Bewertung: 3.5 / 5
Fällt der Name Michel Bras, geraten Gourmets ins Schwärmen. Für ihn pilgern sie gern auf ein abgelegenes Hochplateau im Südwesten Frankreichs. Jetzt ist es für den französischen Sternekoch an der Zeit, den Löffel ab, nein, weiterzugeben - an seinen ältesten Sohn Sébastien. Der Dokumentarfilmer Paul Lacoste begleitet den langsamen Prozess der Übergabe in den letzten vier Stationen innerhalb eines Jahres. Entre les Bras - 3 Sterne, 2 Generationen, 1 Küche erzählt dabei von einer herausfordernden Vater-Sohn-Beziehung und der vorsichtigen Entfaltung eines jungen Mannes, der auch kulinarisch seinen eigenen Weg suchen muss.
Erst ein paar Kleckser verschieden farbiger Pürees auf den Teller, dann beginnt Michel Bras, aus etwa 60 Wildkräutern, Gemüsen und Blüten das "Gargouillou" zu komponieren - einen Salat, wie ihn die Gourmetwelt vor ihm nicht kannte. Ein enzyklopädisches Wissen über die Flora verbunden mit Hingabe an seine Region und ein außergewöhnliches kulinarisches Talent zeichnen Michael Bras aus und brachten ihm drei Michelin-Sterne ein.
Seit 15 Jahren arbeitet sein Sohn Sébastien unter ihm im Familienrestaurant. Nun steht der lange vorbereitete Generationswechsel an. Dafür taucht Filmemacher Paul Lacoste auch in die vom Kochen geprägte Geschichte der Bras ein - schon Michels Eltern hatten ein Restaurant in Laguiole. Der Sohn brachte es buchstäblich zu neuen Höhen, heute werden die Gäste in einem spektakulären und teuren Bau mit Hotel auf einer Anhöhe mit Rundumblick auf die Aubrac-Höhen empfangen. Sébastien tritt nicht nur ein kulinarisches Erbe an, sondern übernimmt auch die Verantwortung für einen Betrieb mit 65 Mitarbeitern. Seiner Frau Veronique kommt dabei die Rolle als Leiterin des Bereichs Service zu. Veroniques leichtes Unbehagen, dass auch ihre Kinder - vor allem der kleine Sohn - eines Tages automatisch Teil der Bras-Maschinerie sein werden, hört man zwischen den Zeilen.
Zunächst einmal muss aber Sébastien seinem Vater und vor allem sich selbst beweisen, dass er es Wert ist, das Familienunternehmen weiterzuführen. Noch allzu oft steht er wie ein paralysierter Schuljunge neben dem allmächtigen Vorbild, wenn er dessen Urteil über eine neue Kreation erwartet: "Du darfst jetzt nichts sagen!" Michel, der Perfektionist, traktiert ihn dann noch mit Bemerkungen wie "Ich würde die Gänseleberpastete dorthin tun". Was für den Zuschauer wie eine unerträgliche Bevormundung wirkt, scheint in diesem Vater-Sohn-Gespann zu funktionieren. Ein Freund der Familie bringt das Gefühl der Außenstehenden auf den Punkt: "Ich glaube, dass Sébastien sein wirkliches Können erst zeigen kann, wenn Michel in Rente geht." Ob der sich je ganz zurückziehen wird, bleibt jedoch fraglich. Die Köche sind keine großen Redner, doch Paul Lacoste fängt ihre vielsagende Körpersprache ein. Dabei wird auch deutlich, dass Michel Bras ein liebender Vater ist, der sich durchaus über das Glück seines Sohnes Gedanken macht.
Während man sich als Zuschauer anfangs noch über das vielleicht nicht so außergewöhnliche Kochtalent Sébastiens sorgte, scheint sich dieser im Laufe des Films weiterzuentwickeln. Anschaulich wird das anhand einer eigenen Kreation, für die er erst seine Wurzeln erforscht und dann die Geschmäcker einbringt, die ihn seit seiner Kindheit geprägt haben. Wenn er dann allein bei einem Kochkurs in Paris vor Publikum die neuen Gerichte präsentiert, dann sieht man plötzlich eine sternewürdige Haut Cuisine - die Zukunft des Familienrestaurants scheint gerettet.
Entre les Bras - 3 Sterne, 2 Generationen, 1 Küche bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Diemuth Schmidt)