Bewertung: 4.5 / 5
Staffel 3 (Part 2) - Episoden 13 - 22
Möchte man diesen Abschnitt innerhalb des Animes qualitativ einordnen, drängt sich mir dabei ein Vergleich mit dem letzten Drittel des ASoIaF/GoT-Romans "A Storm of Swords" förmlich auf. "Attack on Titan" zeichnet sich hier durch eine enorm dichte Handlung mit mehreren, tiefgreifenden World-Building-Ausbauten, Ereignissen und Wendungen aus und befindet sich inhaltlich, dramaturgisch und animationstechnisch auf dem qualitativen Höhepunkt.
Trailer zu Attack on Titan
PARTIELLE SPOILER
In den Episoden 13 - 22 geht es im Großen und Ganzen um die Rückeroberung der Mauer Maria und um die Folgen dieses Feldzuges.
In Episode 14 wird der Kampf zwischen den beiden verfeindeten Parteien neben dem Aufklärungstrupp auch aus der Sicht von Reiner erzählt, man erhält einen direkten Einblick in die Gefühlswelt beider Parteien, wodurch der Ausgang des Kampfes eine größere, tiefergehende Tragweite erhält und ambivalente Emotionen im Zuschauer hervorruft. Genugtuung und Freude aufgrund des (vermeintlichen) Sieges über einen der Hauptantagonisten sind durchzogen von einer mitfühlenden und tragischen Komponente.
Bertholds Verwandlungsexplosion in Episode 15 gleicht dem Aufsteigen eines Atompilzes. Eine treffende Metaphorik, der Kolossale Titan gilt schließlich als einer der größten und mächtigsten Titanen überhaupt, darüberhinaus ist sein Ziel die totale Vernichtung des Bezirks Shiganshina. Da es sich bei "Attack on Titan" um eine japanischen Produktion handelt, hat diese Metaphorik besonderes Gewicht, der entsprechende Bezirk trägt mit Shiganshina sogar einen japanischen Namen.
Episode 17 fällt trotz des Sieges über Reiner und Berthold aufgrund der erschütternd großen Todeszahl ziemlich deprimierend aus, in Episode 18 wird das nochmal um ein Vielfaches gesteigert. Der inhaltliche Ausgangspunkt: Armin und Erwin sind tödlich verletzt, einer von beiden kann jedoch durch die Verwandlung in einen Titanen gerettet werden. Wer darf leben, wer muss sterben? In seiner Entscheidungsgewalt und -tragweite ein unmenschliches, in seinem Wesen aber ein zutiefst menschliches Dilemma. Im Vordergrund steht das Abwägen von kriegsrelevanten, charakterlichen Stärken (Führungskraft und Strategie gegen Analyse und Deduktion), von Emotionalem, von individuellen Gefühlen und dem Blick auf das große Ganze. Letztendlich obsiegt das Bewahren der Menschlichkeit über den kriegsbedingten Wandel hin zur Unmenschlichkeit.
Armin träumt davon, das Meer zu sehen, hat also über den Krieg hinaus noch Pläne und Ziele sowie Spaß und Freude am einfachen Leben und der Natur. Zudem opfert er nur sich selbst. Erwin dagegen opfert als notwendiger Kriegsdämon für den Sieg seine gesamte Kompanie. Und träumt vom Erreichen des Kellers der Familie Jäger, seine Pläne und Ziele reichen also nicht (mehr) über den Kosmos des Krieges und über das Besiegen des Feindes hinaus.
Ein Meisterwerk, bei der 18. Episode handelt es sich meiner Meinung nach um die beste der gesamten, bisherigen Serie. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass das ohne die gleichfalls meisterhafte, inhaltliche Vorbereitung in der Vorgängerepisode nicht funktioniert hätte.
Episode 19 enthält eine schön animierte und inhaltlich bedeutsame Szene, die im Zeichen der Aufklärung steht und sowohl wort- als auch sprichwörtlich Licht ins Dunkel bringt. Im stockfinsteren Keller der Familie Jäger wird von einem Mitglied des Aufklärungstrupps eine Lampe entzündet, deren Licht sich stufenweise und episodenhaft ausbreitet und den Keller letztendlich vollkommen ausleuchtet. Ich möchte hier gar nicht ins Detail gehen, aber wem als Zuschauer in den Staffeln 1 & 2 noch nicht aufgefallen ist, dass sich "Attack on Titan" als Serie hauptthematisch um gesellschaftlich-strukturellen Antisemitismus dreht, dem wird das nun in der Endszene der 19. Episode und insbesondere in den Episoden 20 & 21 offenbart.
Mit dem ein Jahr später spielenden Epilog in Episode 22 stellt sich die dritte Staffel abermals als animationstechnisches Wunderwerk heraus, die farblich satten und hellen Zeichnungen erzeugen in Verbindung mit dem inhaltlichen Status Quo ein angenehm-melancholisches Schlussbild (nebenher wird die Liebesbeziehung zwischen Ymir und Historia bestätigt), gleichzeitig deutet der Zukunftsausblick in der Mid-Credit-Szene drastisch auf erneut drohendes und kommendes Unheil, Leid und Grauen hin. Mit Staffel 4 wird "Attack on Titan" beendet.