Bewertung: 4.5 / 5
Damien Chazelle erschuf mit Aufbruch zum Mond einen emotionalen Höhentrip, der an einen der großen Menschheitsmomente erinnert und vielleicht sogar gerade wegen "One-Face" Ryan Gosling in seinen Gegensätzen so berauscht. Musik und wichtige Stationen sind perfekt inszeniert und haben episches Gewicht, so dass es bedauerlich wäre, würde der Film bei den kommenden Oscars keine Erwähnung finden. Wobei wir speziell an Justin Hurwitz und seinen atemberaubenden Soundtrack denken.
Aufbruch zum Mond Kritik
In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gerät die noch junge NASA immer mehr unter Druck: Zum einen feiern die Russen seit Jahren im All Erfolge, zum anderen wird im Inland eine erhitzte Debatte über das Für und Wider der sündhaft teuren Finanzierung von bemannten Raumflügen und der Erforschung des Weltraums debattiert. Kurzum, die Bilanz muss stimmen, doch Zeitdruck, menschliche Fehler und technische Mängel führen immer wieder zu Rückschlägen und Unfällen mit teils katastrophalem Ausgang. Der am Gemini-Programm beteiligte Testpilot und Astronaut Neil Armstrong (Ryan Gosling) erlebt die Höhen und Tiefen am eigenen Leib und wird eines Tages auserwählt, als Kommandant die Apollo-11-Mission zum Mond zu führen...
Trailer zu Aufbruch zum Mond
Die meisten von uns kennen den ersten Mondspaziergang nur aus den Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern. Das weltumspannende Ereignis feiert im kommenden Jahr sein 50-jähriges Jubiläum (nicht nach gängigen Verschwörungstheorien) und man kann nur erahnen, welche atemberaubenden Minuten die Menschen damals vor den heimischen Bildschirmen und auf öffentlichen Plätzen erlebt haben müssen. Selbst heutzutage ist ein Außenbordeinsatz im All kein Spaziergang, trotz aller Fortschritte, die in der Raumfahrt gemacht wurden - und dann noch auf einem anderen Himmelskörper als dem uns vertrauten!
Aufbruch zum Mond dürfte einige Zeitgenossen wieder dazu animieren auszurufen: "Ich weiß ja, wie es ausgeht, brauch ich nicht." (mit bestem Gruß an einige Nasen in unserem Bekanntenkreis), was vielleicht auch ein kleiner Grund für das enttäuschende Startwochenende in den USA ist. So verständlich eine solche Meinung ist, so bedauerlich ist sie auch, setzen solche, auf wahren Ereignissen basierende Filme, manchmal eine unglaubliche Energie und Begeisterung frei - so sie denn aus der richtigen Hand stammen.
Regisseur Damien Chazelle ist diese richtige Hand, der sich an einen der patriotischsten Spielplätze unserer geliebten Weltmächte wagt, auf dem die USA am 21. Juli 1969 triumphierten. Nach einem zähen Wettlauf, in dem ihnen die Sowjetunion jahrelang schmerzlich zeigte, wer mit Erstleistungen in die Annalen eingehen wird. Ob nun der erste Satellit (1957, Sputnik 1) in der Erdumlaufbahn, das erste Lebewesen im All (1957, Laika), der erste Mensch (1961, Juri Gagarin), die erste Frau (1963, Walentina Tereschkowa) oder der erste Außenbordeinsatz (1965, Alexei Leonow) - die missliebige Weltmacht wies den Klassenfeind in seine Schranken und so rückte das Ziel, als erste Nation den Mond zu erobern, in den Fokus.
Aufbruch zum Mond widmet sich diesen zähen und arbeitsintensiven Jahren, in denen aus einem US-amerikanischen Testpiloten namens Neil Armstrong ein Astronaut und später Nationalheld wurde. Ryan Gosling spielt Armstrong mit einer Zurückhaltung, die teils autistische Züge annimmt, doch es wäre in diesem Fall unrecht, Goslings oftmals gescholtene Mimik als Qualitätskiller zu beschreien. Man mag ihn oder man mag ihn nicht, womöglich gäbe es auch passendere Besetzungen, aber Gosling passt als zurückhaltender, bedachter Raumfahrer. Ganz anders Buzz Aldrin, der flapsig-unverblümt von Corey Stoll gemimt wird, welcher gegenüber Armstrong und dem Dritten im Bunde, Michael Collins (Lukas Haas), wie ein extravagantes Klatschmaul wirkt.
Viele Szenen begleiten den familiären und beruflichen Werdegang von Armstrong, die viel Raum für Empfindungen lassen, weil Verlust und Schmerz in vielen Etappen seines Lebens spürbar sind. Der Film lässt sich Zeit, lässt Momente wirken und schafft es mit Rückblenden, sein Wesen zu erfassen. Dabei ist es unwichtig, wie nah sich Chazelle der echten Person nähert: Aufbruch zum Mond wirkt nie gaffend oder aufmerksamkeitsheischend und schafft besonders durch den Kontrast ruhiger, persönlicher Einblicke die unheimliche Intensität, die den Raumfahrt- und Mondszenen innewohnt. Irgendwann wird Aufbruch zum Mond nach all dem wissenschaftlichen Gerüst zu einem Rausch aus Emotion und Staunen, nämlich dann wenn die Musik mit bekannten Bildern wie dem Start der Rakete oder der Annäherung an den Mond kongenial verschmilzt. So beliebig hier das Leben eines (berühmten) Menschen in einem Film erzählt wird, so intensiv wird die Verfilmung um dieses Ereignis, das so bedeutend ist. Als wäre man selbst dabei gewesen.
Die aktuellen Sojus-Probleme, das Challenger-Unglück 1986 und die Columbia 2003 zeigen, wie riskant die Raumfahrt auch heutzutage noch ist. Nie wird sie etwas von ihrer Faszination verlieren und egal ob Kosmonauten oder Astronauten, der Mut dieser Männer ist unbestreitbar und Ehrfurcht gebietend. Aufbruch zum Mond ist einer dieser seltenen Momente, wo jeder, der ein bisschen Passion für Wissenschaft, Raumfahrt oder einfach nur eine spannend inszenierte Filmographie hat, sich auf einen hervorragenden Film freuen kann. Ob es "das größte Wagnis der Menschheit" ist, wie es uns das Poster suggeriert, sei mal dahingestellt - aber der Weg dahin ist mitreißend bis zum ersten Kontakt.