Bewertung: 3.5 / 5
Die Techno-DJs Westbam und Marusha, Rapper Jan Delay, Trio-Frontmann Stephan Remmler und Dieter Meier, eine Hälfte des Schweizer Elektro-Duos Yello - sie alle sind sich einig: Fraktus haben Techno erfunden. Oder zumindest vorweggenommen. Sie waren Vorreiter, Visionäre, verkannte Genies. Scooter-Lautsprecher H.P. Baxxter behauptet gar, dass er ohne das legendäre Trio nie auf die Idee gekommen wäre, selbst Musik zu machen. Doch wer sind diese in Vergessenheit geratenen Techno-Pioniere? Fraktus sind eine Erfindung der Hamburger Humorschaffenden von Studio Braun (Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger). Von der steilen Karriere und dem steinigen Comeback des vermeintlich legendären Trios erzählt Regisseur Lars Jessen (Dorfpunks) nun in der unterhaltsamen Mockumentary Fraktus.
Der Zuschauer verfolgt dabei den Weg von Musikmanager Roger Dettmer (Devid Striesow): Obwohl Fraktus 1983 - kurz nach einem Brand bei einem Konzert, der die Halle und ihr gesamtes Equipment zerstörte - auseinandergingen, ihre Spuren sich verloren, will er die Band zu einem Comeback überreden.
Unter dem Vorwand, eine Dokumentation zu drehen, sucht er die einzelnen Mitglieder auf: Den leicht debilen Sänger Dirk Eberhard "Dickie" Schubert (Rocko Schamoni), Besitzer eines leicht in die Jahre gekommenen Internet-Cafés. Den introvertierten Soundtüftler Bernd Wand (Jacques Palminger), der als Optiker im Geschäft seiner Eltern arbeitet und mit ihnen die Künstlerkommune/Experimental-Band Fraktus II gegründet hat. Und schließlich den Arschgeweih-Tattoo-Proll Torsten Bage (Heinz Strunk), inzwischen erfolgreicher Kirmes- und Kindertechno-Produzent auf Ibiza. Dettmer schafft es natürlich, die drei, in einer Art Hassliebe vereinten Charaktere von ihrer andauernden Wichtigkeit für die Musikgeschichte zu überzeugen: Fraktus wagen es, wieder gemeinsam ins Studio zu gehen - und vor Publikum aufzutreten.
Schon diese Grundkonstellation dürfte klar machen: Fraktus lässt kein Klischee, keinen möglichen Witz auf Kosten seiner Figuren aus. Die fiktive Doku wandelt dabei auf einem schmalen Grat: Einerseits wird gerade der anfängliche Rückblick auf die Karriere detailverliebt und absolut glaubwürdig inszeniert: Die "Archiv"-Aufnahmen (großartig: der Auftritt bei der 80er-Chartshow "Formel Eins") wirken authentisch. Die cleveren Referenzen an die reale Musikgeschichte und die damaligen Gepflogenheiten des Musikgeschäfts sind ein herrlicher Spaß. Auch ihre Wiedervereinigung wird größtenteils unter realistischen Bedingungen erzählt - Jessen ging sogar soweit, Fraktus vor dem echten Publikum des "Melt"-Festivals 2011 auftreten zu lassen.
Aber: In manchen Szenen degradieren Schamoni, Strunk und Palminger ihre Charaktere eben leider zu reinen Witzfiguren. So ist diese Mockumentary weder eine liebenswerte Hommage à la "Spinal Tap" noch überdrehter Klamauk wie die Beatles-Parodie The Rutles - All You Need Is Cash. Ein unterhaltsames Stück (fiktiver) Musikgeschichte ist Fraktus aber allemal.
Fraktus bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Stefan Weber)