Bewertung: 1.5 / 5
Rambo: Last Blood
Zehn Jahre sind vergangen, seitdem der Soldat John Rambo heimgekehrt ist. Zehn Jahre, in denen er sich ein neues Leben aufgebaut hat auf der Farm seines Vaters. Dort lebt er mit seiner Nichte Gabrielle und deren Großmutter, die aber nicht mit Rambo verwandt ist – wie auch immer das funktionieren soll. Für Rambo steht eine große Veränderung an, denn Gabrielle will die Farm verlassen und zum College. Doch bevor sie das tut, will sie auch noch ihren Vater besuchen, der sie vor zehn Jahren verlassen hat und zurück nach Mexiko gegangen ist. Doch die Freundin, die den Vater für Gabrielle gefunden hat, entpuppt sich als Verräterin und liefert Gabrielle dem Menschenhändlerring der Martinez Brüder aus. Rambo ist, verständlicherweise, außer sich, fährt nach Mexiko, um seine Ziehtochter zu befreien... und wird prompt von den Böswatzen überwältigt. Als diese ihn schwer zusammengeschlagen liegen lassen, sammelt ihn die Journalistin Carmen auf, die ihre Schwester an die Martinez Brüder verloren und dementsperchend selber noch eine Rechnung mit diesen offen hat. Können die beiden das Kartell zu Fall bringen?
Trailer zu Rambo - Last Blood
Nein, weil Carmen eigentlich nichts mit der Handlung zu tun hat. Aber vielleicht sollten wir nicht so weit vorgreifen, also zurück zum Anfang. Man will es heute ja gar nicht glauben, aber rein technisch betrachtet ist „Rambo“ von 1982 eine Literaturverfilmung. Ursprünglich von Autor David Morrell erdacht, handelte es sich bei „First Blood“ um ein ambivalentes Buch, das weder Rambo noch den Sheriff wirklich als Bösewichte darstellen wollte. Stallone und Regisseur Ted Kotcheff entfernten ein paar Ecken und schufen damit einen Film, der sinnbildlicher für den Übergang zwischen New Hollywood und dem Blockbusterzeitalter nicht sein könnte: immer noch in der taktilen Realität des 70er Jahre Kinos verhaftet, aber schon mit simplerer und moralisch deutlicherer Charakterzeichnung – ohne damit in blödsinniges Gut/Böse zu verfallen. Aber dafür waren ja die Sequels da, die man durchaus unterhaltsam finden kann (wie es der werte Autor tut), die aber auch als Chiffren für das 80er Actionkino herhalten können, mit all den eingeölten Muskeln, Reaganismen und dem Überbietungswahn. Der geschundene Veteran Rambo wurde ein ums andere Mal in Krisengebiete geworfen, um da im Namen des Guten auf immer weiter eskalierende Weise aufzuräumen.
Seinen vorläufigen Höhepunkt fand die Chose mit dem 2008 schon arg verspätet erschienenen „John Rambo“, der ob seiner wahnwitzigen Brutalitäten bei der deutschen Zensur einige Federn lassen musste. Das verwundert allerdings auch nicht, hält man sich vor Augen, dass Rambo, liebevoll von der Kamera festgahlten, ganze Landstriche entvölkert und unzählige Familien zerbrochen zurücklässt. Der vierte Teil dürfte durchaus einer der heißesten Anwärter auf den Titel des geschmacklosesten und unterhaltsamsten Studiofilms des neuen Jahrtausends sein, so sehr suhlt er sich in Leid und Gewalttaten. Zu überbieten wäre das Ganze natürlich nur gewesen, indem man Stallone mit einer GoPro, einer Machete und einem Maschinengewehr in ein Krisengebiet geschickt hätte, um ihn dort echte Kriegsverbrechen begehen zu lassen. Stattdessen hat man sich, Menschenrechtsorganisationen danken, für den umgekehrten Weg entschieden: der nächste Teil ist kleiner, intimer, persönlicher geworden. Und das klingt doch auf dem Papier ganz gut, oder?
Nein, tut es natürlich nicht, denn auf dem Papier kann nichts gut klingen, es kann allenfalls gut zu lesen sein. Aber gelesen hat am Set von „Rambo: Last Blood“ wahrscheinlich noch niemand irgendwas. Dafür hat man aber einige Filme gesehen, auch wenn man sie nicht immer ganz verstanden hat. Der neueste Streich im Franchise ist voller Referenzen an andere Actionfilme der letzten zwanzig Jahre, aber auch an Filme wie „Erbarmungslos“ von Clint Eastwood, ohne dabei wirklich ein Verständnis für diese zu haben. Das große und offensichtlichste Vorbild dürfte „Taken“ mit Liam Neeson sein, der eine neue Welle von Charles Bronson-esken Filmen nach sich zog. Wie im Besson produzierten Vehikel geht es auch hier einen Großteil der Laufzeit darum, die „Tochter“ in einem fremden Land aus den Fängen böser Ausländer zu befreien. Dabei wird so dreist abgekupfert, dass während einer der Befreiungsaktionen der Eindruck entsteht, „Last Blood“ würde den gleichen Twist (Neeson denkt, er findet seine Tochter, er dreht die Frau um... und es ist wer anderes) abspulen. Tut er aber nicht, also Erwartungshaltung gekonnt unterwandert. Oder so.
Dabei ist das Problem ja nichtmal, dass der Film unoriginell ist. Frei nach Wim Wenders gibt es ja keine neuen Geschichten mehr, also wäre es vergebene Liebesmüh, sich hierüber aufzuregen. Schlimmer wiegt nämlich, dass der Film wirklich nichts zu sagen hat, die Formel auf faulste Art bedient, ohne ihr etwas hinzuzufügen. Wäre etwas Muskelschmalz, vielleicht sogar etwas Leidenschaft, in diesen Film geflossen, könnte man die aufgewärmte Suppe wenigstens als ritualisiert bezeichnen: wir alle wissen, was passieren wird, wir werden aber auch darauf vorbereitet, das Ding wird zum Crowdpleaser. Vergleichen könnte man das mit einem „Freitag der 13.“-Sequel, das einem immer wieder gleiche Handlungsmuster und immer wieder das gleiche Schlachtvieh leicht variiert vor die Nase setzt. Den Vergleich lädt „Last Blood“ nicht nur wegen seinem „endgültigen“ Titel ein, der den geneigten Zuschauer an die „Nightmare“-Reihe oder eben den Schlitzer vom Camp Crystal Lake erinnert, sondern weil er, ähnlich wie der Denzel Washington Dad-Actioner „The Equalizer“ ein paar Jahre zuvor, unseren Helden im Finale ganz Slasher-mäßig inszeniert, wie er immer wieder aus dem Schatten auf kreativste Art (sogar mit einer Machete) die bösen Jungs abschlachtet. Im Gegensatz zu den besseren „Freitag“-Filmen, die ihren Charakteren wenigstens eine zweite Dimension zugestehen, bleibt hier aber alles an der Oberfläche.
Denn „Last Blood“ kommuniziert nur in Platitüden, versucht mit bedeutungsschwangeren Worten und Gesten Tiefe vorzudeuten, die nicht da ist. Vielmehr werden breite Charaktertypen verwendet, die breite Aussagen tätigen, in der Hoffnung, dass die Zuschauer aus anderen, besseren Filmen Kontext mitbringen, um „Last Blood“ mit ein bisschen Inhalt zu füllen. Wir kennen die Journalistin, die auf gefährlichem Gebiet für die Wahrheit kämpft (oder auch nicht, so wirklich wird das hier nie klar...), wir kennen die Gangsterbrüder, die in Konkurrenz zueinander stehen, wir kennen die Schwärze im Herzen der Männer und wir wissen, wer der Typ im Poncho auf dem Pferd ist. Aber wirklich etwas sagen tut der fünfte „Rambo“ damit nicht. Das kann er auch gar nicht, dafür hetzt er zu sehr durch die einzelnen Plot Points, dafür vergisst er auch einiges zu schnell. So hat ein Subplot um einen großen Deal der Menschenhändler nur eine Szene und keine wirklichen Auswirkungen abbekommen, so hat Paz Vegas Journalistin eigentlich nur die Aufgabe, Sly zu bemuttern und ihm Informationen zu geben. Wer jetzt clevere Subversion vermutet, ist auf dem falschen Dampfer: die Punkte werden nicht übergangen, weil der Film etwa ähnlich wie „You were never really here“, den er auch mal kurz abrippt, durch elliptische Erzählung Sehgewohnheiten unterwandern will, sondern weil er nicht mal die genretypischen Muster wiederholen kann. Um die Faulheit des Films vielleicht auf andere Weise zu verdeutlichen: neben CCRs „Fortunate Son“ dürften wohl The Doors die ausgelutschteste Musikreferenz an den Vietnamkrieg sein. „Last Blood“ setzt in seinem lahmen „Einer gegen Alle“-Finale „Five to One“ ein. Verstehste?
Diese Faulheit verärgert doppelt, weil sich im ersten Drittel durchaus interessante Ansätze finden. Wenn wir am Anfang die von Rambo gebuddelten Tunnel sehen, die offensichtlich symbolhaft für sein Trauma stehen sollen, und sehen, dass Gabrielle die Wände dort bemalt hat, ist das durchaus ein nettes Zeichen dafür, wie sie seine psychischen Wunden hätte heilen können – wenn Rambo dann aber dem Gopher aus „Caddyshack“ gleich am Ende aus den Tunneln hochpoppt, ist da kein Pay Off, weil der Film zu Trauma und zur Bewältigung von ebenjenem nichts zu sagen hat, außer vielleicht dann doch bei der altbewährten Resolution through Violence zu landen. Und auch wenn wir Rambo am Esstisch sehen und sein ganzer Körper sich anspannt, während er sein Besteck in die Hände nimmt, kriegen wir kurz ein interessantes Thema präsentiert, nämlich den Mann, der sich in der Zivilisation zutiefst unwohl fühlt. Doch, als hätte jemand jetzt noch was anderes erwartet, damit macht der Film ebenfalls nichts.
Liefert der Film wenigstens auf der Actionebene? Nein.
Na gut, vielleicht noch ein paar Worte mehr dazu. „Last Blood“ gehört zu der Schule Actionfilm, die den Helden zeigen, wie er etwa eine Waffe abfeuert, dann zu einem Bösewicht schneidet, der umfällt, aber sich nie die Mühe macht, eine ordentliche Geographie zu etablieren, die uns hilft, alles in einen Kontext zueinander zu bringen. Ein filmischer Raum wird hier nicht aufgebaut, obwohl der Zuschauer diesen dringend braucht, um die Actionszenen in seinem Kopf zusammenzubauen, damit diese dann erst wirklich eine Wirkung entfalten können. Zwischendurch mal eine Totale einzubauen, die Rambo und Gegner zusammen zeigt, hätte Wunder wirken können. So bleibt aber nur der bittere Nachgeschmack, man hätte hier gerade nicht mehr als Dienst nach Vorschrift gesehen, weil die Filmemacher kaum bereit waren, das geringste Maß an Aufwand zu betreiben.
Am Ende hofft man tatsächlich, dass das mehrdeutige Schlussbild die Möglichkeit auf weitere Sequels verschließt, noch so einen altersmüden Aufguß will man nämlich wirklich nicht mehr sehen. Lasst die Reihe in Frieden auf dem Soldatenfriedhof der Filmgeschichte ruhen, da ist sie besser aufgehoben.