Bewertung: 4.5 / 5
Der inzwischen 21ste Eintrag im MCU läutet das neue Jahr ein und obwohl es mit Black Widow, Scarlet Witch, Valkyrie etc. bereits zuvor weibliche Helden gab, ist dies der erste richtige Solofilm einer Protagonistin.
Vers / Carol Danvers (Brie Larson) ist ein Mitglied der Kree-Eliteeinheit Starforce und wird von merkwürdigen Visionen und Träumen geplagt. Als sie mit ihrem Team und ihrem Mentor Yon-Rogg (Jude Law) aufbricht, einen Spion der Kree auf dem Planeten Torfa zu retten, überschlagen sich die Ereignisse und Vers/Danvers wird auf den ihr unbekannten Planeten C53 / Erde Mitte der 90er Jahre katapultiert, wo sie sich dem Geheimnis ihrer eigenen Vergangenheit stellen muss.
Trailer zu Captain Marvel
Um gleich am Anfang das Drama der letzten Monate im Internet um eine weibliche Protagonistin auszumerzen, muss gesagt sein, das die Figur "Captain Marvel" geschickt "geschlechtsneutral" eingesetzt wird. Ebenso hätte man den ursprünglichen Mar-Vell verwenden können. Danvers überreizt kein "Girl-Power-Klischee" und steht ihren männlichen Pendants zu keiner Zeit in irgendetwas nach.
Mein erstes Lob geht natürlich an Brie Larson, die ihre Rolle als Heldin so luftig frech und keck darstellt, das einem fast schwindlig wird. Jede Mimik, jede Geste oder verschmitztes Grinsen macht sie nur noch mehr sympathisch und sie beweist an jeder Stelle wie sich eine Heldin durchsetzten muss. (soviel zu den im Vorfeld diskutierten negativen Reaktionen über Larson anhand der Trailer) Besonders hervorzuheben sind die sehr gut platzierten Wortgefechte und Diskussionen mit Ihrem "Film-Buddy" Nick Fury (Samuel L. Jackson).
"Buddy-Movie" trifft ganz gut einen Großteil des Films und das Zusammenspiel mit Fury, welcher hier sehr gekonnt verjüngt wurde. (die Technik wird wirklich mit jedem Film besser) Auf Ihrer Reise wird Danvers von Fury begleitet und das führt zu vielen netten Szenen, gut gesetzten Gags und Fury bekommt die bisher meiste Screen-Time in einem Film des MCU. Zu erwähnen wie gut SLJ die Figur Fury darstellt, würde heißen Eulen nach Athen zu tragen, aber eine Sache wäre schon anzubringen, aber vorsichtshalber als Spoiler:
Fury kann auch lachen !!
Trotz einiger Unkenrufe die im Netz herumschwirren, sei auch betont wie hervorragend Ben Mendelsohn den Skrull Anführer "Talos" darstellt. Trotz der ganzen Maske erkennt man hier eine vielseitige und clever dargestellte Figur, die Mendelsohn so lebendig vermittelt, das man nur von einem Gewinn auf der Liste der Marvel Gegenspieler sprechen kann.
Man sollte auch erwähnen das "Captain Marvel" hier vor allem ein wichtiger Film ist, da er das Volk der Skrull nun endlich ins MCU einführt. (ich kenne Marvel Agents of S.H.I.E.L.D. Staffel 5 nicht und kann daher dazu keine Verbindungen oder Vergleiche herstellen, sollten die Skrull dort schon vorgekommen sein) Für das Gesamtbild der galaktischen Seite des MCU, ist der Konflikt zwischen Kree und Skrull zu essentiell, um nicht länger beachtet zu werden. Wobei "Captain Marvel" hier nicht mehr macht, als gerade mal an der obersten Oberfläche zu kratzen.
Jude Law als der Kree-Mentor von Danvers spielt seinen Part passend, aber hier schien mir Law doch ein klein wenig zu sehr auf Autopilot zu agieren. Kann man so stehen lassen, aber eben kein herausstechendes Highlight des Films.
Der eigentlich Star des Films ist natürlich das Fellknäuel "Goose", der ab seiner ersten Szene im Kino immer wieder für "Aaahs" und "Ooohs" gesorgt hat. Gerade die verschiedenen Reaktionen der Figuren auf "Goose" sorgt auch für einige richtig gute Gags.
Der viel diskutierte Humor der Marvel Filme ist natürlich auch hier vorhanden und zieht sich durch den ganzen Film. Mal mehr und mal weniger penetrant. Die Obergrenze von "Thor - Ragnarok" wird hier aber nicht erreicht. Ich würde ihn in etwa auf eine Ebene mit den "Ant-Man" Filmen stellen.
Das Setting des Films in die 90er Jahre zu setzen wird gut dargestellt, indem man an allen Ecken und Enden im Film kleine Referenzen und Easter Eggs eingebaut hat, die Spaß machen sie zu finden und zu sichten. Selbst die Optik und manche Kameraeinstellungen wurden mit einer Huldigung an dieses Jahrzehnt versehen, ohne den Film "altbacken" wirken zu lassen.
Gebührend zu den 90ern werden im Soundtrack einige bekannte Songs dieser Zeit während des Films eingebaut. Ob dies nun die "passendsten" Exemplare sind, kann jeder für sich entscheiden. Mir hat bezüglich des Soundtracks besonders gefallen, das man im eigentlichen Filmscore immer wieder analoge Synthies verwendet hat, welche dem Ambiente einen schönen "Retro-Sci-Fi" Touch geben.
Die Erzählstruktur des Films ist klassisch nach der Marvel-Formel der letzten Jahre aufgebaut, wie man sie von Solofilmen anderer Helden kennt. Das mag nicht innovativ sein, aber wie heißt es so schön... "never change a running system". Entsprechend haben wir es hier mit einer Origin-Story zu tun und nicht mit einem "Event-Kino" / Ensamble Film ala "Avengers". Man sollte dies im Hinterkopf behalten und daher nicht mehr oder weniger erwarten. Vor allem funktioniert dies hier WIEDER alles viel zu gut und wenn man dem Film Schwächen ankreiden will, kann man danach suchen und wird sie auch finden, aber das ist das berühmte Jammern auf sehr hohen Niveau. Dem einen oder anderen wird der Mittelteil des Films, die Vergangenheitsbewältigung von Carol Danvers, zu ruhig und aktionsarm ausfallen, aber gerade hier können die meisten Figuren durchatmen und ihre Rollen entsprechend vertiefen, bevor es zum finalen Showdown kommt.
Die Effekte des Films sehen wieder mal beeindruckend gut aus, man hat sein CGI im Griff und die Szenen im Weltall sind schon echte Hingucker. Aber neue Maßstäbe werden hier nicht gesetzt.
Besonders hervorheben möchte ich das Stan Lee sehr schön gewürdigt wird und das dies im Kino nicht emotionslos vorüberstrich.
Um auch noch auf die Frage von vielen einzugehen inwieweit der Film ein Bindeglied zwischen "Infinity War" und "Endgame" darstellt, möchte ich spoilerfrei sagen, das dieser Anteil sehr gering ausfällt. Der Film führt eine neue Heldin ein, welche in Endgame vorkommen wird, aber ansonsten baut der Film mehr auf die Zeit nach "Endgame" auf. Aber es gibt natürlich einen kleinen Hinweis/"Fingerzeig".
Ich ziehe meine Hutsammlung vor Marvel und vor allem vor Brie Larson für diesen wirklich unterhaltsamen Beitrag im MCU und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen.
Gut gemacht, Soldat !