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Ausgerechnet Sibirien

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Leverkusen oder Liebe?

Ausgerechnet Sibirien Kritik

Ausgerechnet Sibirien Kritik
0 Kommentare - 03.05.2012 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 3.5 / 5

Den Charme hat er nicht gepachtet: Joachim Król spielt einen vertrockneten Vertreter der Midlife-Crisis, der vom Chef in die russische Niederlassung seiner Firma geschickt wird. Ausgerechnet Sibirien spielt ebendort und ist Ralf Huettners Verfilmung des Romans "Der Neuling" von Michael Ebmeyer. Der Regisseur, der mit Vincent will Meer Erfolg hatte, schickt wieder einen Mann auf eine Reise, bei der es wichtig ist, dass man sie gemacht hat, nicht, wie sie ausgeht. Die Kamera schwelgt in der Schönheit des Niemandslandes. Und ganz langsam passieren Veränderungen in jenem einsamen Mann, dessen Höhepunkt seines Tages zuvor das Joggen war.

Sieht man Matthias Bleuel (Joachim Król) beim Laufen zu, während er sich über Kopfhörer mit einem Hörspiel berieseln lässt, erkennt man deutlich die Depression. Der Logistiker eines Modeversandhauses in Leverkusen lebt zurückgezogen in einem verlassenen Reihenhaus. Seine Frau (Katja Riemann) hat das Weite gesucht, ist längst glücklich mit einem anderen, während er und sein Papagei übrig geblieben ist. Und selbst den hatte er eigentlich nur für sie gekauft.

Sein Chef (Michael Degen), ein freundlicher Senior, schickt ihn nach Südsibirien, wo er den Herrschaften erklären soll, wie gut ein ordentliches System im Warenaus- und -eingang ist. Genau das, was man im anarchistisch angehauchten Kemerovo braucht, wo alle Geschäftsambitionen brachliegen, sobald sich eine Kiste kalifornischer Orangen ins Land verirrt hat.

Hier wird getauscht und getrunken, das Leben für den Moment so angenehm gestaltet, wie es in diesem verlassenen Landstrich eben möglich ist. Bleuel ist das ein Gräuel. Doch er läuft gegen Wände, da der gewiefte junge Dolmetscher Artjom (Vladimir Burlakov aus Im Angesicht des Verbrechens) im Sinne der Völkerverständigung agiert und das Gesagte so übersetzt, wie er es für richtig hält.

Ralf Huettner hat dem in Moskau geborenen Schauspieler eine wunderbare Rolle zugeteilt. Der 25-Jährige spielt sie so perfekt, dass er mitunter Joachim Król die Show stiehlt. Ein Auftritt, mit dem sich Burlakov für größere Aufgaben empfiehlt.

Joachim Król gibt den Eigenbrötler gänzlich humorfrei und zunächst auch ohne charakterliche Veränderungen. Doch bis er zum Flughafen geht, um nach Hause zu fliegen, ist erst die Hälfte des Films vergangen.

Die zweite entwickelt sich zu einer fantastischen Reise, mit wunderschönen Bildern und märchenhaften Elementen, die sich um eine schorische Sängerin (Yulya Men) ranken. Sajanas Stimme hat Bleuels Herz berührt. Es ist zu seiner Überraschung doch nicht tot. Er will Sajana finden. Dadurch wird auch Ausgerechnet Sibirien wie Vincent will Meer zum Road Movie.

An mehreren Stellen wähnt man den Film an einem guten Ende, und immer geht er weiter. Immer wieder legt Huettner eine Schippe drauf, was zunächst überraschend ist, aber zunehmend seltsam verspult wirkt. Der Regisseur tobt sich aus, schwelgt in der Landschaft, spielt mit Symbolen und verwischt schließlich die Realität mit Traumsequenzen.

Es geht gar nicht darum, ob weniger mehr gewesen wäre, sondern um den abrupten Rhythmuswechsel. So verwöhnt der Regisseur den Zuschauer zunächst, um ihm dann im mystischen zweiten Teil der poetischen Selbstfindungsreise einiges abzuverlangen. Die blaue Libelle, die Król durch den Film begleitet, ist da nur der Anfang.

Ausgerechnet Sibirien bekommt 3,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)

Ausgerechnet Sibirien Bewertung
Bewertung des Films
710

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