmal wissen muss, daß man „mehr“ haben kann. Wie auch immer dieses mehr dann aussieht.

Ein eher unbedeutendes Werk in der Vita Scorsese ist Zeit der Unschuld. Vielleicht etwas zu langatmig und auch eher ungewohnt für den Altmeister, sorgt das mitunter dafür, daß man etwas gelangweilt wird. Inhaltlich ist das natürlich eine ziemlich clevere Analyse, die sich sehr gut auf unsere Zeit übertragen lässt und trotz der gezeigten Epoche nicht wirklich altert.

Zeit der Unschuld Bewertung
Bewertung des Films
610

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