Bewertung: 4 / 5
Der Waisenjunge Krabat (David Kross) schlägt sich zusammen mit zwei Freunden durch das Kalte vom Krieg bedeckte Land. Eines Tages trägt ihm eine mysteriöse Stimme auf, sich nach Schwarzkollm zu begeben und so lässt Krabat seine beiden Freunde hinter sich. Er kommt unter die fittiche des seltsamen Meisters (Christian Redl) und lebt fortan mit einigen anderen Jungen bei einer Mühle. Die anderen Lehrlinge halten nicht viel von Krabat. Nur der Altgeselle Tonda (Daniel Brühl) freundet sich mit Krabat an und mit der Zeit gelangt Krabat in den Kreis der Schüler, die vom Meister in der schwarzen Magie unterrichtet werden. Eines Tages lernt Krabat die Junge Kantorka (Paula Kalenberg) kennen und beginnt sich in sie zu verlieben.
Fast schon mühelos, wirkt es wenn Regisseur und Drehbuchautor Marco Kreuzpainter den Zuschauer in die Welt von Krabat entführt. Der dreckige Morast des Landes, die ausdruckslosen Gesichter der Figuren und das ständige Unwissen über das Schicksal der eigenen Person fügt sich gleich zu Beginn in ein stimmiges Bild, daß nicht herbstlicher sein könnte: Karge Landschaften, laute Raben, knarrende Böden, eisige Steine und Wege, sowieso eine Tristesse der gesamten Szenerie und sterbende Lichter in der Dunkelheit vermitteln den gesamten Film über eine Stimmung, gegen die so manche Hollywoodproduktion alt aussieht. Manchmal wirken gerade die Tagessequenzen etwas Überbeleuchtet, aber das ist zu verschmerzen. Nun ist der Film in einer Zeit entstanden, in der Filme über Magier und Magie eine kurze Hochpase hatten. Filme wie Prestige – Die Meister der Magie (2006) oder auch die Harry Potter-Filme schafften es neben vielleicht noch Der Herr der Ringe die Zuschauer wieder an das oftmals romantisierte und verkrampfte Konzept zaubernder Menschen zurückzuführen. Nun ist Krabat aber nicht im mindesten mit den teils kinderfreundlichen und teils auf Epos getrimmten Harry Potter-Filmen, oder der Mindfuck-Hollywood-Allegorie Prestige – Die Meister der Magie zu vergleichen. Krabat funktioniert nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil er die Ausweglosigkeit und das pure Ende der Hauptfigur zum Anlass nimmt, die Geschichte in Gang zu bringen. Verführt von einem warmen Bett und genug zu Essen landet Krabat in den Fängen des Meisters. Man könnte Krabat nun Vorhalten er hätte sich eventuell auch besonnen überlegen können, ob er sich in die Klauen des Meister begibt. Doch die Wahl hat die Figur nicht und so will er sich auch der eigenen Gier nach Materiellem Gut und einer Grundlage hingeben.
Das alles soll durch die Augen und das Spiel von David Kross getragen werden. Der damals noch recht junge Schauspieler hatte nach seinem Auftritt in Knallhart (2006) mit Krabat erst seine zweite Hauptrolle inne und man muss leider gestehen, daß man das in einigen Momenten merkt. Nun mag Krabat eventuell auch als ahnungsloser und völlig erstaunter Charakter geschrieben sein, doch dieser Effekt nutzt sich ab, doch Kross verbleibt zumeist in diesem Status. Zwar gelingt es ihm in den wirklich emotionalen Momenten schon mehr aus der Figur rauszuholen, doch über weite Strecken kann er weder mit Christian Redl, Daniel Brühl noch mit Robert Stadlober mithalten. Zwar sind auch ihre Figuren wesentlich komplexer, doch insgesamt wirkt ihr Spiel reifer und ausgefleischter.
So kann gerade Daniel Brühl mit seiner weisen und unterschwellig herzlichen Art als Mentor für Krabat punkten. Sein Tonda hat eine Tiefe zu sich, weil man spürt, daß er zwar seinen Dienst für den Meister verrichtet, doch nie so ganz Teil dieser Welt geworden ist. In ihm steckt eine Sehnsucht, ein Fernweh, daß sich im Laufe der Geschichte zu offenbaren scheint. Dabei führt der Charakter Krabat auch Abseits der eigentlichen Stunden schon in die Welt der schwarzen Magie ein und funktioniert hier als viel mehr als nur ein typischer Erklärbär. Allgemein versteht sich der Film als eine Geschichte über Mentoren. Ob Preußler hier vielleicht sogar die unterschiedlichsten Lehrkörper seiner Schulzeit aufarbeitete, bleibt wohl nur eine Theorie. Tatsache ist aber, daß der Film mit mehreren unterschiedlichen Lehrern aufwarten kann, die alle sehr unterschiedliche Charakteristika zu sich haben und somit auch nie ganz schwarz oder weiß sind.
Denn dadurch das die Geschichte mit vielen, kleinen, unerwarteten Wendungen zu trumpft, schüttelt der Film logischerweise auch immer wieder den Status-Quo durcheinander. Das sorgt dafür, daß man einerseits viel Zeit mit den Charakteren verbringt und sie einzeln außerhalb des Gefüges kennenlernt und sie anderseits eben auch die sprichwörtliche Fallhöhe verdeutlichen. Dabei tun sich eben auch viele Ambivalenzen auf, in dem der durchaus undurchsichtige, gruselige Meister auch nur seinen Soll erfüllt. Ob er das will oder eben nicht, steht nicht zur Debatte. Seine Figur ist nur ein weiterer Diener. Und so ist der Meister des Meisters ein in eine Kapuze gesteckte, grotesk anmutende Gestalt, die auf einer Kutsche die Mühle aufsucht. Gerade hier lässt sich eine fleischgewordene Tod-Metaphorik großartig hineinlesen. Man hätte es vermutlich nur noch deutlicher machen können, wenn die Figur auf einem Boot mit einer Sense erschienen wäre. Gerade das der Film sich hier traut diese Dinge einfach der freien Interpretation zu überlassen zeigt auf, wie Erwachsen der Film im Vergleich zu anderen Genrevertretern eigentlich ist. Witzigerweise hat die bedeckte Gestalt auch ganz starke Ähnlichkeiten zu Imperator Palpatine aus Star Wars: Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Ob das gewollt ist oder nicht, sei mal dahingestellt.
Es ist ein Kampf um Macht. Die eine Macht, die die in Liebe zu Menschen mündet und die andere Macht, die sich in wortwörtlicher Macht über Menschen ausdrückt. Nun ist erstere normalerweise einer Kitschmoral unterlegen, die tatsächlich auch daran erinnert, daß der naive Glaube, daß Liebe die Heilung allen Übels sei, etwas zu simpel ist. Doch in solchen Fällen funktioniert diese konservative Aussage, weil sie sich direkt mit der kapitalistischen Ideologie misst. Meistens gehen Familie/Liebe als eher prüde Themen durch, die von Künstler/-innen umgesetzt werden, die ein Märchenbuchverständnis der Welt haben. Doch in manchen Fällen wird deutlich, wie sehr sich Profit und Macht eben mit Liebe und Familie beißt. Und ein solches Beispiel ist auch Krabat, weil die Figur nicht beides haben kann und das Leben gefährlich wird, wenn er versucht aus der Struktur zu fliehen.
Die schaurig schöne Atmosphäre wird ebenfalls von der Drastik der Geschichte getragen. So kann der Film durchaus in einigen Momenten sogar mit subtilen Horrorelementen aufwarten. Diese werden vor allem mit der Kamera gezeigt und wenn sie mal nicht gezeigt werden, spielen sie sich kongenial in den Köpfen seiner Zuschauer ab. Indes kann der Film mit einem gut funktionierendem Erzähler punkten, der die Kälte der Geschichte nüchtern und stimmig betrachtet und analysiert, ohne dabei Stellung zu beziehen.
Man sollte eigentlich nicht meinen, daß ein ein so unscheinbar wirkender Film wie Krabat so eine Kraft zu sich hat. Zwar wirkt der Hauptdarsteller in manchen Momenten etwas hölzern, und gerade wenn hier helle Landschaften gezeichnet werden, erinnert das mehr an Werbefilme, dennoch kann der Film mit starken Wendungen, tollem Schauspiel, einer interessanten Geschichte und einer großartig, ambitionierten Inszenierung punkten.